30. Oktober 2007 3

Besessenheit

Nicht nur Derek Prince weist darauf hin, dass Besessenheit ein irreführender Ausdruck ist. Manche Bibelübersetzungen schreiben das ja so. Der griechische Begriff DAIMONIZW heisst dämonisch belastet sein, sich unter dem Einfluss eines Dämons befinden aber nicht, dass man tatsächlich Besitz eines Dämons ist.
Selbst der Gerasener konnte sich noch hoffnungsvoll an Jesus wenden und das will etwas heissen, denn der lebte schon nackt in einer Höhle und terrorisierte sein komplettes Umfeld.
Was diese Dämonisierung ist und wie sie sich manifestiert beschreibt Kafka recht gut in „der Ritt“. Der Ritt ist ein Kapitel aus der „Beschreibung eines Kampfes:

Schon sprang ich mit ungewohnter Geschicklichkeit meinem Bekannten auf die Schultern und brachte ihn dadurch, daß ich meine Fäuste in seinen Rücken stieß in einen leichten Trab. Als er aber noch ein wenig widerwillig stampfte und manchmal sogar stehen blieb, hackte ich mehrmals mit meinen Stiefeln in seinen Bauch, um ihn munterer zu machen. Es gelang und wir kamen mit guter Schnelligkeit immer weiter in das Innere einer großen, aber noch unfertigen Gegend, in der es Abend war.
Die Landstraße, auf der ich ritt, war steinig und stieg bedeutend, aber gerade das gefiel mir und ich ließ sie noch steiniger und steiler werden. Sobald mein Bekannter stolperte, riß ich ihn an seinen Haaren in die Höhe und sobald er seufzte, boxte ich ihn in den Kopf. Dabei fühlte ich, wie gesund mir dieser Abendritt in dieser guten Laune war und, um ihn noch wilder zu machen, ließ ich einen starken Gegenwind in langen Stößen in uns blasen. Jetzt übertrieb ich auch noch auf den breiten Schultern meines Bekannten die springende Bewegung des Reitens und, während ich mich mit beiden Händen fest an seinem Halse hielt, beugte ich weit meinen Kopf zurück und betrachtete die mannigfaltigen Wolken, die schwächer als ich schwerfällig mit dem Winde flogen. Ich lachte und zitterte vor Muth. Mein Rock breitete sich aus und gab mir Kraft. Dabei preßte ich meine Hände kräftig in einander und that, als wüßte ich nicht, daß ich dadurch meinen Bekannten würgte.
Zum Himmel aber, der mir allmählich durch die gekrümmten Äste der Bäume, die ich am Rande der Straße wachsen ließ, verdeckt wurde, rief ich in der erhitzten Bewegung des Reitens: „Ich habe doch anderes zu thun, als immer verliebtes Gerede zu hören. Warum ist er zu mir gekommen, dieser geschwätzige Verliebte? Sie alle sind glücklich und werden es besonders, wenn es ein anderer weiß. Sie glauben einen glücklichen Abend zu haben und schon deshalb freuen sie sich des künftigen Lebens. „
Da fiel mein Bekannter, und als ich ihn untersuchte fand ich, daß er am Knie schwer verwundet war. Da er mir nicht mehr nützlich sein konnte, ließ ich ihn auf den Steinen und pfiff nur einige Geier aus der Höhe herab, die sich gehorsam und mit ernstem Schnabel auf ihn setzten, um ihn zu bewachen.

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3 Kommentare

  1. Kafka schien überhaupt einen – ja wie soll man es formulieren – „guten“ oder vielleicht doch eher „schlechten Draht“ zur „Geisterwelt“ zu haben. Wie kam das wohl?

  2. Kafka schrieb ausgesprochen kafkaesk. Lese ich immer wieder gern…

    Ich meine auch, dass ein dämonisierter Mensch nicht völlig fremdbestimmt und fremdgelenkt ist, sondern durchaus wie der Gesaraeer um Hilfe bitten kann. Es mag auch Abstufungen geben – wobei ich das nicht theologisch zu untersuchen vermag. Ich weiß nur aus der eigenen Vergangenheit, dass es mir möglich war (wenngleich unter Schwierigkeiten und nicht ohne Hilfe von Außen), den freiwillig eingegangenen Vertrag mit Satan zu stornieren.

    Jesus hat eben auch diesbezüglich bereits den Sieg geschafft. Komplett und rundum.

  3. ich vermute mal, dass das leben mit einem dämon kafkaesk sein wird. ist schon ein abgefahrener schreiber gewesen. und richtig gut.

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