Das dreizehnte Kapitel ist thematisch enger gefasst als das zwölfte. Paulus kommt hier nicht mehr von Hölzchen auf Stöckchen sondern bleibt im Rahmen von zwei Themen: der erste Teil handelt von der Haltung der Christen zum Gesetz; im zweiten Teil geht es darum, dass die Liebe Gottes Gesetz erfüllt. Es ist nur logisch, dass ich mich an diese Zweiteilung des Kapitels halte wenn ich meine Gedanken weitergebe.
Die Haltung zur staatlichen Ordnung ist von der Theorie her ein wichtiges Kapitel, von der Praxis her ungeheuer herausfordernd – zumindest für Leute, die aus einer eher staatskritischen Denke herauskommen :-). Es gibt keine Verse, die mir besonders hervorstechen, aber der Ansatz des Paulus ist, dass wir uns der staatlichen Ordnung als einer göttlichen Ordnung unterordnen sollen. Das ist besonders herausfordernd, wenn man die Zeit in Betracht zieht, in der Paulus den Brief schrieb. Das politische Klima war für Christen nicht eben günstig, die Apostelgeschichte zeigt, wie viel Paulus zu leiden hatte. Als Paulus den Brief schrieb war Nero bereits Kaiser, es sollte zwar noch etwa zehn Jahre dauern, bis Paulus hingerichtet wurde, aber die große Christenverfolgung unter Nero war nur noch sieben Jahre entfernt.
Paulus rief also durchaus nicht dazu auf, sich einer guten Regierung unter zu ordnen, sondern einer zutiefst bösen, die ihn mehrmals in Gefängnis warf.
Das gibt auf der theoretischen Seite einen wichtigen hermeneutischen Schlüssel. Wer meint, dass Christentum umstürzlerisch wäre, der irrt gewaltig. Das NT liefert keine Hinweise auf eine revolutionäre Gesinnung der Nachfolger Jesu. Das Christentum dennoch eine positive Reformkraft ist, bestreite ich nicht – das ist es. Aber eben Reform, nicht Umsturz. Das gräbt einigen Jesusbildern der 60er Jahre, die Jesus als eine Art Che Guevara mit Birkenstock  malen,  das Wasser ab. Ich meine, dass es auch moderne befreiungstheologische Ansätze zumindest schwierig macht: das Evangelium besteht nicht in der Befreiung unterdrückter Völker. Es hat vielleicht auch diese Ausrichtung, aber nur in einem untergeordneten Sinne.
Ganz besonders brisant müssen die Verse in der Sklavenbefreiung des neunzehnten Jahrhunderts gewesen sein. Warum schreibt die Bibel nicht klar, dass Sklaverei Sünde ist? Warum muss man das aus Zusammenhängen herauslesen? Der wichtigste Grund dürfte sein, dass das frühe Christentum dem System in dem es lebte, nicht feindlich und revolutionär gegenüber stand. Es gab genug anderes zu tun und Jesus hatte klar gesagt, dass sein Reich nicht von dieser Welt ist (Johannes 18,36). Im Idealfall wirkt sich der Glaube auf die Gesellschaft aus, aber das ist nicht das erste Ziel.
Ich kann mir vorstellen, dass es noch einen anderen Grund gab, diese Verse niederzuschreiben. In einer gespannten politischen Situation gibt es auch immer terroristische Kräfte. Im NT sind die Zeloten erwähnt, eine jüdische Gruppierung, die Rom mit Gewalt bekämpfte. (so etwas wie die VVJ – die Volks Vront Judäas ;-)) Es ist gut vorstellbar, dass es ähnliche Ansichten unter den Lesern des Römerbriefes gab denen Paulus so zeigen wollte, dass sie nicht gegen ein System kämpfen sondern für etwas. Die Tendenz, sich zu sehr in den Dingen dieser Welt (politisches Engagement einbegriffen) zu investieren, ist immer gegeben.

Paulus eigenes Beispiel zeigt aber auch, dass Gehorsam gegenüber dem System niemals absolut sein kann. Es gibt höhere Werte, die es zu beachten gilt. So sagen Petrus und die Apostel nach einer Verhaftung dem Hohenpriester: Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen. (Apostelgeschichte 5,29 nach der Elberfelder) Die Bibel lehrt demnach ganz gewiss nicht den Kadavergehorsam gegenüber einer ungerechten Sache.

Letztlich ist die Motivation der Christen auch in diesem Bereich nicht seelenlos. Wir ordnen uns nicht unter weil es ein Gesetz oder ein Mensch sagt. Unser Wandel in der Welt ist von Christus inspiriert:

Darum leugnet, wer sich ihr [der staatlichen Ordnung] widersetzt,
Gottes Satzungen,
stellt sich SEINER Ordnung entgegen
und wird, als Empörer, bestraft.
1

Ich bin gespannt, was es für Meinungen zu diesem spannenden Kapitel gibt. Bitte lest Römer 13,1-7 mal komplett nach. Es hätte vermutlich gegen das Zitatrecht verstoßen, wenn ich so viele Verse von Walter Jens zitiert hätte. Es gibt bestimmt noch vieles zu unserer Haltung zur staatlichen Ordnung zu sagen; ich vermute, dass sich mit den Kommentaren ein interessantes Bild ergeben wird.

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  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 64 []

9 Kommentare

  1. Also zumindest wird Römer 13 wohl nicht der Grund für die Christenverfolgung gewesen sein.
    Meine persönliche Meinung ist, daß die Zahl 13 auf ein verunglücktes Kapitel hinweist. Wenn man aber von Nietzsches „Psychologie des Erlösers“ in den Kapiteln 28 ff in „Der Antichrist“ ausgeht, welche die Aussage „widerstehe nicht dem Bösen“ zum Ausgangspunkt nimmt, dann könnte an dem Kapitel doch was dran sein.
    Falls der Titel „Der Antichrist“ jemand erschreckt, sollte er berücksichtigen, daß es sich dabei um Philosophie (von der radikalsten Sorte) handelt, nicht um Theologie. Das Buch wurde meiner Meinung nach aus tiefstem Schmerz geboren und sollte dementsprechend gelesen werden. Nietzsche stammte aus einer protestantischen Pfarrersfamilie und trug dementsprechend das Christentum tief in sich.
    Hier der Link zur Projekt Gutenberg-Ausgabe:
    http://gutenberg.spiegel.de/?id=5&xid=1937&kapitel=26&cHash=86d3f50e702

    Ansonsten kann ich nur noch mal auf Bonhoeffer hinweisen.

  2. Noch interessanter ist die Stelle tatsächlich zu lesen, wenn man (in dem Fall Du) die Hintergründe mit ausleuchtet, als das Paulus schrieb. Wenn’s in unserem Land nicht nach unserem klassischen, vor unseren geistigen Schublade-Augen habenden, Schema C (für christlich) mit der Regierung läuft, fällt es uns sofort schwer, daran zu glauben – zumindest mir. Es ist wirklich eine Vertrauensprobe, in Blick auf Obrigkeit „Sagt Gott Dank alle Zeit für Alles!“ umzusetzen. Auf der anderen Seite ist sowas auch unheimlich befreiend, sich da gewiss sein zu können, dass, „Was immer auch kommt, was immer auch geht“, Gott es in der Hand hält.
    Und, yes indeed: „… von der Praxis ungeheuer herausfordernd.“ 😉

  3. also für eine schlechte obrigkeit dankbar sein würde ich auch nicht. ich will gott für die dinge danken, die von ihm kommen, aber darunter fallen solche obrigkeiten nicht. da bin ich dann dankbar in allen situationen, aber nicht für alle.

  4. Naja, ich halte die Bibel jetzt nicht unbedingt für ein politisches Lehrbuch. Ich meine die folgenden Verse 8-10 sprechen ja schon immerhin in Richtung Menschenrechte (Nächstenliebe ohne Einschränkung), aber die Unterwerfung unter eine Willkürherrschaft (Jaja, damals gab es auch Gesetze, aber ja noch weit entfernt vom Rechtsstaat, wo zumindest theoretisch auch die Herrschenden dem Gesetz unterliegen), die Paulus in den ersten Versen vertritt, kann ich mir nur dahingehend erklären, dass er vielleicht meint: ein freier, lebender Christ ist besser als ein Christ in Gefangenschaft oder ein toter Christ.

    Heute ist es ja eher weniger so, dass man sich irgendeiner Obrigkeit unterordnen muss. Es gibt gewisse Regeln und Gesetze, die durch viele Hände laufen, bis sie beschlossen werden und es ist auch möglich in Opposition zu treten, Regeln und Gesetze wieder zu ändern – d.h. man muss sich im Grunde gar nix unterwerfen, man muss nur genug Leute finden, die ähnlich denken. In dem Sinne ist es auch ziemlicher Quark sich etwas anderem, als dem eigenen Gewissen zu unterwerfen. Was heute noch Gesetz ist, kann morgen schon kein Gesetz mehr sein, bzw. manchmal lohnt es sich einfach bis zur nächsten Legislaturperiode abzuwarten. 🙂

    In gewissem Sinne ist das auch eine Art Willkür. Aber diese Willkür ist nur scheinbar, denn jeder an die Möglichkeit an der fortwährenden Veränderung des Staates teil zu haben. Und meiner Meinung nach, nach christlicher Ethik sogar die Verantwortung. Wer meint, diese Verantwortung abgegeben zu können in dem er Römer 13,1-7 zitiert, der macht es sich imho etwas zu einfach.

  5. in unserem system ist opposition ein verfassungsgemäßes recht. natürlich ist es in den grenzen der gesetze erlaubt (und in einer demokratie ja sogar erwünscht!) sich am politischen Diskurs zu beteiligen.
    Ich habe vor Jahren mal eine skurrile (ich vermute amerikanische) Diskussion über die Stelle mitbekommen. Da ging es darum, dass es dann ja ein Aufbegehren gegen die amtierende Regierung ist, wenn man bei der nächsten Wahl eine andere wählt. Das ist eher biblizistisch als biblisch.

  6. „Ganz besonders brisant müssen die Verse in der Sklavenbefreiung des neunzehnten Jahrhunderts gewesen sein. Warum schreibt die Bibel nicht klar, dass Sklaverei Sünde ist?“
    Die Sklaverei war damals genauso ein selbstverständlicher Teil der politischen Verhältnisse, wie es heute die industrielle Fleischherstellung zu Nahrungszwecken einer sich totfressenden Überflußgesellschaft ist. Dieser kleine Jesus in mir, der mich seit frühester Kindheit begleitet, sagt mir, daß Gott mit beidem nicht das geringste Problem hat.
    Nein ehrlich, Leute, Römer Unglückszahl ist echt kein großer Wurf und die politischen Verhältnisse sind immer noch Scheiße. Nur daß wir heute in einem System leben, in dem es ungeheuer schwer geworden ist, überhaupt noch Widerstand zu leisten, weil eben alle so vollgefressen und lau zufrieden sind und sich allenfalls selbst darin gefallen in irgendwelchen Politdiskussionen den aufgeklärten Demokraten raushängen zu lassen. Der Erkenntnisbaum wächst währenddessen in den Himmel und trägt immer mehr Frucht; aber vielleicht, irgendwann einmal, wenn er der letzte übriggeblibene Baum ist, werden wenigstens einige wenige gute Christenmenschen endlich begreifen, wen sie tatsächlich meinten, wenn sie zu Gott um bessere Noten oder ’nen Superjob gebetet haben.

    Willkommen in der Wüste der Wirklichkeit.

  7. In meiner Gemeinde lesen wir gerade das Buch 1. Samuel. Das passt zum Regierungsthema: Das Volk will unbedingt einen König (eine Regierung wie alle anderen Völker eine haben). Gott sagt: Na schön, dann kriegt ihr eben einen, aber es wird euch Leid tun. In der Aufzählung in 1. Samuel 8: 11-18 über die „Aufgaben“ des Königs (der Regierung) fehlt im Hinblick auf die Zeit von Jesus und Paulus noch: „Er wird mit feindlichen Eroberern zusammen arbeiten und für sie die Steuern eintreiben“. Deshalb konnte Jesus sagen: „Gebt dem Kaiser, was des Kaisers ist.“ Pastor Richard Wurmbrand, der zuerst unter den Nazis, dann unter den Kommunisten im Gefängnis saß, merkte dazu (sinngemäß) an: Was gehörte dem Kaiser denn im damaligen Israel? Gar nichts. Alles gestohlen und zusammen geraubt. Was gehörte dem Kaiser denn in Rom? Gar nichts. Ebenfalls alles durch Mord und Totschlag zusammen gestohlen. Einem Unrechtsregime gehört nichts mehr als ein Tritt in den Hintern.
    Deshalb schreibt Paulus an Timotheus (1.Tim. 2:1-2): „… Tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung … für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können …“ Das ist unser Maßstab für eine gute Regierung: Geht es uns gut? Wenn nicht, betet für die Regierung, wenn das nicht hilft, wählt sie ab oder betet sie davon.

    Wie Ihr richtig erkennt: zum Untertanengeist sind Christen nicht berufen und für politische Abstinenz gibt es keine Ausrede.

    Das Zitat von Storch bezüglich von Wahlen habe ich so in einer evangelikalen Gemeinde gehört. Ich denke, dass ist schlicht Quatsch.

  8. Hallo Manfred,
    schöner Gedanke, den Herr Wurmbrandt da hat. Aber ich finde, dass der Zusammenhang das Gegenteil sagt, denn es ging ja darum, die Steuer NICHT zu zahlen und Jesus umgeht die juristische Falle indem er sagt, dass Steuern gezahlt werden sollen. Ich finde das sehr eindeutig. Kann man das wirklich anders verstehen? Dann hätte Jesus das Zahlen der Steuer in den Bereich der eigenen Gewissensfreiheit gestellt und nichts wäre gewonnen gewesen – er hätte sich dann immer noch gegen das römische Gesetz gestellt.

    Aber mit der politischen Sache gebe ich Dir Recht. Ich wünsche mir schon seit langem, dass es mehr aufrechte Christen in der Politik gibt. Ich selber tue nicht mehr, als mein aktives Wahlrecht zu nutzen, aber es muss doch mehr Christen geben, die Zeit und Muße haben, sich da mehr einzubringen.
    Ich hoffe, Du hast das Zitat mit den Wahlen nicht in Deutschland gehört….

  9. Um sich wenigstens ein bisschen zu engagieren braucht man mittlerweile nicht mal unbedingt das Haus verlassen. Ich selbst war im letzten Jahr auch nur einmal auf ’ner richtigen Demo. In Sachen E-Petitionen scheint sich einiges zu tun. So hatte die E-Petition gegen die Indizierung und Sperrung von Internetseiten bis ins Parlament geschafft und auch für die noch laufende Petition gegen ein Verbot von Action-Computerspielen wird wohl im Parlament diskutiert werden müssen.
    https://epetitionen.bundestag.de/index.php?action=petition;sa=details;petition=4958

    Ich gehe davon aus, dass die Relevanz des Internet auch bei „Nicht-Nerd“-Themen künftig größer wird.

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