19. Mai 2009 9

Gottes Gericht

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Die Zeit zwischen dem Sündenfall und Mose stellt uns vor ein theologisches Problem. Auf der einen Seite sagt Paulus, dass Sünde nicht angerechnet wird, wenn es kein Gesetz gibt (Römer 5,12-14). Auf der anderen Seite gibt es zwei sehr große Gerichte Gottes in dieser Zeit: die Sintflut (1.Mose 6-7) und das Gericht über Sodom und Gomorrha (1.Mose 19).
Als Jesus in Lukas 17 über das Ende der Welt sprach, nahm er beide Vorkommnisse als Bild. Es waren also wirklich schlimme Einschnitte in die Geschichte, so schlimme, dass man sie schon als Vorbilder für das Ende der Welt nehmen konnte.

Was meinen wir, wenn wir vom „Gericht“ sprechen?

Wenn wir zum Dönermann gehen, hängt da immer ein Schild in der Tür: „alle Gerichte auch zum Mitnehmen“, das ist nicht damit gemeint, wenn wir über Gottes Gericht sprechen; es hat nichts mit Essen zu tun.
Am Mittwoch musste ich einige Behördengänge unternehmen um die restlichen Bescheinigungen zu besorgen, die ich noch für den Konzessionsantrag für unsere neuen Räume brauche. Dabei war ich auch beim Amtsgericht. Ein Gerichtsgebäude, in dem Recht gesprochen wird, kommt der Sache schon näher. Es geht aber eigentlich nicht mal um das Rechtsprechen, obwohl das z.B. beim jüngsten Gericht so sein wird, sondern mehr um das, was nachher kommt.
Meistens bezeichnen wir eine göttliche Strafmaßnahme als göttliches Gericht. Das deutet an, dass die Strafe rechtmäßig war.
Genau darum geht es auch bei Sodom und Gomorrha oder der Sintflut.

Die Flut und die Städte

Warum konnte Gott richten ohne dass ein Gesetz da war?

Bei der Sintflut hatten die Menschen eine deutliche Warnung bekommen. Noah baute ein riesiges Schiff, das jeder sehen konnte. Petrus bezeichnet ihn als „Prediger der Gerechtigkeit“ (2.Petrus 2,5). Die Arche war sehr groß und man hätte sie auch nachbauen können. Es gab also die Gelegenheit zu reagieren und Gottes Gericht unbeschadet zu überstehen.
Gott war nicht ungerecht, er gab eine realistische Chance der Buße.

Bei Sodom und Gomorrha lagen die Dinge ähnlich. Sodom war schon lange als eine sündige Stadt bekannt – lange bevor der gerechte Lot sich dort niederließ.

Die Leute von Sodom aber waren sehr böse und sündig vor dem HERRN. (1.Mose 13,13 nach der Elberfelder)

Dennoch wählte Lot das Land in der Gegend Sodoms, denn es war sehr fruchtbar. Nachdem er sich von Abram getrennt hatte, wohnte Lot eine ganze Weile in Sodom und brachte es zu einigem Einfluss. Als die Engel kamen um Sodom zu vernichten, saß er im Tor und begrüßte die Ankömmlinge (1.Mose 19,1), was darauf schließen lässt, dass er in der Stadtführung war.
Es ist undenkbar, dass die Bewohner Sodoms durch diesen gerechten Mann nichts von Gott gehört hätten.
Dennoch war es um die Stadt schlecht bestellt:

Und der HERR sprach: Das Klagegeschrei über Sodom und Gomorra, wahrlich, es ist groß, und ihre Sünde, wahrlich, sie ist sehr schwer.
21 Ich will doch hinabgehen und sehen, ob sie ganz nach ihrem Geschrei, das vor mich gekommen ist, getan haben; und wenn nicht, so will ich es wissen. (1.Mose 18,20-21 nach der Elberfelder)

Offensichtlich gab es viele, die unter den Zuständen in den beiden Städten sehr litten und deswegen zu Gott schrieen. Unter diesen Umständen wäre es ungerecht von Gott, nicht ein zu greifen.

In beiden Fällen gab es sehr sicher ein Wort von Gott, das Gericht rechtfertigte.

Müssen wir dann nicht auch mit einem Gericht rechnen?

Das kann uns natürlich ganz schön beunruhigen. Die Zustände in Sodom und Gomorrha waren sicher nicht schlimmer als in jeder beliebigen Großstadt heute. Ich kann mir kaum vorstellen, dass es damals Sünde gab, die heute nicht auch begangen werden. Da heute viel mehr Menschen leben als damals bin ich sicher, dass die Zustände heute schlimmer sind als damals.
Müssen wir dann nicht mit Gericht rechnen? Zumal es ja immer Untergangs- und Endzeitpropheten gibt, die vor dem Zorn Gottes warnen.
Ein berühmter Satz in diesem Zusammenhang ist: „wenn Gott Amerika nicht richtet, muss er sich bei Sodom und Gomorrha entschuldigen“. Das könnte man ebenso über jedes andere Land sagen. Dennoch meine ich nicht, dass wir uns vor Gottes Gericht fürchten müssen, denn er hat das Gericht schon auf Jesus gelegt:

Aber das alles kommt von Gott, der uns durch Christus mit sich versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung aufgetragen hat.
19 Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anvertraute.
20 Wir sind also Gesandte an Christi Statt, und Gott ist es, der durch uns mahnt. Wir bitten an Christi Statt: Laßt euch mit Gott versöhnen! (2.Korinther 5,18-20 nach der Einheitsübersetzung)

Gott hat also das Gericht so zu sagen aufgeschoben. Er rechnet Sünden in dieser Gnadenzeit bis zum Endgericht nicht an. So lange haben wir Zeit Versöhnung und Vergebung der Sünde zu predigen. Es wird ein Gericht über die Welt kommen, aber das wird auch das letzte sein. Danach wird es die Erde in diesem Sinne nicht mehr geben (Offenbarung 6).
Es wird auch ein persönliches Gericht geben in dem jeder Mensch Rede und Antwort stehen muss, aber das wird nicht in dieser Welt sein:

Und wie es den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht, (Hebräer 9,27 nach der Elberfelder)

Natürlich wird die Sünde an sich schon genug Zerstörung über die Welt bringen. Aber Gott ist in alldem nicht unser Problem und auch nicht unser Feind. Er wartet auf jeden, der ihn sucht. Deswegen haben wir eine Botschaft der Versöhnung so lange dieses Zeitalter der Gnade noch anhält.

[zu diesem Post gibt es eine audio-Predigt]

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[en]
The time between the fall of man and Mose leaves us facing a theological problem. On one side Paulus says that sin isn’t taken into account when there is no law (Romans 5, 12-14). On the other side there were two great judgments during this time:  the Deluge (Genesis 6-7) and the judgment over Sodom and Gomorra (Genesis 19).
When Jesus was speaking about the end of the world in Luke 17 he took both incidents as a picture. So these were indeed two bad cuts into history, so bad that you even could take them as examples for the end of the world.

What do we mean if we talk about judgment?

If I want to get a kebab there is always a sign in the door: “all dishes are also for take away” (in German the same word “Gericht” can be used for a dish or judgment), but that’s not meant if we talk about God’s judgment; it has nothing to do with food.
On Wednesday I had to do deal with several beaucratic issues to get the remaining confirmations which I do need for the concession request for our new rooms. Thereby I also went to the district court. A courthouse, where judgment is pronounced, gets closer to the case. But it actually isn’t about pronouncing judgment, although it will be about this at the Last judgment e.g. rather about what is happening later.
Often we describe godly sanction as godly judgment. This indicates that the punishment was lawful.
That’s exactly what Sodom and Gomorra or the Deluge is about.

The flood and the cities

Why was God able to judge without an existing law?

With the Deluge the people received a clear warning. Noah built a huge boat everybody could see. Peter describes him as the “preacher of justice” (2.peter 2, 5). The ark was very big and you would have been able to rebuild it. So there was an opportunity to react and to survive God’s judgment safely. God wasn’t injustice; there was a realistic chance for repentance.
For Sodom and Gomorrah the situation was similar. Sodom was long known already as a sinful city – long before the righteous Lot settled there.

Now the men of Sodom were wicked and were sinning greatly against the LORD. (Genesis 13, 13 NIV)

Still Lot chose the land in the area of Sodom, because it was very fertile. After he parted with Abram, Lot was living quite a while in Sodom and it gave him some influence. As the angels came to destroy Sodom, he was sitting in the gate to welcome the arrivals (Genesis 19, 1), indicating that he was part of the city council.
It is unthinkable that the residents of Sodom didn’t hear anything about God through this righteous man. Still the city was in a bad way:

Then the LORD said, the outcry against Sodom and Gomorrah is so great and their sin so grievous 21 that I will go down and see if what they have done is as bad as the outcry that has reached me. If not, I will know. (Genesis 18, 20-21, NIV)

Obviously there were many who suffered under the conditions in both cities and therefore cried out to God. Under these circumstances it would have been unjust from God not to interfere.

In both cases, there was surely a word from God which justified God’s judgment.

Do we then have to expect a judgment?

This could of course really trouble us. The conditions in Sodom and Gomorrah were probably not worse than in any big city today. I hardly can imagine that there were any sins people don’t do nowadays. And because there are even more people living nowadays than back then, I am sure that the conditions are even worse than then.
Should we then not expect judgment? The more as there are always doom- and last day prophets who warn against God’s wrath.
A famous quote in this relation is: “If God doesn’t judge America, he has to apologise to Sodom and Gomorrah”. This you could also say about every other country. Still I don’t think that we have to fear God’s judgment, because he has put judgment already on Jesus:

18 All this is from God, who reconciled us to himself through Christ and gave us the ministry of reconciliation: 19 that God was reconciling the world to himself in Christ, not counting men’s sins against them. And he has committed to us the message of reconciliation. 20 We are therefore Christ’s ambassadors, as though God were making his appeal through us. We implore you on Christ’s behalf: Be reconciled to God. (2 Corinthians 5, 18-20, NIV)

So to say, God has delayed judgment. He doesn’t impute sin during this time of mercy until the final judgment. Until then we have time to preach reconciliation and forgiveness for sin. There will be a judgment for the world, but it will also be the last. After that there won’t be earth in this sense (Revelation 6).
There also will be a personal judgment in which every person has to justify oneself, but this won’t be in this world:

Just as man is destined to die once, and after that to face judgment (Hebrews 9, 27, NIV)

Of course sin will bring enough destruction upon the world. But God within all this is neither our problem nor our enemy. He waits for everybody who is looking for him.
Therefore we have a message about reconciliation as long as the age of mercy continues.
Translation sponsored by: http://www.domame.de

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9 Kommentare

  1. interessant…. wie siehst du das? bedeutet vergebung durch jesus den tatsächlichen freispruch (also eigentlich auch kein späteres vorhalten der sünden mehr) oder so ähnlich wie du es em ende schreibst, dass trotzdem noch ein gericht für jeden kommt… es gibt ja durchaus auch diese interessante stelle mit den schafen und den ziegen wo es eiegntlich nur um taten geht und jesus ja nur anhand selbiger die leute dann wegschickt oder dabehält

  2. an dem punkt scheint es beides zu geben, deswegen sehe ich es so: jeder kommt in das gericht, aber die mit christus kommen durch und bekommen nur eben ihren urteilsspruch der sie gerecht macht. natürlich ist die sache in der bibel noch komplexer, aber ich raffe da nicht alles. insbesondere nicht die stellen die nahelegen, dass auch in der ewigkeit nicht alle gleich sein werden sondern dass noch zusätzlich die taten vergolten werden.
    da habe ich mich aber auch noch nicht weiter mit beschäftigt. vielleicht blicke ich deswegen nicht durch. aber in dem post/der predigt geht es ja erst einmal darum, dass wir nicht mit einem gericht als zerstörung der welt rechnen müssen.

  3. Die Bosheit der Leute von Sodom und Gomorrha lässt sich mit den Zuständen der heutigen Großstädte wohl nicht vergleichen. Diejenigen, die unter der Gemeinheit der Bewohner dieser Städte litten, schrien in ihrer Not und Bedrücking zu Gott.
    Ähnliches ist von Berlin oder New York nicht bekannt.
    Nach jüdischer Überlieferung war es in Sodom und Gomorrha bei Todesstrafe verboten, Armen zu helfen, ihnen auch nur zu essen zu geben.
    Die Bewohner dieser Städte waren bösartig und habgierig, deshalb wurden sie vernichtet.

    Ich möchte noch darauf hinweisen, dass „richten“ auch die Bedeutung von „in Ordnung bringen“ haben kann.

  4. och, das würde ich nicht so sehen. ich meine nicht, dass ALLE bewohner der städte zu gott schrien. auch in berlin oder anderen großstädten gibt es gebetstreffen und -bewegungen die zu gott schreien wegen der zustände in der stadt. das begrenzt sich nicht mal auf christen – auch anhänger anderer religionen beten auf die weise). in regionen der welt mit christenverfolgung dürfte es noch mal wesentlich mehr (christliche) beter geben.

    was die jüdischen überlierungen angeht so halte ich sie für einen kommentar, nicht für ein tatsächliches geschichtszeugnis. solche gesetze kann ich mir real nicht vorstellen. wobei es natürlich nicht komplett auszuschließen ist. hast du davon eine quelle? das würde mich schon mal interessieren. wäre auf jeden fall eine interessante ergänzung, die ich so nicht kenne.

    mit deinem begriff von „richten“kann ich mich allerdings sehr gut anfreunden. allerdings passt er nicht in das geschehen des bibeltextes, denn gott hat nichts in ordnung gebracht sondern einfach die menschen abgeschafft und eine ordentliche ökokatastrophe verursacht. mehr ordnung sehe ich da eigentlich nicht.

  5. Die Sünde Sodoms ist benannt in Hesekiel 16, 49 f: Hoffart und alles in Fülle und sichere Ruhe hatten sie mit ihren Töchtern; aber dem Armen und Elenden halfen sie nicht, sondern waren stolz und taten Gräuel vor mir.

    Über Sodom gibt es mehrere Geschichten im Talmud. Hier ist eine:

    The Talmud says Sodom’s final outrage was whan a young girl was caught giving bread to a hungry stranger. She was tried and found guilty, stripped naked, daubed with honey and hung on a parapet of the city, where the bees consumed her. Her cry reached up to heaven, and God determined to destroy Sodom and its inhabitants.
    „Although the people of Sodom were guilty of all the sins, their fate was sealed against them only because they refused to give alms to the poor.“

    Über das „in Ordnung bringen“ müsste am sich länger unterhalten auf der Grundlage dessen, dass Jesus kommen wird, die Welt zu erneuern und nicht abzuschaffen.

  6. vielen dank. ist ja interessant, dass die geschichte in genesis eher darauf schließen lässt, dass sexuelle sünde das hauptproblem war.

    über das „in ordnung bringen“ würde ich mich gerne etwas länger unterhalten wenn du magst. ist natürlich immer etwas schwierig im internet, aber mich würde schon interessieren, was du dazu meinst.

  7. können wir gerne machen; im Moment habe ich gerade Urlaub. Ich melde mich.

  8. Hey Storch,

    zuerst möchte ich dir noch zu deinem 4-jährigen gratulieren, auch wenn’s schon ein paar Tage her ist. Ich habe deinen Blog schon vor längerer Zeit über einen link auf Hasos Tafel gefunden und habe seither hier viel gelesen, was mir weitergeholfen hat. Danke dafür.

    Warum konnte Gott richten ohne dass ein Gesetz da war?

    Dazu möchte ich ergänzen, dass wir Gottes Gesetz ja nicht nur in Form des Gesetzes von Mose haben, sondern auch in Form unseres Gewissens (Römer 2). Selbst wenn das Gewissen verbogen sein kann, gibt es dennoch einen Maßstab von gut und böse, an den wir uns halten sollen, zumindestens solange wir nichts besseres wissen.

  9. Hi Thomas,

    willkommen und danke für die glückwünsche!

    zum gewissen: kann sein, ich bin aber unsicher. ich sehe das gewissen sehr psychologisch, als etwas antrainiertes; nicht als etwas das „angeboren“ ist. kann aber natürlich gut sein, dass ich da falsch liege.

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