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Normalerweise veröffentliche ich einen Artikel, den ich für den Kranken Boten geschrieben habe, immer erst nachdem der Bote herausgekommen ist. Diesmal veröffentliche ich aus Zeitgründen schon vorher. Dafür bekommt Ihr den Artikel in seiner ursprünglichsten Form: unbearbeitet und unkorrigiert (lustig: meine Rechtschreibkorrektur kennt das Wort nicht, stattdessen aber “urkorrigiert” – was ist das?!). Ihr könnt dann ja auf den nächsten KB warten und schauen, was sich geändert hat… 🙂

„Was tut man, wenn einem eine Bibelstelle nichts sagt?“ So fragte mich die Redaktion des Kranken Boten und fand mich auskunftswillig. Natürlich kann man einiges machen: Kommentare lesen, beten, meditieren, Freunde fragen, googlen oder (aber nur wenn es ganz dringend ist!) den Pastor zu Rate ziehen. Auf keinen Fall sollte man aber verzweifeln, denn im Grunde ist es egal, ob eine bestimmte Stelle Dir was sagt oder nicht.
Die Bibel umfasst, je nach Übersetzung, zwischen 31.171 und 35.463. Die Unterschiede kommen daher, dass nicht in allen Bibeln die Apokryphen (Spätschriften des Alten Testamentes) enthalten sind. Warum sollte uns jeder dieser Verse ansprechen? Das Neue Testament hat 7.941 Verse. Von denen kenne ich so etwa 10% so gut, dass ich sie inhaltlich zitieren könnte, das sind die Stellen, die mich wirklich angesprochen haben.
Es geht nicht darum, dass jede Bibelstelle für uns eine besondere Bedeutung hat oder Gott durch jeden Vers zu uns spricht. Gott sollte überhaupt zu uns sprechen, aber nicht zwingend durch jede Bibelstelle. Wir legen oft zu viel Gewicht darauf, die Bibel zu verstehen, dabei geht es nicht darum, eine Beziehung zu einem Buch zu haben sondern um die Beziehung zu Jesus. Jesus hat uns kein Buch zurückgelassen, als er zum Vater ging sondern seinen Geist (Johannes 14,16-17). Ein Bibellehrer hat mal gesagt, dass „das geschriebene Wort das lebendige Wort (Jesus) offenbart.“ Darum geht es, ihn immer besser kennen zu lernen. Durch welche Passage Gott dann redet ist seine Sache, aber wir sollten an die Bibel so herangehen, dass Gott selber zu uns spricht und über das beten, was wir lesen, dann werden wir automatisch die Bibel immer mehr von Gottes Perspektive aus lesen und er wird mehr zu uns sprechen.
Das Problem sind auch gar nicht die Stellen, die wir nicht verstehen, sondern die Stellen, die wir zwar verstehen aber nicht leben. Statt uns auf die Suche nach neuen Erkenntnissen zu machen sollten wir erst einmal die alten leben. Bei vielem, was ich in der Bibel verstanden habe arbeite ich seit Jahren daran, es umzusetzen.
Neue Erkenntnisse kommen meistens dann, wenn wir die alten umgesetzt haben. Warum ist das so? Weil es nicht darum geht, etwas im Kopf zu verstehen sondern es ins Leben hinein zu bekommen. Der biblische Erkenntnisprozess ist erst dann abgeschlossen, wenn aus Wissen Erfahrung wird. So lange es nur darum geht zu wissen, was ein Bibeltext bedeutet, haben wir reine „Theoriologie“, aber darum geht es nicht. Wenn wir über Bibelkenntnis reden oder darüber, dass uns eine Stelle nicht anspricht, dann haben wir aber meistens ein intellektuelles Verständnis im Kopf. Es sind aber immer zwei paar Schuhe etwas „verstanden“ zu haben oder es so ergriffen zu haben, dass es das Leben verändert. Zu wissen, dass Jesus Dich liebt wird Dein Leben nicht verändern. Es zu erfahren wird Dein Leben umkrempeln und Dir Liebe zu Deinem Nächsten geben, Dich von Unsicherheiten befreien usw. Einer unserer Ex-Bundespräsidenten (Horst Köhler) sagte einmal: „Wir haben kein Erkenntnisproblem, wir haben ein Umsetzungsproblem.“ Recht hat er!

Neben den praktischen Tipps wie meditieren, fragen usw. kann ich Dir also zwei Tipps geben, die entscheidend für eine wachsende Bibelkenntnis sind:

  1. Lies die Bibel nicht um ein Buch zu kennen. Du bist nicht zum Theologen berufen sondern dazu ein Sohn oder eine Tochter Gottes zu sein (das gilt auch – und gerade – für Theologen). Die Bibel zeigt Dir Deinen Vater und wie das Leben mit ihm funktioniert. Bibelstudium muss zu Jesus führen und ihn in unserem Leben groß machen, sonst ist es nur Theotainment (Johannes 8,32).
  2. Lebe das, was Du weißt. Jede Erkenntnis Christi ist so wichtig und weitgehend, dass wir unser Leben daran setzen könnten, nur diese eine Sache zu leben und weiter zu ergründen. Wenn wir in dem treu sind, was wir schon empfangen haben, wird uns mehr gegeben (Matthäus 25,14-30)

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This is a first for me. It is the first time the editor of the Messenger requested a specific topic from me. “What do you do, if a Bible verse doesn’t say anything to you?”
I am happy to answer, since God’s word is close to my heart. And there are many things you can do: read commentaries, pray, meditate, ask friends, Google, or (but only if it is very important) ask for a pastor’s help. There is no reason to despair, however, since it is effectively unimportant if a specific passage speaks to you or not. The Bible contains between 31,171 and 35,463 verses depending on the translation (the difference is because not all Bibles contain the Apocrypha, the late texts of the Old Testament). Why should each of these verses speak to us? The New Testament has 7,941 verses. Of them, I know about 10 % so well that I could quote their content, and even less have touched me so much that they actually changed my life.
It is not our main concern that every Bible verse have a special meaning or that God speak to us through every verse. Important is that God speak to us at all, but that doesn’t have to be through a specific Bible verse. We often place too much importance on understanding the Bible. It isn’t about understanding a book, but rather about a relationship with Jesus. Jesus didn’t leave behind a book for us when he returned to his father, but rather his spirit (John 14:16-17). A Bible teacher once said that “the written word (the Bible) reveals the  living word (Jesus).”
So it is about continually getting to know him better. What passage he uses to speak to us is his issue, but we want to approach the Bible in such a manner that God can speak to us, and to pray about that which we read. If we do it in this manner, we will read the Bible more and more from God’s perspective and he will speak to us more. Really, the problem isn’t the passages that we don’t understand, but rather the ones which we do understand but don’t live. Instead of hunting for a new revelation, we should first live the old ones. Many of the things I have understood from the Bible I have been trying to put
into practice for years.
New revelations usually come once we have implemented the old ones. Why is it like that? Because it is not about understanding something with our heads, but about bringing it into our lives. The Biblical process of recognition is only completed when knowledge becomes experience. As long as it is only about knowing what the Bible text means, it is plain “theoryology,” and that is not what it is about. When we talk about biblical revelation or that a verse doesn’t speak to us, then we usually mean a simply intellectual understanding. But it is two different pairs of shoes to “understand” something or to have grasped it so that it changes your life. To know that Jesus loves you won’t change your life; however, if you experience it, it will turn your life upside down and give you a new love for your neighbour, free you from insecurities, etc. One of our German Presidents (Horst Koehler) once said, “We don’t have a problem with recognition, we have a problem with implementation.” He was right!
In addition to the practical tips of meditating and asking, I can give you two more tips for an effective Bible study:

  1. Don’t read the Bible to know a book. You were not called to be a theologian, but to be a son or daughter of God (that also goes – and especially – for theologians). The Bible shows you your father and how a life with him works. Bible study must lead to Jesus and increase him in our lives, otherwiseit is just “theotainment” (John 8:32).
  2. Live what you know. Every revelation of Christ is so important and deep that we can spend our lives to live and further this one thing. If we are faithful in that which we have received, he will give us more (Matt 25:14-30).

translated by the sick messenger

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13 Kommentare

  1. Danke für deinen blog, find ich immer wieder hilfreich!!!
    Nur kurz: Horst Köhler ist noch Bundespräsident und kein Ex…

  2. mom EX? warum Ex, habe ich etwas verpasst?

  3. ihr habt beide recht. ich dachte beim schreiben an jemand anderen, googelte das zitat dann nach, ersetzte den namen, aber löschte nicht das „ex“. naja, shit happens.

  4. Ich würde die Linie zwischen Verstehen und Umsetzen so nicht ziehen. Manchmal heißt verstehen schon umsetzen.
    Zu sehen, das Jesus alles tut, reicht schon. Was soll ich da noch umsetzen?

    Wie schrieb noch Luther:

    „Du, Herr Jesus, bist meine Gerechtigkeit,
    ich aber bin Deine Sünde.
    Du hast auf Dich genommen, was mein ist,
    und mir geschenkt, was Dein ist.
    Du hast auf Dich genommen, was Du nicht warst
    und mir geschenkt, was ich nicht war.“

    Das anzuschauen, macht mich frei. Und dann kann ich auch was umsetzen.
    Deswegen sacht Luther auch, wir sollen in der Schrift immer Christus suchen, wenn wir etwas nicht verstehen. Wir sollen die dunklen Stellen durch die helle Stelle,
    das Licht, Christus, verstehen.

  5. das ist nicht so einfach mit ex cdu präsidenten, zumindest in hessen, da gehen die einfach nicht, wenn die abgewählt werden… 😉

    ein guter bibellehrer sagte mal : bibel lesen ist wie fisch essen, leg due gräten an die seite…

  6. jesus macht aber recht wenig allein, ohne seinen leib. da heisst es schon immer: anpacken und umsetzen.

  7. @storch : des versteh ich jetzt in dem zusammenhang nicht…

  8. war an jordanus über dir gerichtet. 🙂

  9. aso, ich brauch wieder arbeit, treib mich zuviel im internet rum…

    zum thema : die triebfeder der weissen rose war der jakobus brief. steht in den tagebüchern von sophie scholl. „glaube ohne werke ist tot… „

  10. hast du scholls tagebücher gelesen? krasse sache.

  11. ich muss zugeben ich bin ein grosser fan der weissen rose und sophie scholl.
    es ist ja immer so, das behauptet wird, die christen hätten im dritten reich nichts getan, ein glatte lüge. der meiste wiederstand war evangelisch. und die geschwister scholl, waren tief im glauben fundiert… und haben uns auch heute noch viel zu sagen…

  12. OK, wo wir gerade beim Zitieren sind, hier aus den letzten Briefen des Kreisauer Grafen Moltke an seine Frau:

    Nun schwätze ich weiter: Der entscheidende Satz jener Verhandlung war: „Herr Graf, eines haben das Christentum und wir Nationalsozialisten gemeinsam, und nur dies eine: wir verlangen den ganzen Menschen.“
    Ob er sich klar war, was er damit gesagt hat? Denk mal, wie wunderbar Gott dies sein unwürdiges Gefäss bereitet hat: In dem Augenblick, in dem die Gefahr bestand, daß ich in aktive Putschvorbereitungen hineingezogen wurde – Stauffenberg kam am Abend des 19. zu Peter -, wurde ich rausgenommen, damit ich frei von jedem Zusammenhang mit der Gewaltanwendung bin und bleibe.
    -Dann hat er mich in jenen sozialistischen Zug verpflanzt, der mich als Großgrundbesitzer von allem Verdacht einer Interessenvertretung befreit.
    -Dann hat er mich so gedemütigt, wie ich noch nie gedemütigt wprden bin, sodaß ich allen Stolz verlieren muß, sodaß ich meine Sündhaftigkeit endlich nach 38 Jahren verstehe, sodaß ich um seine Vergebung bitten, mich seiner Gnade anvertrauen lerne.
    -Dann läßt er mich hierher kommen, damit ich dich gefestigt sehe und frei von Gedanken an dich Dich und die Söhnchen werde, d.h. , von sorgenden Gedanken; er gibt mir Zeit und Gelegenheit, alles zu ordnen, was geordnet werden kann, sodaß alle irdischen Gedanken abfallen können.
    -Dann läßt er mich in unerhörter Tiefe den Abschiedsschmerz und die Todesfurcht und die Höllenangst erleben, damit auch das vorüber ist.
    -Dann stattet er mich mit Glaube, Hoffnung und Liebe aus, mit einem Reichtum an diesen Dingen, der wahrscheinlich überschwenglich ist.
    -Dann lässt er mich mit Eugen & Delp sprechen und klären.
    -Dann lässt er Rösch & König entlaufen, sodaß es zu einem Jesuitenprozeß nicht reicht und im letzten Augenblick Delp an uns angehängt wird.
    -Dann läßt er Haubach & Steltzer, deren Fälle fremde Materie hereingebracht hätten, abtrennen und stellt schließlich praktische Eugen & Delp und mich allein zusammen, und dann gibt er Eugen & Delp durch die Hoffnung, die menschliche Hoffnung, die sie haben, jene Schwäche, die dazu führt, daß ihre Fälle nur sekundär sind, und daß dadurch das Konfessionelle weggenommen wird, und
    dann wird dein Wirt ausersehen, als Protestant vor allem wegen seiner Freundschaft mit Katholiken attackiert und verurteilt zu werden, und dadurch steht er vor Freisler nicht als Protestant, nicht als Grossgrundbesitzer, nicht als Adliger, nicht als Preusse, nicht als Deutscher – das ist alles ausdrücklich in der Hauptverhandlung ausgeschlossen, so z.B. Sperr: „Ich dachte, was für ein seltsamer Preusse“ -, sondern als Christ und als garnichts anderes.
    „Das Feigenblatt ist ab“, sagt Herr Freisler. Ja, jede andere Kategorie ist abgestrichen – „ein Mann, der von seinen Standesgenossen natürlich abgelehnt werden muss“, sagt Schulze.
    Zu welch einer gewaltigen Aufgabe ist Dein Wirt ausersehen gewesen: all die viele Arbeit, die der Herrgott mit ihm gehabt hat, die unendlichen Umwege, die verschrobenen Zickzackkurven, die finden plötzlich in einer Stunde am 10. Januar 1945 ihre Erklärung. Alles bekommt nachträglich einen Sinn, der verborgen war.
    Mami und Papi, die Geschwister, die Söhnchen, Kreisau und seine Nöte, die Arbeitslager und das Nichtflaggen und nicht der Partei oder ihren Gliederungen angehören, Curtis und die englischen Reisen, Adam und Peter und Carlo, das alles ist endlich verständlich geworden durch eine einzige Stunde. Für diese eine Stunde hat der Herr sich alle diese Mühe gegeben.

    Zitat Ende. Aus: Helmuth James Graf von Moltke: Briefe an Freya, München 1991, S. 623f.
    Ich finde es total krass, dass Moltke nur von Gottes Handeln spricht und davon, wie er durch dessen Handeln und nicht durch sein eigenes Planen und Trachten ein Zeugnis in der Welt sein kann.
    Cool, wa?

  13. oh mann, ich kann gar nicht aufhören, weiterzulesen. Das hier ist auch interessant für die Bibelauslegung. Er schreibt in dem Brief weiter:

    Ich habe ein wenig geweint, eben, nicht traurig, nicht wehmütig, nicht weil ich zurück möchte, nein, sondern vor Dankbarkeit und Erschütterung über diese Dokumentation Gottes. Uns ist es nicht gegeben, ihn von Angesicht zu Angesicht zu sehen, aber wir müssen sehr erschüttert sein, wenn wir plötzlich erkennen, daß er ein ganzes Leben hindurch am Tage als Wolke und bei Nacht als Feuersäule vor uns hergezogen ist, und daß er uns erlaubt, das plötzlich, in einem Augenblick, zu sehen. Nun kann nichts mehr geschehen.

    Ist doch interessant, oder? Wenn er das Wort der Bibel nicht kennen würde, würde er auf solche Gedanken vielleicht gar nicht kommen. Er sieht sein Leben durch die Bibel.
    Heinrich Detering hat das mal über die Bibel (in freier Anlehnung an ein Rilke-Gedicht) geschrieben: „Da ist keine Stelle, die dich nicht sieht.“

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