Nachdem Römer 15 bereits mit den Worten „lebt wohl“ endete, wirkt das sechzehnte Kapitel wie ein post scriptum. Völlig zurecht wurde daraus ein eigenes Kapitel als man den Brief in Kapitel und Verse teilte. Den größten Anteil machen Grüße aus. Natürlich ist einiges Interessantes dabei, dem ich in einer Vers-für-Vers-Auslegung auch Aufmerksamkeit gezollt hätte. Ins Auge sprangen mir in der Walter-Jens-Übersetzung aber nur drei Verse.

Grüßt alle Frommen,
die zum Kreis des Narzissus gehören
.1

Es gibt wenige konkrete Stellen im NT die aufzeigen, wie Gemeinden damals strukturiert waren. Diese Stellen zeigen zudem eine große Bandbreite, was angesichts der Unterschiede in Größe und Zusammensetzung der Gemeinden auch nicht anders zu erwarten war. Mit einiger gebotenen Vorsicht könnte man diese Stelle so auffassen, dass es hier um einen Hauskreis geht. Zumindest in der Gemeinde in Jerusalem scheint es Kleingruppen und Hauskreise gegeben zu haben (Apostelgeschichte 5,42), warum also nicht auch in Rom?
Narzissus wird jemand mit Charisma und Einfluss gewesen sein, um den sich ganz von selbst eine Gruppe gebildet hatte. Es gibt in jeder Gemeinde solche Menschen, die im Grunde ganz natürlich Kristallisationspunkte sind. Einigen fällt es einfach leicht, andere um sich zu sammeln. Sie müssen nicht einmal etwas tun sondern haben einfach so das Haus voll. Da in den letzten Kapiteln immer wieder die Rede von der Gemeinde war, denke ich, dass man die Lehre so umsetzen kann: indem man offen dafür ist Gott als Kristallisationspunkt zu dienen und in Leute zu investieren, die sich ganz natürlich um einen sammeln.

Die Kunde von Eurem Gehorsam im Glauben,
der Treue zu Jesus Christus,
ist bis in ferne Länder gelangt –
[…]
2

Das ist nur ein weiterer Vers, der etwas über die Gemeinde in Rom aussagt. Es war eine Gemeinde, die weit über Rom hinaus einen guten Ruf hatte. Sie waren vorbildliche Nachfolger Jesu. Gebe Gott, dass man das auch über unsere Gemeinden sagt!

Aber – gebt acht! –
ich fürchte mich auch für Euch,
geliebte Schwestern und Brüder,
weil ich weiß, dass das Gute die Bosheit anlockt
.3

Leider bleibt etwas Gutes nicht lange unangefochten. Es ist ein Naturgesetz, dass gute Dinge Neid und Missgunst erregen und so schnell auf der Abschussliste stehen. Gut und Böse führen einen eigentümlichen Tanz auf: Das Schlechte zieht das Gute an, es kommt zur Erlösung; das Gute zieht das Schlechte an, es kommt zum Verderben. Diese gegenseitige Rückbezüglichkeit gibt es seit Anbeginn der Welt und sie ist Gegenstand unzähliger Erzählungen, Geschichte, juristischer Werke und Philosophien.
Für den unaufmerksamen Betrachter sieht es oft so aus, als gäbe es einen „kosmischen Kampf“, dessen Ausgang ungewiss ist. Gottseidank wissen wir, dass dieser Kampf bereits am Kreuz von Golgatha entschieden ist und wir nur noch Nachwehen erleben. Die Zukunft ist gewiss!

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  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 77 []
  2. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 78 []
  3. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 78 []

Ein Kommentar

  1. Bosheit und Wermut

    Das kommt ganz bestimmt super an beim Kirchenvolk: die Schlacht ist bereits gewonnen.
    Die Frage ist nur, wie die Welt aussieht, nachdem der Kampf endgültig vorbei ist. Der Konflikt findet ja zwischen Geist und Fleisch statt – genau das wird ja von Paulus letztgültig auf die Spitze getrieben; die bereits sehr weitgehende Penetrierung des Fleisches durch den Geist läßt sich wohl auch kaum bestreiten: sie äußert sich in zubetonierten Landschaften, ständigem Zivilisationslärm und einer Architektur, die nur noch die ästhetischen Prinzipien der Zahl und der geometrischen Form kennt.
    Die Phallusfixierung der abendländischen Zivilisation (wieviel Finales liegt in diesem Wort: Abendland) kommt aus einer Verachtung gegenüber dem Weiblichen, die von vaterorientierten Religionssystemen vorangetrieben wurde.

    Aber was red ich, diese schmutzige, chaotische Natur hat es nicht anders verdient; und ich hoffe doch sehr stark, daß der Himmel aus lauter Dreiecken, Quadraten und Trapezen besteht.

    Ernsthaft, Storch: Du weißt, wie ich das sehe, mit dieser üblichen theologischen Interpretation von Golgatha.
    Wenn ich mich so umsehe, kommt mir sowas vor, wie ’ne Durchhalteparole, die aus ’nem Volksempfänger im zerbombten Berlin tönt.
    Es geht hier nicht um einen tatsächlichen kosmischen Kampf, sondern um die europäische Interpretation des Kosmos, die nunmal – auf Paulus beruhend – im Hinblick auf Geist und Fleisch antagonistisch ist (selbst die Materie an sich wird durch die heutige Physik so interpretiert), anstatt die Harmonie des Ganzen zu betonen.
    Manchmal glaub ich echt, daß Paulus zeitweise an ’ner Überdosis Apfel litt, aber in irgendeinem Brief hat er ja auch eingestanden, was er für ein großer Sünder ist, wenn ich mich recht entsinne. LITERATUR…

    Das ganze wird übrigens nicht besser dadurch, daß MAN das Wort „böse“ durch das Wort „schlecht“ ersetzt. Du hast aber recht, wann Du schreibst, daß gute Dinge Neid hervorrufen. Ich würde sogar glatt behaupten, daß sie – durch den Neid – ganze Theologien hervorrufen, die eine naturgegebene Unterscheidung von Gut und Schlecht umwerten und so aus dem Guten das Böse machen. Aber du kennst Dich ja, glaub ich, mit Nietzsche aus, mein lieber Storch…

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