Einer der kürzesten Bibelverse ist einer, dessen Erfüllung wortwörtlich das ganze Leben dauern wird: Betet ohne Unterlass! (1. Thessalonicher 5,17).
Ich habe schon ein paar Predigten über den Vers gehört und auch einiges darüber gelesen. Meistens geht es entweder darum, dass man das ja gar nicht kann, oder um die Frage, warum man es denn überhaupt muss. Warum müssen wir als Christen ohne Unterlass beten?
Um ganz ehrlich zu sein, ich verstehe die Frage gar nicht. Habe ich da was falsch verstanden? Ist Beten eine leidige Pflichterfüllung, für die man einen guten Grund braucht, und etwas, das man auch nur dann macht, wenn man wirklich muss?
Irgendetwas ist faul, wenn es Predigten darüber gibt, wie man sich den Pflichten des Betens, Bibellesens, Anbetens, Gebens, Evangelisierens usw. entzieht. Beten ist eines der größten Vorrechte, die es gibt. Jesus ist dafür gestorben, dass der Weg zum Vater frei ist und wir im Gebet mit ihm reden können. Aber die Art, wie wir oft über das Beten sprechen, offenbart die seltsamen Vorstellungen, die wir haben.
„Jetzt hilft nur noch Beten!“ sagen manche, wenn sie am Ende ihrer menschlichen Möglichkeiten sind. Schlimmer noch ist ein Satz, der mal bei einer Kirchenversammlung gefallen ist: „Da kann auch Gott nicht mehr helfen!“ Es gibt also scheinbar Situationen, in denen wir tatsächlich beten müssen, weil alle anderen Stricke gerissen sind. Und dann gibt es noch Situationen, in denen nicht einmal mehr Beten hilft und wir richtig aufgeschmissen sind.
So etwas macht mich wirklich traurig. Ich habe immer gedacht, dass der erste Schritt, den ein gläubiger Christ bei einem Problem geht, in Gottes Gegenwart führt, aber weit gefehlt! Für viele ist es tatsächlich so, dass Gebet die letzte Möglichkeit ist; ein Schritt, den man erst dann geht, wenn man alles andere probiert hat.
Eines unserer Probleme ist, dass wir Gebet oft als eine Art „Problemlöser“ gepredigt bekommen. Aber das ist – wenn überhaupt – die halbe Wahrheit – und dann auch nur die kleinere Hälfte. Gebet ist zuerst Ausdruck der Beziehung zu Gott. Wir verbringen Zeit mit unserem Vater. Dass sich dadurch auch noch Probleme lösen, ist nur das Sahnehäubchen und das Tüpfelchen auf dem i. So lange wir Gebet immer mit Problemen verbinden, zeigt das nur, dass wir keine Liebesbeziehung mit Gott haben, sondern eine Zweckbeziehung. Dann ist Gott wie die alte Oma, die man widerwillig besucht, wenn man wieder mal sein Taschengeld aufbessern will.
1.Thessalonicher 5,17 ist eine wunderbare Verheißung: ich kann es schaffen, ständig mit Gott in Beziehung zu sein und zu kommunizieren. Wie das genau geht, weiß ich nicht, aber ich bin näher dran als früher. Wenn Gottes Wort es sagt, dann geht es.

Auch wenn ich nicht genau weiß, wie man diese Verheißung umsetzt, weiß ich, wo man anfangen kann: bei der Beziehung. Mir hilft es sehr, darauf zu achten, dass meine Anliegen nicht den größten Teil meiner Gebetszeiten ausmachen. Es ist mir wichtiger, zu erkennen, wer Jesus ist und was er getan hat. Anbetung nimmt immer einen großen Teil meiner Gebetszeiten ein; Meditation über das Wort einen anderen. Das Ergebnis ist ein stets wachsender geistlicher Hunger und immer mehr Bock auf Jesus und die Gemeinschaft des Heiligen Geistes. So muss ich mich nicht zum Beten zwingen, und oft ist es mir sogar egal, ob Gott meine Gebete erhört oder nicht – Hauptsache, ich kann bei ihm sein.

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10 Kommentare

  1. Warum kommt so ein Text von dir genau dann wenn ich (aus persönlichen Gründen) tatsächlich Gedanken wie „Jetzt hilft nur noch Beten!“ habe. Ich fühle mich ertappt. Danke fürs wachrütteln 🙂

  2. herzlich willkommen, 0816. jaja, der Herr…

  3. schau mal -> pefer.de/kontakt wir kennen uns 😉

  4. tatsächlich. ich war eben schon auf der seite, aber da gab es fast nur parseerrors. trotzdem willkommen, ist ja auch eine neue identität.

  5. komme gerade von gießen und bin sowas von im aa.
    es is wirklich so, bei manchen leuten hilft nur noch gott.
    beten im karstadt nuja. 🙁

  6. Hallo Storch – „(…) ich kann es schaffen, ständig mit Gott in Beziehung zu sein und zu kommunizieren.“ Wie? Indem wir naturgegebene Heilsressourcen aktivieren? Ganz gewiß nicht. Wie also? Ich nehme einmal Röm 6, 20-23 zum Ansatzpunkt. Nach Paulus ist der Christ dem Gesetz, mithin der Sünde gestorben. Was heißt das? Ist das Gesetz als solches etwa diabolisch, können wir überdies Tit 2, 11-13 selbstgenügsam ignorieren? Der gesamte Kontext zeigt indes an: Nein. Paulus thematisiert d i e Sünde (ebenso wie das Gesetz) – die Zielverfehlung schlechthin – unter einem zentralen Gesichtspunkt: Dem der Herrschaft. Außerhalb der Gemeinschaft mit Christus ist die Sünde Königin, Versklaverin des Menschen – und das Gesetz Zuchtmeister. Anders gesagt: Die Freiheit des Menschen, sich als einen und ganzen zu vollziehen, ist – unfrei. Seine Gottebenbildlichkeit ist zwar dem Zugriff der angstbedingten „Krankheit zum Tode“ (S. Kierkegaard) entzogen – jedoch in eben diesem Zustand der Gottesferne in dem Maße vergessen wie der Mensch am Abgott Gott verfehlt. I n Christus hingegen sind wir der Sünde als Tyrannin gestorben, weil der Anfang des Glaubens das Ende ihrer Herrschaft ist. Und der Glaube ist das Befreitsein der Freiheit (Gal 5, 1) – auch und gerade zum Gebet. Wie Röm 7 und andere Texte jedoch anzeigen, wohnt diese allerdings noch in uns – als Rebellin gewissermaßen. Dies wiederum kennzeichnet den lebenslangen Glaubenskampf (vgl. Phil 3, 12-13) – und die enorme Bedeutung des Herrengebets, mithin der täglichen (!) Vergebung der Schuld. Vielleicht kannst Du in meinem Beitrag einige helfende Anregungen für Dich entdecken.

  7. Hi Eule,
    ich habe mir mit der Antwort Zeit gelassen um Deinen Kommentar zu durchdenken. Ich sehe das – glaube ich – ähnlich. Die Einschränkung liegt darin begründet, dass ich nicht weiß, was Du unter Chiffren wie „Gemeinschaft“, „Beziehung“, „in Christus“ usw. verstehst. Ich sehe es so, dass der Herrschaftswechsel in dem Moment vollzogen wird, in dem ich mein Leben Jesus anvertraue. Ab da stehe ich unter der Herrschaft Christi, egal wie ich mich fühle und wie siegreich ich bin diese Herrschaft umzusetzen.
    Mit den o.g. Begriffen verbinde ich Nähe und Intimität mit Christus. Erst diese Nähe ermöglicht es mir, die Herrschaft bewusst um zu setzen. Ohne die spürbare Gegenwart Jesu tue ich mich schwer damit, in seinen Fußstapfen zu gehen und der Glaube hat etwas Theoretisches, das mich nicht befreit.

    Was mich in dem Post interessierte war jetzt mehr diese Intimität, das „ständige Gebet“; permanent „im Geist“ zu sein, oder wie man das auch immer bezeichnet.

  8. Lieber Storch – Pardon, daß ich erst jetzt antworte – ich hatte tagelang keinerlei Internetzugang. „In Christo“ – das ist eine von Paulus selbst häufig verwandte Kurzformel für die besagte Gemeinschaft mit Christus, d. h. für den Neuen Bund, der ganz zentral in Kommunikation besteht. Dieses die Anrede Gottes resp. die Antwort des Gläubigen umfassende Kommunikationsgeschehen beinhaltet selbstredend so konstitutive Elemente wie das Abendmahl – und eben das Gebet als Antwort auf den Zuspruch Christi. Und ich stimme mit Dir völlig überein: Etwas Intimeres, Lebendigeres ist zwischen Gott und Mensch in der Tat nicht denkbar. Segen!

  9. was heißt das:betet ohne Unterlass? diese Frage hat sich der Pilger lange gestellt und hat auf seinem Weg Antwort gefunden. Zu lesen im Buch :“ Aufrichtige Erzählungen eines russischen Pilgers“ Herder Verlag ISBN 3-541-21156-4
    Viel Freude beim Lesen

  10. Hallo Walter,

    willkommen und vielen Dank für den Tipp!

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