10. September 2008 6

Solidarität

In der Bibel sind Werte ein großes Thema und sie sollten das auch in unserem Leben sein. Es ist ein Unterschied, ob wir unser Leben nach Gesetzen ausrichten und stumpf Regeln einhalten, oder ob wir nach Werten leben und im Endeffekt damit vielleicht sogar denselben Lebensstil führen, aber wissen warum wir so leben.

Ich schreibe heute über einen Wert, der vollkommen biblisch ist, aber nicht in der Bibel steht. Zumindest das Wort nicht, aber in den Gleichnissen Jesu finden sich immer wieder Anklänge daran: Solidarität. Wikipedia definiert Solidarität wie folgt:

(Solidarität) bezeichnet vor allem als Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens ein Gefühl von Individuen und Gruppen, zusammen zu gehören. Dies äußert sich in gegenseitiger Hilfe und dem Eintreten für einander. Solidarität kann sich von einer familiären Kleingruppe bis zu Staaten und Staatsgemeinschaften erstrecken.

Wenn wir von Solidarität reden, dann eigentlich auch von Einheit und Liebe untereinander und zu anderen, die sich auf eine bestimmte Weise äußern.

Es gibt zwei große Umweltorganisationen, beide arbeiten weltweit, beide leben von Spenden, beide haben dasselbe Ziel: den blauen Planeten vor weiteren Umweltkatastrophen zu bewahren. Beide Organisationen unterscheiden sich erheblich in der Wahl ihrer Mittel voneinander und auch darin, wie sie infolgedessen in der Öffentlichkeit und den Medien wahrgenommen werden.
Greenpeace ist für wilde Aktionen bekannt. Die dramatische Szene, als das Boot des Bundesgrenzschutz das Greenpeace-Schlauchboot beim G8-Gipfel in Heiligendamm aufgebracht hat; Umweltaktivisten, die sich an Schornsteine anketten oder mit anderen spektakulären Aktionen auf ihr Anliegen aufmerksam machen.
Dann gibt es noch den WWF, der insgesamt viel leiser ist und auf Nachhaltigkeit setzt. Sie bieten Regierungen Hilfe an, organisieren Tierschutzzonen und Ökotourismus und versuchen überall zu helfen, wo man sie lässt. Den WWF kenne ich etwas besser als Greenpeace, was daran liegt, dass ich da Mitglied bin und immer ihre Zeitschrift bekomme, aber ich hoffe, dass ich beide Organisation einigermaßen akkurat dargestellt habe.

Beide Ansätze kann man auch auf die Gemeinde und unseren Auftrag anwenden. Früher war ich sehr beeindruckt von den großen Aktionen. Ich mochte es laut und schrill und dachte, dass das richtig viel bewegen würde. Mittlerweile bin ich da etwas unsicher geworden. Ich bin immer noch für laute Aktionen, aber ich denke, dass man möglicherweise anders mehr erreichen kann.
Greenpeace-Aktionen kommen zwar in die Medien, aber im Grunde selten positiv. Sie sorgen für Prozesse und immer wenden sich Politiker und andere genervt ab und sprechen von Ökoterrorismus. Beim WWF ist es anders, man setzt sich zusammen, diskutiert Zahlen und es kommt zu Zusammenarbeit. In den Publikationen der Organisation wird selbst ein Land wie China (dem natürlich wegen der Olympischen Spiele gerade eine besondere Aufmerksamkeit zuteil wird) nicht nur schlecht weg. Missstände werden angesprochen, aber auch positive Entwicklungen erwähnt.
Ich habe das Gefühl, dass die Gemeinde oft einen Greenpeace-Weg geht. Damit meine ich nicht unsere Gemeinde, sondern generell Gemeinde. Wir sind bekannt für Aktionen, die viele Mitbürger reichlich bizarr finden. Das müssen nicht mal öffentliche Kreuzigungen sein, da reicht auch die gute alte Zeltevangelisation um Leute zu irritieren. Wir sind bekannt als Leute, die vieles mies machen, gegen Homosexuelle, Sex vor der Ehe, Steuerhinterziehung und Fernsehen sind. Wenn man uns in der Öffentlichkeit wahrnimmt, dann selten wirklich positiv. Aber wir sind nicht die Leute, mit denen man sich an den Tisch setzt um die Probleme der Stadt zu diskutieren und um Rat und Hilfe zu fragen.
Als HaSo vor ein paar Wochen ein Samstagsseminar bei uns gemacht fiel unter anderem ein Satz: „die Christen werden nur wahrgenommen, wenn sie etwas zu meckern haben oder Geld brauchen.“ Touché…
Der Grund dafür, ist, meine ich, eine mangelnde Solidarität auf unserer Seite. Die Probleme der Welt sind nicht mehr die unseren, wir warten auf das neue Jerusalem und beim alten machen wir noch auf Missstände aufmerksam. Es ist nicht mehr unsere Welt, unser Land oder unsere Stadt für die wir beten und uns einsetzen.

Eine Bibelstelle, die mich in dem Zusammenhang anspricht ist Lukas 11:
Und es geschah, als er an einem Ort war und betete, da sprach, als er aufhörte, einer seiner Jünger zu ihm: Herr, lehre uns beten, wie auch Johannes seine Jünger lehrte!
2 Er sprach aber zu ihnen: Wenn ihr betet, so sprecht: Vater, geheiligt werde dein Name; dein Reich komme;
3 unser nötiges Brot gib uns täglich;
4 und vergib uns unsere Sünden, denn auch wir selbst vergeben jedem, der uns schuldig ist; und führe uns nicht in Versuchung.
5 Und er sprach zu ihnen: Wer von euch wird einen Freund haben und wird um Mitternacht zu ihm gehen und zu ihm sagen: Freund, leihe mir drei Brote,
6 da mein Freund von der Reise bei mir angekommen ist und ich nichts habe, was ich ihm vorsetzen soll!
7 Und jener würde von innen antworten und sagen: Mach mir keine Mühe! Die Tür ist schon geschlossen, und meine Kinder sind bei mir im Bett; ich kann nicht aufstehen und dir geben?
8 Ich sage euch, wenn er auch nicht aufstehen und ihm geben wird, weil er sein Freund ist, so wird er wenigstens um seiner Unverschämtheit willen aufstehen und ihm geben, so viel er braucht.

Vermutlich haben die wenigsten Christen es auf dem Schirm, dass Jesus das Gleichnis vom Freund in der Nacht im Zusammenhang mit dem Vaterunser bringt. Die Aussage ist klar: Gebet und Werke gehören zusammen. Dabei muss es nicht unsere eigene Not sein, die uns ins Gebet bringt, es kann gerne die anderer Menschen sein.
Unsere Reaktion auf die Not um uns herum darf nicht zynisch sein. Es reicht nicht aus zu sagen, dass wir immer schon gewusst haben, dass die Welt vor die Hunde geht. Not sollte dazu führen, dass wir uns solidarisieren, dass wir sagen: „es ist unsere Not“ und auch tief in der Nacht noch die Tür öffnen.
Es reicht nicht aus, mit schrillen Aktionen darauf aufmerksam zu machen, dass alles immer schlimmer wird und die Endzeit gekommen ist. Besser, wir setzen uns mit Leuten an den Tisch und fragen, was wir tun können.

Vor Jahren erzählte Ingolf Ellßel mal eine Geschichte. Er ist Pastor in Norddeutschland, in Tostedt. Der Name leitet sich ab von Tod ab und muss mal was wie „Stadt des Todes“ bedeutet haben. Tatsächlich hatte die Stadt eine hohe Selbstmordrate. Pastor Ellßel erzählt, wie er sich mit den Stadtvätern getroffen und gefragt hat, wie die Christen der Stadt helfen könnten. Daraufhin begann die Gemeinde, gegen die hohe Selbstmordrate zu beten und tatsächlich, ging sie nach einiger Zeit des Gebetes deutlich zurück.
Das ist eine gute Art mit Not umzugehen – zu sagen, dass es unsere Stadt ist und dafür zu beten, dass sich was ändert. Sich solidarisch zu erklären und nicht zu sagen, dass es ja klar ist, dass eine Stadt Probleme hat, die Pornokinos, Diskos und wer-weiss-was-alles hat.

Um es praktisch zu machen: Eine Einstellung zu ändern ist immer ein Prozess, der über viele kleine Schritte führt. Dieser Text richtet sich mehr an Leute, mit einer zynischen Einstellung, die in Kategorien von „ihr“ und „wir“ denken, als an Leute, die sowieso schon so leben.
Man kann eine andere Einstellung bekommen, indem man einfach mal betet; dafür, dass sich Einstellungen ändern und gegen die Probleme, die andere haben – gerade auch selbstverschuldete. Eine andere Möglichkeit ist es, sich auf die Zunge zu beißen bevor man sagt, dass es ja klar ist, dass dieses Problem aufgetaucht ist. Dadurch gelingt es vielleicht, wieder Liebe zu Deiner Stadt und Deinem Nächsten zu bekommen, wenn Du nicht mehr schlecht darüber redest sondern betest und hilfst.
Das ist der dritte Punkt: helfen. Wir leben alle in Städten und in Umfeldern in denen man an Problemen keinen Mangel hat. Wenn Du Zeit hast, fang an, Dich zu engagieren. Arbeite vielleicht ehrenamtlich in sozialen Einrichtungen oder Gemeinden mit. Werde Teil der Lösung und nicht Teil des Problems.

[Audiopredigt dazu]

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5 Kommentare

  1. Sehr guter Beitrag!

  2. Gut geklappert, Storch! (!?)

    [soll sowas wie „amen“ heißen…fmeem]

  3. …bemerkenswertes Beispiel, was Solidarität so alles verändern kann, sind die Werftarbeiter um Lech Walesa in Danzig, diese Solidrnosz-Bewegung wird ja u.a. als Ausgangspunkt für den Zusammenbruch vom Sowjetreich gesehen – ein nicht geringer Anteil ist aber wohl auch dem Polen JP2 zuzurechnen, oder siehe auch die Freitags-Gebete vor dem Mauerfall usw…

  4. Hatte ich Dir eigentlich an dem Abend noch gesagt, dass das ne hammergeile Predigt war? Ich weiß es nicht… Ich neige ja auch dazu mich zu wiederholen, wenn mich etwas begeistert.

    Von mir aus könnt‘ es dazu mal ne Predigt/Blogreihe geben: Freier Wille, Verantwortung als Christ, Solidarität, Dienst am Menschen und so weiter… Eben mal was für die Pragmatiker unter uns 😉

  5. nee, hast du nicht. jetzt weiss ich es ja 🙂 vielleicht blogge ich tatsächlich mal mehr darüber. ist schon ein wichtiges thema, aber wird wohl noch dauern, derzeit sind für mich noch andere sachen dran.

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  1. […] ich einen schönen Tag an der See verbringe, empfehle ich meinen Lesern diesen schönen Beitrag von […]

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