3. Vom Ursprung her denken

Von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. – Matthäus 19,8

First things first. Ein wichtiges Prinzip der Bibelauslegung ist es, vorne anzufangen. Nirgendwo in der Bibel offenbart sich Gottes eigentlicher Plan mit den Menschen so klar wie auf den ersten Seiten der Bibel.
Die Welt, in der wir seit dem Sündenfall leben, ist nicht die Welt, die Gott ursprünglich als Lebensraum für den Menschen geplant hatte. In der Welt, in der wir jetzt leben, ist vieles nicht optimal und entspricht auch nicht dem Willen Gottes. Die gefallene Schöpfung hat Einfluss auf alles, was in ihr stattfindet. Bis hin zu den Entscheidungen und dem Willen Gottes.

Ursprünglich sollte der Mensch in einer paradiesischen Umwelt leben, in der Sünde und Gottesferne kein Problem wären, das jemals auftauchen würde. Das war Gottes A-Plan. Alles, was nach dem Sündenfall geschehen ist, war damit nur Gottes B-Plan. Schadensbegrenzung. Das wirft ein interessantes Licht auf das Alte und das Neue Testament. Viele Fragen klären sich: Wollte Gott ein Gesetz? Wollte Gott, dass Jesus gekreuzigt wurde? Nein, er wollte es nicht, es war nur die einzige Möglichkeit, mit einer gefallenen Schöpfung umzugehen.

Von hierher klären sich einige der dringendsten theologischen Fragen überhaupt. Seit Boethius (480-521) zum ersten Mal die Frage stellte, wie es denn in einer Welt, die von einem guten und allmächtigen Gott geschaffen wurde, Böses geben könne, beschäftigt uns die so genannte „Theodizee-Frage“. Die Antwort ist einfach: Von Anfang an aber ist es nicht so gewesen. Gott hat es sich anders vorgestellt.

Die Theologen unterscheiden hier zwischen Gottes ursprünglichem Willen und seinem zulassenden Willen. In der gefallenen Schöpfung lässt Gott einiges zu, was nicht in seinem ursprünglichen Willen stand. Er tut es deshalb, weil der Mensch sonst nicht weiter bestehen könnte. Es reichte eine winzige Sünde, um aus dem Paradies verjagt zu werden (was ist das schon: eine verbotenen Frucht essen?). Das ist Gottes Heiligkeitsstandard. Mittlerweile sind die Sünden viel extremer geworden, und dennoch gibt es Vergebung, und wir kommen in Gottes Gegenwart. Das ist Gottes zulassender Wille.
Liest man speziell das Alte Testament, ist man immer wieder erstaunt, was sich heilige Männer Gottes alles herausgenommen haben an Sünden. Gerade was sexuelle Sünden angeht, begegnet uns da eine wahre Fülle. Das war nicht Gottes ursprüngliche Absicht, aber er lässt es dennoch zu, weil er sonst die Heilsgeschichte nicht hätte zu Ende führen können.
Das letzte Ziel wird sein, den paradiesischen Zustand wieder herzustellen: wie es am Anfang war, so soll es am Ende wieder werden. Teilweise soll dieser Zustand bereits auf dieser Erde wiederhergestellt werden. Deshalb ist es so wichtig, in der Bibelauslegung immer wieder zurückzuschauen zu Gottes ursprünglicher Schöpfungsabsicht.

Beispiel: Sklaverei
Befremdlicherweise enthält die Bibel viele Stellen, die sich mit Sklaverei beschäftigen, aber keine, die klar dagegen spricht. Z.B. wird in 2.Mose 20 von Rechten gesprochen, die Sklaven haben, aber das Halten von Sklaven wird nicht als unmenschlich gebrandmarkt und verboten. Ähnlich geht es im Neuen Testament weiter, hier werden Sklaven ermutigt, ihren Herren gut zu dienen, z.B. Was Knechte sind, im Sklavenstand, die sollen ihre eigenen Herren aller Ehre wert halten, damit nicht der Name Gottes und die Lehre verlästert werden – 1.Timotheus 6,1.
Solche Bibelstellen haben den Befürwortern der Sklaverei natürlich gute Argumente geliefert. Trotzdem ist mittlerweile jeder Christ davon überzeugt, dass Sklaverei ein Gräuel ist. Warum?
Weil es von Anfang her nicht so gewesen ist. Gott hatte den Menschen geschaffen, um zu herrschen, nicht um beherrscht und von anderen Menschen besessen zu werden (1.Mose 1,26.28).

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4 Kommentare

  1. „Es reichte eine winzige Sünde, um aus dem Paradies verjagt zu werden (was ist das schon: eine verbotenen Frucht essen?.“

    Also ich verstehe das immer so:Der eigentliche Antrieb für diese „winzige“ Sünde ist das Versprechen bzw. die Lüge der Schlange „Ihr werdet sein wie Gott“. Von daher ist diese Sünde gar nicht winzig. Das nur so als winzige Ergänzung. Und einen gesegneten Sonntag uns allen!

  2. meinst du, dass bei sünde die motivation entscheidend ist? aus der grund, aus dem die sünde begangen wurde? das würde ich spontan anders sehen, wobei ich mir aber auch nicht sicher bin.
    ich würde auch den antrieb anders sehen. so klingt es nach „die schlange ist schuld“, aber es war doch die schuld der menschen. ich sehe den grund darin, dass sie gott misstraut haben, das ist vermutlich immer irgendwo in den gründen für sünde enthalten.

  3. Wenn ich an die Bergpredigt denke, wird da allein der Gedanke ohne Tat schon bewertet wie die Sünde selbst. Es geht einfach nur darum, uns klar zu machen, dass wir anscheinend gar nicht anders können, oder?

    eigentlich gibt die schlange zunächst nur einen denkanstoß. „Sollte Gott wirklich gesagt haben?“ Sie versucht, ob die menschen sich überhaupt an das Wort Gottes erinnern. und im zweiten Schritt lockt sie mit der seltsamen Halbwahrheit „ihr werdet sein wie Gott“. Sie sät noch nicht mal richtiges Mißtrauen, sie macht eigentlich nur Lust auf dieses berauschende Nichts „ihr werdet sein wie Gott und wissen, was Gut und Böse ist“. Eine klassische Mogelpackung.

    Mißtrauen selbst ist schon eine Folge der Sünde, würde ich sagen.

    Im alten Ägypten war die Schlange ein Symbol der Weisheit – der menschlichen Weisheit (das soll irgendwo bei Freud stehen). Wenn man mal dem Weg der Schlange in der Bibel folgt, ergeben sich daraus schon interessante Lesarten.

    Ehrlich gesagt, les ich die Geschichte sehr symbolisch. Das bietet sich auch an, denn Adam heißt „Mensch“ und Eva „Frau“. Bis zu einem bestimmten Zeitpunkt ist das vom Autor beabsichtigt, scheint mir. Deswegen lohnt es sich, gerade in diesen ersten Kapiteln ganz genau hinzuschauen. das ist Weltgeschichte in wenigen Strichen.

    Der Alttestamentler Helmuth Frey hat mal geschrieben, die Bibel bestünde nur aus zwei Teilen: Genesis 1-12 und der Rest. Die ersten zwölf Kapitel schildern die Geschichte des Abfalls von Gott und die Schuld der Menschen usw. Der Rest der Bibel zeigt, wie sich Gott dann auf den Weg macht zu uns. Is auch ne lohnende Leseanweisung, wie?

  4. ich meine, dass jesus es so sagte, weil ja der gedanke zur tat wird und gott uns so verändern will, dass wir gar nicht erst dran denken zu sündigen. das ist imho einer der grossen unterschiede zwischen AT und NT: wir kämpfen nicht permanent dagegen etwas zu tun sondern der geist kann uns so verändern, dass wir ohne kampf heilig sind (wenn das nicht klappt, dann kämpfen wir natürlich).

    mit adam und eva sehe ich es auch so. ich glaube, dass die geschichte eine engführung auf die beiden enthält, dass es aber zum zeitpunkt der sünde mehr menschen gab als sie. das wird z.b. aus dem fluch deutlich (ich will deine schmerzen bei der geburt MEHREN usw.) Ich glaube auch, dass diese Leute sterblich waren (aus verschiedenen gründen).

    nur mit dem denkanstoss stimme ich nicht überein. die schlange hat damit (meine meinung) misstrauen gesät. „ihr werdet nicht sterben, gott will euch nur etwas vorenthalten“ – das war der boden aus dem die tat erwachsen ist. aber das misstrauen (oder welche motivation auch immer) war nicht die sünde, denn sie sind erst aus dem paradies geflogen als sie die frucht tatsächlich assen.

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