23. Februar 2008 10

Keine Privatsache

Als ich neulich unser Auto von der Inspektion abholen ging, traf ich an der Bushaltestelle einen alten Kollegen aus der Schul- und Drogenzeit. Die Jahre waren nicht gut zu ihm gewesen und er sah aus, als wäre er noch immer gut dabei. Irgendwann kam die unvermeidliche Frage: „und, was machst du?“, eine absolute Steilvorlage für ein evangelistisches Gespräch: „ich habe mich vor zehn Jahren bekehrt, Jesus hat mich von Drogen frei gemacht und jetzt bin ich Pastor bei den Jesus Freaks“, sagte ich – nicht. Und er fragte nicht nach, was das mit Jesus soll, übergab ihm nicht gleich an der Bushaltestelle sein Leben und ich habe ihn auch nicht am selben Vormittag in der Ruhr getauft. Statt dessen sagte ich „äh, ich also, ich mache…“ und er vervollständigte meinen Satz „…mal dies, mal das, wie wir alle“, verabschiedete sich und ging weiter. Mist!

In solchen Augenblicken kommt immer wieder ein urdeutscher Gedanke trotzig hoch: „Glaube ist doch sowieso Privatsache und geht keinen was an.“ Ein dezenter Fisch am Auto ist ok, aber man will ja keinem auf die Nerven gehen, das schreckt die Leute eh nur ab. ist. Aber im Grunde unseres nicht immer ganz aufrichtigen Herzens wissen wir doch, dass das nicht stimmt. Es war Jesu Vision, sein ganzer Lebensinhalt, dass alle Menschen seinen Vater im Himmel kennenlernen; das war auch sein Vermächtnis an seine Jünger: „geht in alle Welt und sagt allen Menschen, was ich Euch gesagt habe, macht alle zu Christen.“ (nach Matthäus 28).
Franz von Assisi sagte einmal etwas, das ich seit dem nie mehr vergessen konnte: „predige das Evangelium allezeit, wenn nötig, benutz Worte!“ Das, was wir sind spricht viel lauter, als das was wir sagen. Um den den Auftrag Jesu zu leben braucht es beides: Ein überzeugendes Leben und den Mut, Gelegenheiten beim Schopf zu ergreifen und zu Jesus zu stehen. Gelebter Glaube, ein Leben in Gottes Kraft und ein offenes Wort zur rechten Zeit sind viel ansprechender als Traktate, die man feige in einer Telefonzelle oder im Bus „verliert“.
Ein paar Monate später bin ich mit dem Zug nach München gefahren. In Solingen stieg eine ältere Dame zu, kam in mein Abteil, trat mir auf den Fuss, entschuldigte sich umständlich, schaute mich an und sagte: „sie sind ein christlicher Mensch.“ Ich hatte kein christliches T-Shirt an und trage auch keine Kreuzkette oder ähnliches, aber manchmal scheint der Heilige Geist in uns Menschen anzusprechen ohne dass wir ein Wort sagen. Diesmal war ich mutiger und bis sich in Köln unsere Wege trennten konnte ich von Jesus erzählen und am Ende haben wir Adressen ausgetauscht.

Diese kleinen Gelegenheiten kommen uns oft gar nicht in den Sinn, wenn wir von Evangelisation reden. Wir denken unwillkürlich an die Grossveranstaltungen der Grahams, Hybels´ und Bonnkes. Oder an die Pfingstpredigt von Petrus bei der sich mal eben 3.000 Menschen bekehrt haben. Aber das ist nur eine Form von Evangelisation und statistisch sogar eine sehr uneffektive. Petrus selber hat sich nicht bei einer Grossevangelisation bekehrt sondern wurde von seinem Bruder zu Jesus geführt. Reinhard Bonnke hat sich schon als Kind durch das Zeugnis seiner Eltern bekehrt. Genau wie Timotheus, den der Glaube seiner Mutter und seiner Oma zu Jesus gebracht (2.Timotheus 1,5). Die Berufung der Jünger in Johannes 1 ist eine reine Beziehungsgeschichte: Andreas hört es von Johannes und sagt es Simon; Jesus trifft Philipus, der es wiederum Natanael weitersagt.
So breitet sich das Evangelium aus: Menschen sind begeistert von Jesus und es erzählen es ihren Freunden, Kindern und Kollegen; auf der Arbeit, in der Schule, beim trampen, im Urlaub, im Freibad, auf der Strasse, im Kino, in der Disco und im Schützenverein.

Alles, was nötig ist sind ein gelebter Glaube und der Mut zum richtigen Wort zur rechten Zeit. Für beides kann man beten.

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10 Kommentare

  1. Bin grad glaubensmäßig ziemlich weit unten, aber inzwischen schon wieder auf dem aufsteigenden Ast. Hatte keinen Bock mehr auf beten und Bibellesen und meine Lobilieder verborgt, so dass ich nicht mal lobpreisen konnte, wenn ich gewollt hätte. Aber aus irgendeinem Grund hatte ich jeden Tag Bock, deine Predigten zu lesen. Danke dafür.
    Dein Thema heute ist fast genau das, worum sich in meinem Kopf seit ein paar Tagen alles dreht: WIE kann ich so leben, das meine Taten lauter sprechen als Worte? Ich bete erstmal um Liebe.

  2. für mich ist Glaube auch oft noch Privatsache, in den Situationen fehlt mir dann doch oft der Mut, eine coole Sache ich habe einen Komolitonen der Halbisraeli ist, und sein Name kommt in der Bibel vor, deshalb reden wir öfters über Glauben nur mit das Jesus kann er irgendwie gar nicht verstehen. Kommt noch!!

  3. ich überliste mich gerne selber. in meine bewerbungen schreibe ich immer als letzten satz, dass der mein persönlicher glaube an jesus christus mir für den alltag kraft gibt. so sass ich schon in dem ein oder anderen personalbüro unter den armen schwitztent diese „eine letzte frage haben wir noch… “ beantwortent…
    ich bin mir fast sicher, dass ich den ein oder anderen job deswegen nicht bekommen habe, what ever…
    aber um mich hier mal nicht besser darzustellen als ich bin, ich kenne um der millionen situationen, wo man nachher zuhause denkt : scheisse, da hättest du jetzt noch was von jesus erzählen können…

  4. herzlich willkommen hier, anne. freut mich, wenn dieser blog jemandem hilft 🙂

  5. uns allen bruder… 😉

  6. Ich hatte auch oft dieses Gefühl, das ich was hätte sagen müssen. Aber ich finde, wir sind zu bekehrungsorientiert. Es geht nicht darum, jemanden mal eben kurz zu bekehren, sondern sich auf ihn einzulassen.
    Es gibt doch dieses schöne Beispiel von dem Missionar, der sich irgendwo bei den „Primitiven“ ein Haus baute und sich dann einige Jahre lang dort aufhielt und eigentlich so gut wie nichts sagte.
    Irgendwann kamen die Eingeborenen von selbst und sagten zu ihm: „Wer so lange schweigen kann, muß wirklich was zu sagen haben.“
    Übrigens ergreifen manche Leute auch schon die Flucht, wenn sie das Gefühl haben, es könnte zu persönlich oder gar religiös werden.
    Es ist eine Sache des Gebets. Man kann doch für die Leute beten, bei denen kein Gespräch entstanden ist. Es ist ja sowieso Gott, der die Menschen bekehrt, und nicht wir!

  7. es stimmt auf jeden fall, dass bekehrung nicht gottes ziel ist. sie ist nur der anfang, der start in ein neues leben. aber wenn ich mir die meisten christen so anschaue habe ich nicht das gefühl, dass wir zu bekehrungsorientiert sind. die wenigsten christen die ich so kenne haben e schon erlebt, dass jemand durch sie jesus kennen lernen – eigentlich eine schlimme sache!
    wir müssen unseren teil schon beitragen bevor gott seinen tun kann. wenn keiner über den glauben redet kann gott auch keinen „bekehren“. die fälle, in denen wirklich kein mensch beteiligt war sind so super selten, das ist echt die ausnahme.

  8. na klar sollen die leute durch uns von jesus erfahren.
    aber man soll sich auch nicht immer gleich schlecht fühlen,
    wenn man mal in einer scheinbar passenden situation
    nichts von jesus erzählt hat. manchmal muss sich das auch ergeben.
    und manchmal kommt es auch nicht so klasse rüber,
    wenn man alles auf einmal erzählt.
    wobei – der heilige geist führt vielleicht jeden anders.
    ich jedenfalls muß oft erst viel zeit verbringen mit leuten,
    bevor ich ihnen das erzähle.
    und am besten ist es eigentlich, wenn sie mich danach fragen.

  9. Hallo zusammen,

    eigentlich wollte ich diesen Fragen ja direkt an storch mailen, aber ich denke das kann auch hier hoffentlich zu einer guten Diskussionsgrundlage werden. Ich hab leider keinen passenderen Thread gefunden, deswegen poste ich das mal hier rein:

    Und zwar geht es mir allgemein um Jesu Aussage aus Mt 6,33. Das Thema das mir dabei auf dem Herzen liegt ist, Wie viel eigene Anstrengung gehört dazu, wenn es heißt „trachtet zuerst nach dem Reich Gottes“?

    Gleich vorneweg, es soll hier nicht um Werkgerechtigkeit gehen, sondern um eigene Aktivität und der Heilige Geist und nicht eigene Aktivität ohne Heiliger Geist.

    Ich komm auf das Thema irgendwie nicht so klar.

    Ich habe einfach oft das Gefühl, dass ich zwar für etwas bete, mich aber dann einfach nur zurücklehne und auf ein Wunder warte.

    Beispiel: wenn ich z.B. dafür bete das ich auf der Arbeit wirklich ein vorbildlicher Arbeiter bin und meinen Kollegen diene? Kann ich mich dann auch zurücklehnen und auf ein Wunder warten, d.h. das ich automatisch zu einem vorbildlichen und fleißigen Arbeiter werde? Oder muss ich schon selbst aktiv werden und selbst Eifer an den Tag legen?

    Nach meiner Erfahrung funktioniert das eben nicht.

    Selbst Paulus hält den Pharisäern zu gute, dass sie Eifer haben, wenn auch aus den falschen Motiven.

    Oder wenn ich für meine Vermieterin bete, kann ich mich dann zurücklehnen und auf ein Wunder warten? Oder wieviel eigenen Eifer muss ich bringen?

    Ich habe einfach oft das Gefühl das wir es als Entschuldigung nehmen, wenn gewisse Dinge nicht passieren wenn eben kein Wunder geschieht.

    P.S.: Ist das eigentlich Absicht, wenn ich auf diesem Blog auf das Tag „Gottes Reich“ klicke, dass dann als Antwort „Not found“ erscheint? 😉

  10. Hey Patrick – gute Frage, kurze Antwort von mir:

    Gottes Geist hilft uns ja immer, daher sind „unsere eigenen Möglichkeiten“ eben nicht mehr die Grenze – aber nutzen sollen wir sie schon!
    Wir beten ja auch nicht zu Gott, er soll die Hungrigen per Wunder speisen, wenn er uns ne volle Scheune anvertraut hat… 😉

    Segen

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