28. Oktober 2009 8

die schwere Stunde

Ich hatte etwas für eine Predigt nachgelesen und fand bei Willam Barclay eine interessante Sache. Sozusagen ein Kleinod am Weg der Recherche. Er schreibt etwas sehr unschönes und grausames über strenggläubige Juden zur Zeit des Neuen Testamentes. Ich möchte anmerken, dass das kein Kennzeichen des Judentums ist und Barclay gewiss keine antisemitische Aussage treffen wollten. Mangelndes Mitgefühl anderen gegenüber ist ein Kennzeichen des Religiösen im Allgemeinen. Dabei ist es egal, welcher Konfession. politischer Orientierung oder Weltanschauung man fanatisch anhängt. Jede entwickelt die Tendenz andersmeinende zu hassen.

Die strenggläubigen Juden glaubten, Gott habe für die Heiden nichts übrig; sein Wohlwollen gelte ausschließlich den Juden. Mitunter gingen strenggläubige Juden sogar so weit zu behaupten, man dürfe einer heidnischen Frau in ihrer schweren Stunde nicht beistehen, weil auf diese Weise wieder ein Heide mehr zur Welt komme.1

Ermutigend daran fand ich die Definition von „schwere Stunde“. Ich kannte den Ausdruck nur für eine harte Zeit, gleich welcher Ursache; als Synonym für Geburtswehen hatte ich ihn noch nie gehört. So verstanden enthalten schwere Stunde immer die Verheißung auf ein Neues, das sie hervorbringen. Ich werde mich bemühen, in der nächsten harten Zeit diese Phase als notwendige Zwischenzeit in der Geburt eines Neuen zu sehen.
Um dem Ganzen noch etwas Philosophisches zu geben erwähne ich noch Nietzsche, der seine häufigen Kopfschmerzen als „cerebrale Geburtswehen“ bezeichnete. Schöner Euphemismus.

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  1. Barclay, William (1979): Apostelgeschichte. Wuppertal: Aussaat-Verl. (Auslegung des Neuen Testaments / William Barclay), S. 96–97 []

8 Kommentare

  1. Hm, nur mal als ein kleiner Gedanke dazu,
    ist jetzt vielleicht etwas weit hergeholt,
    aber wenn ich daran denke, wie z.B. viele
    CVJM Ortsvereine, Posaunen & Bläserkreise
    in ihren Gründungsjahren auf die Pauke
    gehauen haben, Kirmeswagen gestürmt
    & gleich noch das halbe Dorf mitbekehrt
    haben, denke ich wir haben immer noch
    einiges zu lernen und an den Start zu
    bringen. Und so schlimm bzw schlecht,
    wie man man uns oft nachsagt, sind
    wir nämlich nicht. Jesus Freaks Forever.
    Nä, schlimmmer!!

  2. Hmm, ich weiß jetzt nicht so recht, was Barclay da so „unschönes und grausames über strenggläubige Juden“ geäußert haben soll: Es ist eine Tatsache, daß es eine Strömung innerhalb des Judentums zu neutestamentlicher Zeit gab, die genau so gedacht hat, wie Barclay es beschreibt. Insofern ist das weder unschön noch grausam, sondern zunächst einmal einfach das Gebot einer einigermaßen sachlich-korrekten Darstellung.

    Vorzuwerfen wäre Barclay hier allerdings umso mehr, daß er mit „die strenggläubigen Juden“ völlig unzulässig pauschalisiert – als habe es nicht auch wirklich „strenggläubige“ Juden bzw. Strömungen im Judentum gegeben, die durchaus daran festhielten, daß Israels Auserwählung gerade für die Völker gilt, wenngleich damit nicht gleich so etwas wie ein „Missionsgedanke“ verbunden war.

    Oder habe ich Deine Wertung der Aussagen Barclays falsch verstanden?

  3. ja, ging nicht um Barclay, er hat ja nur als Wissenschaftler eine historische Denkweise wiedergegben. Die Denke ist unschön und grausam.

    Pauschalisierung würde ich ihm auch nicht grundsätzlich vorwerfen. An manchen Stellen vielleicht, aber an anderen ist er dann wieder differnzierter und es ist ja klar, dass er nicht an jeder Stelle an der er auf den jüdischen Hintrgrund zurückgreift, einen Deisclaimer einsetzt, dass es auch andere Strömungen gab etc.

  4. Ach so – ich hatte Dich so verstanden, daß Barclay unschöne und grausame Dinge über Juden sagt; jetzt ist es mir klar.

    Zur Pauschalisierung: einen Disclaimer braucht man gar nicht, man kann einfach Roß und Reiter beim Namen nennen – das gebietet eigentlich das „Wissenschaftsethos“. So wie man heute ja auch von askenasischen, sephardischen etc. Juden sprechen kann, ohne eigens darauf hinweisen zu müssen, daß es auch andere jüdische Ethnien gibt – analog könnte man dann statt „strenggläubig“ die jeweilige Schule oder Strömung wirklich beim Namen nennen. Aber, zugegeben – wir sind da in Deutschland oft auch überempfindlich.

  5. In diesem Zusammenhang fällt mir
    gerade wieder die Rückfahrt einer kürzlich
    statt gefundenen Reise nach Lüneburg,
    Uelzen & Hamburg ein. Corrie ten Boom
    wurde dort in der Umgebung ins Lager
    nach Bergen Belsen transportiert.
    Ihre Bücher & Zeugnisse sind
    ein bleibender Beweiß von
    Unschönem und schrecklicher
    Grausamkeit. Ich denke im
    laufe der zeit wird dies
    bezügl. immer mehr auch
    ans Tageslicht kommen…

  6. Barclay hatte da vielleicht ein anderes Empfinden, er war Schotte und alte Schule. Ich weiß zwar nicht genau, wann er das geschrieben hat, aber sicher in einer Zeit in der man auf solche Differenzierungen und political correctness nicht so viel Wert gelegt hat als heute. Er hatte auch keinen wissenschaftlichen Kommentar im Sinn als er schrieb. Ich finde den Kommentar grundsätzlich sehr angemessen.

    @Björne: Corrie hat sicher die eine oder andere schwere Stunde durchlitten.

  7. ist eben auch ein Teil deutscher Geschichte.

  8. An sich ist der Gedanke ja nichts Neues, außer vielleicht in seiner Ausprägung. Die Juden haben sich als auserwähltes Volk gesehen und wer nicht dazu gehörte, war halt Heide (und das eigentlich nicht zu ändern)

    Selbst für die Jünger war es zunächst schwer vorstellbar, dass sie das Evangelium jemanden anders als Juden erzählen sollten. Obwohl der Missionsbefehl von Jesus sehr eindeutig war („Geht hin in alle>/em> Welt…“), selbst bei Abraham war das scon angedeutet („In dir sollen gesegnet werden alle Nationen…“)

    Da musste Jesus schon sehr krass eingreifen, dass er Cornelius einen Engel schickt und Petrus diese Trance und Vision.

    Als er sich dann aufmacht in das Haus dieses Heiden, weiß er eigentlich nicht so recht, was er mit ihnen anfangen soll. Erstens machte er sich unrein und zweitens warum sollte er ihnen das Evangelium predigen, wenn die eh nicht errettet werden konnten?

    Erst als die dann anfangen in Sprachen zu beten und zu prophezeien, fällt bei ihm der Groschen: Offensichtlich hat Gott hier Leute errettet, sonst hätten die nicht ganz offensichtlich den Heiligen Geist empfangen!

    An dieser kleinen Passage wird das ja megadeutlich, wie schwer das in das Hirn von Petrus (und später der andern Christen ging), dass Heiden gerettet werden können…

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