Das Neue Testament verwendet verschiedene Bilder, um die Gemeinde zu beschreiben. Jedes dieser Bilder hat seine Grenzen und beschreibt nur einen Teil dessen, was es heißt, Gemeinde zu sein. Alle Bilder setzen Struktur und Leiterschaft voraus. Sehen wir uns im Folgenden einmal sechs Illustrationen der Gemeinde an, wie sie uns im Neuen Testament dargestellt werden.

Die Gemeinde ist ein Leib

Denn wie der Leib eine Einheit ist, doch viele Glieder hat, alle Glieder des Leibes aber, obgleich es viele sind, einen einzigen Leib bilden: so ist es auch mit Christus.
Durch den einen Geist wurden wir in der Taufe alle in einen einzigen Leib aufgenommen, Juden und Griechen, Sklaven und Freie; und alle wurden wir mit dem einen Geist getränkt.
Auch der Leib besteht nicht nur aus einem Glied, sondern aus vielen Gliedern.
Wenn der Fuß sagt: Ich bin keine Hand, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört er doch zum Leib.
Und wenn das Ohr sagt: Ich bin kein Auge, ich gehöre nicht zum Leib!, so gehört es doch zum Leib.
Wenn der ganze Leib nur Auge wäre, wo bliebe dann das Gehör? Wenn er nur Gehör wäre, wo bliebe dann der Geruchssinn?
Nun aber hat Gott jedes einzelne Glied so in den Leib eingefügt, wie es seiner Absicht entsprach.
Wären alle zusammen nur ein Glied, wo bliebe dann der Leib?
So aber gibt es viele Glieder und doch nur einen Leib. – 1.Korinther 12,12-20

Das bekannteste Bild der Gemeinde ist das eines Körpers. Wir sprechen von der Gemeinde als vom „Leib Christi“. Das Bild illustriert, dass wir alle in einem Boot sitzen – und mehr als das: wir sind alle Körperteile am gleichen Körper. Eine engere Gemeinschaft kann man sich kaum vorstellen.
In Bezug auf unser Thema hat diese Illustration zweierlei zu sagen:

Die Gemeinde hat eine Ordnung. Sobald im Körper etwas in Unordnung ist, spricht man von einer Krankheit. Der Körper ist nur so lange lebensfähig und fit, wie alle seine Organe und Zellen da sind, wo sie hingehören und den Dienst verrichten, zu dem sie bestimmt sind. Wehe, wenn es einmal nicht so ist.
Ebenso hat auch in der Gemeinde jeder seinen Platz und ist als Zelle in ein Gewebe eingebunden. Je nachdem, wo er sich in der Gemeinde befindet und wie er von Gott begabt ist, wird jeder Christ auch eine bestimmte Funktion in der Gemeinde wahrnehmen.
Ein Körper wird geleitet. Wenn man freitags in den Gottesdienst gehen will, kommt es nicht zu einer demokratischen Abstimmung aller Organe, sondern das Hirn entscheidet einfach.
So ist auch die Gemeinde einem Haupt untergeordnet, und dieses ist nicht zuerst der Gemeindeleiter, sondern Christus: Er, Christus, ist das Haupt. – Epheser 4,15. Alles, was hier über die Leitung der Gemeinde in der Welt gesagt wird, spielt sich also unter Christus ab. Er ist der wahre Herr und Meister der Gemeinde. Er ist der eigentliche Leiter.

Die Gemeinde ist ein Tempel

Ihr seid auf das Fundament der Apostel und Propheten gebaut; der Schlußstein ist Christus Jesus selbst.
Durch ihn wird der ganze Bau zusammengehalten und wächst zu einem heiligen Tempel im Herrn.
Durch ihn werdet auch ihr im Geist zu einer Wohnung Gottes erbaut. – Epheser 2,20-22

Man muss sich einen Tempel als eine Art geistliches Dienstleitungsunternehmen vorstellen. Der Tempel in Jerusalem hatte sicherlich einige hundert Angestellte der verschiedensten Berufe. So eine große Organisation brauchte eine straffe Leitung. Das wichtigste, was der Tempel dem Volk lieferte hat waren die Gottesdienste mit ihren Opfern, ihrem Lobpreis usw. Sie waren es, die dem Volk Israel trotz Zerstreuung eine gemeinsame geistliche Identität gaben. Es ist heute mit der Gemeinde kaum anders. Die Gemeinde versammelt sich um Gott herum, und ein zentrales Element ist dabei der Gottesdienst. So können wir vom Tempel wieder etwas für unser Thema Leiterschaft ableiten.

Eine Aufgabe der Gemeindeleitung ist es, Strukturen für geistliches Leben zur Verfügung zu stellen. Gemeindeleitung ist geistliche Leitung und auch liturgische. Ein guter Gottesdienst schafft sich nicht von selber, er muss organisiert, strukturiert und durchgeführt werden. Dafür ist die Gemeindeleitung verantwortlich. Sie sorgt dafür, dass die Gemeinde einen geistlichen Mittelpunkt im Dienst an Jesus hat.

Die Gemeinde ist eine Armee

Leide mit mir als guter Soldat Christi Jesu. – 2.Timotheus 2,3

Dieses Bild wird leider manchmal übertrieben. Gemeinde ist nicht nur Armee, sie hat aber auch Aspekte einer Armee. Wir sind mitten in einem geistlichen Kampf (Epheser 6), ob uns das gefällt oder nicht. Das Bild der Gemeinde als Armee leitet sich aus diesem geistlichen Kampf her, bedeutet aber nicht, dass der man Gemeindeleitung in blindem Kadavergehorsam folgen sollte. Gemeinde setzt sich aus mündigen Christen zusammen (und aus Christen, die auf dem Weg zur Mündigkeit sind), und diese Mündigkeit darf nicht durch Machtausübung gestört werden.
Aber auch aus diesem Bild lässt sich etwas über die Aufgabe der Gemeindeleitung ableiten.

Gemeindeleitung ist eine strategische Aufgabe. In jeder Armee gibt es Heerführer und Generäle. Der griechische Begriff dafür ist Stratege. Ein Stratege ist jemand, der einen Weg zum Sieg findet. Eine Armee läuft nicht blind drauflos und tötet, wen sie findet. Gemeinde hat eine Vision: Ungläubige zu Jüngern machen. Diese Vision ist ein Ziel, das Jesus selbst vorgegeben hat (Matthäus 28,19-20). Um dieses Vision zu erreichen, braucht man kluge Pläne.

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13 Kommentare

  1. Jesus hat den Missionsbefehl ja allen Christen gegeben und nicht den Ortsgemeinden. Diese Vision für letztere festzuschreiben – Läuft das am Ende nicht wieder auf die Trennung von sakralen und säkulären Bereichen heraus? Natürlich ist die Idee, Menschen zu einem Leben mit Gott einzuladen, immer präsent. Aber diese Vision gepart mit Strategien und Plänen hat uns doch die Art von Kirchen gebracht, in die heute keiner mehr geht.

    Wäre es nicht interessant darüber nachzudenken, wie die Kirche als Gruppe von Leuten, die mit Gott leben, heute für die Welt da sein kann, ohne sich in strategische Planungen zu verstricken, wie sie am effektivsten einer Vision gerecht werden kann?

    Auch das Bild der Gemeinde als Körper und Armee hat seinen Sinn, aber man kann es m.E. auch schnell überstrapazieren. Das fängt schon bei der Krankheit an – ist die Idee der Liebe nicht viel zu dynamisch, um in diesen funktionalen Bildern den Stellenwert zu bekommen, die sie verdient hätte? („Wehe, wenn es einmal nicht so ist…“- ja, was dann? Arm abhacken?)

    Das alles scheint mir unbedingt eine hierarchische und pyramidenförmige Leitung rechtfertigen zu sollen (EIN Gehirn, EIN Stratege), aber mir scheint, als gäbe es durchaus andere Ansätze, die auf eine eher kollektive Gotteserkenntnis bauen – natülrlich mit Jesus als gemeindliches „Über-Ich“.

    Peter Rollins scheint übrigens in seinem neuen Buch was über diese Form von Führung geschrieben zu haben, ich habe es allerdings noch nicht gelesen. In einem Interview las ich zumindest über die Idee, als zentrale Gründungs und Leitungs-Figur zu verschwinden, wie Jesus es ja (zumindest physisch) mit den Jüngern gemacht hat.

  2. Auch das Bild der Gemeinde als Körper und Armee hat seinen Sinn, aber man kann es m.E. auch schnell überstrapazieren. Das fängt schon bei der Krankheit an – ist die Idee der Liebe nicht viel zu dynamisch, um in diesen funktionalen Bildern den Stellenwert zu bekommen, die sie verdient hätte? (”Wehe, wenn es einmal nicht so ist…”- ja, was dann? Arm abhacken?)

    Das alles scheint mir unbedingt eine hierarchische und pyramidenförmige Leitung rechtfertigen zu sollen (EIN Gehirn, EIN Stratege), aber mir scheint, als gäbe es durchaus andere Ansätze, die auf eine eher kollektive Gotteserkenntnis bauen – natülrlich mit Jesus als gemeindliches “Über-Ich”.

    Das Haupt (oder auch „Gehirn“) ist immer nur Christus allein. Das ist die einzigste Hierarchie, die für alle gilt und die alle anerkennen müssen. Deshalb finde ich das Bild, dass wir Glieder eines Körpers sind, sehr passend.
    Und alle hierarchischen Hilfskonstruktionen drum herum, ohne die wir leider(!) nicht ganz auskommen, sind immer mit dem Makel der Unvollkommenheit behaftet.

    Übrigens … eine klare HIerarchie wäre die beste Ordnung überhaupt, wenn der Chef nicht dazu neigt, seine Macht zu missbrauchen. Alle Menschen missbrauchen ihre Macht, Jesus nicht, er besitzt die vollkommene Gerechtigkeit. Deshalb soll er unser Chef sein.

  3. „eine klare HIerarchie wäre die beste Ordnung überhaupt“

    Warum? Aus ästhetischen Gesichtspunkten?

    Kann man ja auch sagen:
    Die Basisdemokratie wäre (auch) die „beste Ordnung übehaupt“, wenn das denn mit dem Volonté générale einwandfrei funzen würde…

    Ich sach mal keck: ALLES wäre total top und in perfekter Ordnung, wenn das Wörtchen „wenn“ nicht wär‘ 😉

  4. “eine klare HIerarchie wäre die beste Ordnung überhaupt”

    Warum? Aus ästhetischen Gesichtspunkten?

    Nö, weil das die göttliche Ordnung ist. Gott ist Chef. Gott allein.

  5. Hä? Du schreibst doch selbst im Nebensatz: „wenn der Chef nicht dazu neigt, seine Macht zu missbrauchen.“ — das hörte sich irgendwie mehr danach an, als wäre dieser Satz auf Menschen bezogen!?!? *kratzamkopf*

  6. Also nochmal ganz präzise:

    (0) DIe göttliche Ordnung sei eine hierarchische Ordnung, in der Gott alleiniger Chef und alle anderen Lebewesen seine Untertanen sind.

    (1) Die göttliche Ordnung ist die beste Ordnung.

    (2) Ein Mensch ist Chef => Macht wird missbraucht

    Also kann man sagen, dass eine hierarchische Ordnung O existiert, welche die beste Ordnung ist (0) + (1).
    Nehmen wir an, ein Mensch wäre Chef von O. Dann folgt daraus, dass die Macht missbraucht wird (2). Daraus folgt, dass O nicht die beste Ordnung ist.
    Und anders herum: Angenommen, O sei die beste Ordnung, dann folgt daraus, dass O die göttliche Ordnung ist (1), was bedeutet, dass Gott der Chef ist (0).
    :rolleyes:

  7. Gut. Ich finde die Bezeichnungen etwas unpassend und war vielleicht deswegen verwirrt. Denn der Vergleich Chef und Gott hinkt gewaltig. Die einzige objektive Position inne zu haben ist in meinen Augen ein Wesensmerkmal Gottes. D.h. die hier erwähnte „Hierarchie“ ist in erster Linie kein Produkt von Gottes Willen, sondern die logische Konsequenz aus: Das Geschöpf kann nicht größer sein als der Schöpfer.

    Bislang habe ich in dem Akt der Menschwerdung Gottes und der damit verbundenen Verbrüderung eigentlich immer ein klares Zeichen dafür gesehen, dass Gott nicht ausschließlich unser „Vater“ [d.h. „hierarchisch über uns“] sein will, sondern eben auch unser Gleichgesinnter, Freund und Bruder.

    Betrachtet man die Dreifaltigkeit insgesamt, so wird deutlich, dass Gott gleichermaßen „über“ uns, „neben“ uns UND sogar „in“ uns.

    Soll nicht heißen, dass ich grundsätzlich sagen würde, es ist falsch zu sagen „Gott ist Chef“, sondern nur, dass in Bezug auf die Frage nach Leitung und wie sie beschaffen sein sollte vielleicht das von mir genannte Bild eher zu betrachten wäre.

    So hat man nämlich eine Argumentation vom Wesen Gottes her und nicht vom Wesen des Menschen her [in Philps Beispiel: Mensch mißbraucht Macht].

  8. @philip: ;-). so ungefähr könnt ich das unterschreiben.

  9. @ onkel toby:

    das ist ja genau mein anliegen. ich möchte, dass gemeinden und kirchen missionaler und kraftvoller werden. ich sehe das problem (oder einen teil des problems) darin, dass viele gemeinden eben keine vision mehr haben, nicht mal den missionsbefehl. hätten sie vision würden sie losgehen und gottes reich bauen.

    leitung sollte ja verantwortlicheit um sich herum fördern. in dem was du schreibst lese ich eine besorgnis in richtung zentralisierung. von so was rede ich aber gar nicht. gute leitung setzt frei und wird ausser zu bestimmten zeiten (krisen, richtungswechsel, wachstum) kaum in erscheinung treten.

    In einem Interview las ich zumindest über die Idee, als zentrale Gründungs und Leitungs-Figur zu verschwinden, wie Jesus es ja (zumindest physisch) mit den Jüngern gemacht hat.

    ich hoffe inständig, dass der mann kein theologe ist. jesus hat das gerade gegenteil getan. die ausgiessung des heiligen geistes an pfingsten führte doch dazu, dass er in seinen jüngern lebte. oder ist das wieder so einer, der nicht glaubt, dass es besser ist, dass JC zum vater ging und den zeiten nachtrauert in denen man jesus leibhaftig sehen konnte?

  10. Hmm. Ich vermute, dass das Verschwinden von Jesus so gemeint ist:

    Während Jesus mit seinen Jüngern unterwegs war hat er sie gelegentlich alleine gelassen oder sogar alleine (bzw zu zweit) losgeschickt.
    Vor allem diese Apostel-Aussendungen meint der Typ wohl ni dem interview.
    Da hatten die Jünger nämlich was wichtiges gelernt:
    Auch sie können den Leuten das Evangelium bringen (das Kommen des Reiches Gottes in diesem Fall) und Zeichen und Wunder tun, weil Jesus sie mit seiner Vollmacht ausgestattet hatte.
    Wenn Jesus anwesend gewesen wäre, hätten sie das nicht lernen können, denn dann war er stets der Star.

  11. das kann natürlich auch sein. dann bin ich ja froh 🙂 und nehme alles gerne zurück.

  12. Oh, wie süß. Disskusionen über Leitungsstrukturen und das Misstrauen gegenüber Menschen in Machtpositionen. 🙂

  13. süss naja^^ 😉

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