27. April 2008 6

der Galaterbrief

Die Reihe über Markus ist fertig. Das Evangelium ist komplett durch gepostet. Im Urlaub habe ich den Galaterbrief bearbeitet. Heute geht es damit los und die nächsten paar Monate gibt es jetzt den Galaterbrief.

Paulus schrieb den Galaterbrief etwa 53 n.Chr. Exakte Datierungen sind meist etwas schwierig, deswegen ist auch dieses Datum mit Vorsicht zu geniessen. Der Brief richtete sich nicht an eine einzelne Gemeinde sondern an die Gemeinden in Galatien, einer Region in Kleinasien. Er wurde in den Gemeinden herumgereicht und im Gottesdienst vorgelesen.
Anders als bei anderen Briefen kommt Paulus im Galaterbrief nicht von Hölzchen auf Stöckchen sondern bleibt im Wesentlichen seinem Thema treu: dem Leben aus Gnade, Glauben und Geist. Um diesen Brief ganz verstehen zu können, möchte ich ein paar Hintergrundinformationen zu wichtigen Diskussionen liefern, die es in den damaligen Gemeinden gab. Es geht um Gefährdungen der Apostolischen Lehre im Inneren durch das mosaische Erbe. diese Diskussion prägt die Apostelgeschichte und den Galaterbrief.

Die Lehre der Apostel
Über die erste Gemeinde wird gesagt, dass sie in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet verharrten (Apostelgeschichte 2,42). Diese lehrmäßige Ausrichtung ist wichtig und taucht noch einige Male im NT auf. Sie ist der Grund, auf dem die Gemeinde steht (z.B. Hebräer 6,1-2).

Die Lehre der Apostel ist die Weiterführung und gemeindliche Umsetzung dessen, was Jesus in Wort und Tat gelehrt hat. Deshalb mussten die Apostel vom Anfang der Johannestaufe bis zum Ende der Himmelfahrt dabei gewesen sein (Apostelgeschichte 1,21-22). Paulus wurde als Ausnahme von den anderen Aposteln akzeptiert, weil Jesus ihm in einer Vision begegnet war (Apostelgeschichte 9) und Gott sich zu seiner apostolischen Sendung gestellt und ihn bestätigt hatte. Trotzdem scheint er manchmal einen harten Stand gehabt zu haben, sein Apostelamt zu verteidigen.
Die Gemeinde steht somit auf der Lehre Jesu, die durch die Evangelien und die zwölf Apostel überliefert und eingesetzt wurde.

Diese apostolische Lehre steht nun natürlich ein gutes Stück im Gegensatz zum jüdischen Glauben, aus dem die ersten Gläubigen kamen, und so handelt ein nicht geringer Teil des NT von der Auseinandersetzung zwischen der christlichen Lehre der Apostel und den jüdischen Auffassungen, die die Gemeindeglieder mit sich brachten.
Wer kann Christ werden? – Die große Diskussion der Apostelgeschichte
Legt man eine ganz grobe Einteilung zugrunde, kann man die Apostelgeschichte in zwei Teile gliedern:
I. Petrus und das Evangelium für die Juden in Jerusalem, Judäa und Samaria (1,1-12,34)
II. Paulus und das Evangelium für die Heiden (12,25-28,31)

Die Jerusalemer Urgemeinde war eine jüdisch-christliche Gemeinde, in der es sicherlich noch ziemlich alttestamentlich zuging und das Gesetz nach wie vor eingehalten wurde. In der ersten Zeit gab es eine hitzige Diskussion darüber, ob Nicht-Juden überhaupt den Weg Christi gehen könnten oder ob dieser nicht vielmehr allein den Juden vorbehalten wäre und die Heiden deshalb erst einmal zum Judentum übertreten müssten (Proselyten), um dann auch Christen werden zu können.

Der Kämmerer der Kandake, der sich in Apostelgeschichte 8,26ff bekehrt, war sehr wahrscheinlich ein „Gottesfürchtiger“. Bis zum zehnten Kapitel ist die Apostelgeschichte also eine rein jüdisch-christliche Geschichte, erst dann taucht die Frage nach dem Heil der Heiden auf.
Apostelgeschichte 10-12 stellt dann eine Art Übergangsphase dar, in der Gott Petrus zeigt, dass auch die Heiden das Heil bekommen können. Diese Erkenntnis ist zunächst nicht unumstritten, obwohl der Herr sie durch einige übernatürliche Zeichen bestätigt. Im Zuge des Ganzen entsteht in Antiochia die erste heidenchristliche Gemeinde. Die Gründung dieser Gemeinde müsste ca. um das Jahr 43 liegen. Also hat die Erkenntnis, dass der Weg Christi keine rein jüdische Sache ist, etwa 10-15 Jahre gedauert, um in der ersten heidenchristlichen Gemeinde ihren Niederschlag zu finden.
Aber auch danach, als schon der Dienst des Paulus, der sich selbst als den „Apostel und Lehrer der Heiden“ sah (1.Tim 2,7 / 2.Tim 1,11) bereits in voller Blüte stand, war die „Heidenfrage“ noch immer aktuell.

Erst in Apostelgeschichte 15 bemüht man sich, die Frage zumindest offiziell zu beantworten. Nachdem in Judäa einige die Beschneidung gelehrt hatten, werden Paulus und Barnabas nach Jerusalem gesandt, um die Frage dort mit der Gemeinde zu klären. Auch in Jerusalem gab es noch ehemalige Pharisäer, die gläubig geworden waren und sagten: Man muss sie beschneiden und ihnen gebieten, das Gesetz Moses zu halten! (Apostelgeschichte 15,5).
Nach einigen Gesprächen ist die Sache geklärt, und Paulus und Barnabas werden zusammen mit Judas und Silas gesandt, um den heidenchristlichen Gemeinden einen Brief mit dem endgültigen Urteil der Jerusalemer Gemeindeältesten und der Apostel zu übergeben. Dieser Brief ist so fundamental wichtig für den weiteren Verlauf des NT und der Christianisierung der Welt, dass ich ihn hier mal komplett zitiere:

«Die Apostel und die Ältesten und Brüder entbieten den Brüdern zu Antiochia und in Syrien und Cilicien, die aus den Heiden sind, ihren Gruß! Da wir gehört haben, dass etliche, die von uns ausgegangen sind, euch durch Reden verwirrt und eure Seelen unsicher gemacht haben, ohne dass wir sie dazu beauftragt hätten, so hat es uns, die wir einmütig versammelt waren, gefallen, Männer zu erwählen und zu euch zu senden mit unsren geliebten Barnabas und Paulus, Männern, die ihre Seelen hingegeben haben für den Namen unsres Herrn Jesus Christus. Wir haben also Judas und Silas gesandt, welche euch mündlich dasselbe verkündigen sollen. Es hat nämlich dem heiligen Geist und uns gefallen, euch keine weitere Last aufzulegen, außer diesen notwendigen Stücken: dass ihr euch enthaltet von Götzenopfern und von Blut und vom Erstickten und von Unzucht; wenn ihr euch davor in acht nehmet, so tut ihr recht. Lebet wohl!» (Apostelgeschichte 15,23-29)

Somit war diese Sache schon einmal geklärt.

Die Judenchristen und das Gesetz
Ca. 10 Jahre nach der Gemeindegründung in Antiochia herrschen immer noch unterschiedliche Meinungen über die Stellung des jüdischen Gesetztes in den Gemeinden. In Galatien (eigentlich eine eher heidenchristliche Gemeinde!) ist es so schlimm, dass von Irrlehrern wieder die Beschneidung und die Beachtung des Gesetz des Mose gefordert wird.

Das Alte Testament ist der alte Bund Gottes mit den Menschen. Die ca. 600 Gesetze des AT waren die Bündnisauflagen Gottes an Israel; da wir als Christen mit Gott in einen neuen Bund eingetreten sind, können wir davon ausgehen, dass die Gesetzte des AT für uns generell nicht gelten, es sein denn, sie werden im NT wiederholt.

Die hermeneutische Seite:
Der Kampf gegen den jüdischen Hintergrund der Gemeinden und vieler Lehrer und für die Errettung ganz aus Gnade macht einen sehr beträchtlichen Teil der Briefe des NT aus. Zur Stellung des Gesetzes auf der hermeneutischen (bibelauslegenden) Seite steht einiges bei Fee/Stuart geschrieben. Es empfiehlt sich ohnehin, das Buch mal zu lesen: Fee, Gordon D.; Stuart, Douglas (1982): effektives Bibelstudium. Asslar: ICI.

Im Gemeindebau werden wir immer wieder mit dem Gesetz des AT konfrontiert, denn Gesetzlichkeit und Traditionalismus sind nicht totzukriegen.
Auch heute noch wird die Lehre der Apostel mit obskurer Gesetzlichkeit verwässert. Ob es sich dabei um überspannte Israeltheologie handelt oder darum, dass Erweckung an der mangelnden Erfüllung des Sabbatgebotes scheitert, ist egal, wir stehen in unseren Gemeinden in einem ähnlichen Kampf mit den jüdischen Wurzeln des Christentums wie damals die Apostel.

Die praktische Seite:
Gesetzlichkeit kommt nicht nur aus dem Gesetz des AT. Das war nur die Gesetzlichkeit, die ursprünglich die ersten Gläubigen mitgebracht haben. Heute kommen wir in der Regel aus einem anderen biographischen Hintergrund, aber auch da kann sich Gesetzlichkeit einschleichen. Im Grunde hat Gesetzlichkeit ohnehin nichts mit einem Gesetz zu tun, es ist ein Haltung. Das Gesetz ist nur die Bühne auf der diese Haltung spielt.
Das Heil ist nach wie vor von unserer Beziehung zu Christus abhängig. Sind wir seine Freunde oder seine Feinde? Nicht von gesellschaftlichen und kulturellen Formen. Dinge, die wir selber mit unserem Glauben nicht vereinbaren können, mögen für andere Gläubige in Ordnung sein. Hier ist viel Fingerspitzengefühl gefragt, um die Gläubigen nicht unter ein weiteres Joch des Gesetzes zu bringen.

[systematisch durch die Bibel]

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6 Kommentare

  1. Hallelujah, das ist ein toller Auftakt zu einem spannenden Brief! Ich freu mich schon sehr 😉

    Große Grüße, Bodo from H-Town

  2. was ist h-town? heidelberg? hannover? hamm? hamburg? haan? hassloch? hildesheim? …?

  3. Hannover, was denn sonst 😉 Gibt es eine andere Stadt, die nur ein H im Kennzeichen hat? Sonst wäre es ja HD-, HAM-, HH-, HI- Town, oder ?…

    Der Ex Freakstyle Bodo

  4. Zum Thema Beschneidung.
    In Apg 16,3 steht, dass Timotheus von Paulus beschnitten worden ist. Warum hat Paulus das gemacht? In seinen Briefen hat er sich ja immer deutlich gegen die Beschneidung gerichtet. Warum also hier nicht? Oder kam ihm diese Erkenntnis erst später?

    Philip

  5. @ bodo: oops. wieso „ex-Freastyle“? bist du nicht mehr da?

    @ philip:
    „…beschnitt ihn um der Juden willen“ – das war also nichts religiöses sondern etwas kulturelles. paulus wollte nicht, dass die juden ncht mit T reden weil er kein jude war und so das evangelium nicht hörten. als ich in albanien war musste ich mir die haare schneiden, obwohl die organisation mit der ich da war, kein prob mit langhaarigen männern hatte. das wird etwa das gleiche gewesen sein, nur, dass es für T schmerzhafter war. (obwohl, wer weiss? ich hing auch sehr an meinen haaren).

  6. also bei mir ist das umgekehrt – meine Haare hängen an mir 😀

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