Wenn man die Evangelien und die Apostelgeschichte liest und mit der heutigen Zeit vergleicht, dann kann man gar nicht anders als festzustellen, dass sich einiges geändert hat. Jesu Dienst war von Zeichen und Wundern, vor allem Heilungen, begleitet und die Apostel erlebten definitiv, was Markus 16,20 programmatisch zusammenfasst:

Sie aber zogen aus und predigten überall. Der Herr stand ihnen bei und bekräftigte die Verkündigung durch die Zeichen, die er geschehen ließ. (nach der Einheitsübersetzung)

Die Apostelgeschichte ist genauso voll von Wundern und Gottes übernatürlichem Wirken wie die Evangelien. Heute sieht es, zumindest in Deutschland, anders aus. Glaube ist zu einer Kopfsache geworden und nur noch die wenigsten erleben die Wunder des Neuen Testamentes. Das Abnehmen der Wunder hat die Theologen in eine ziemliche Erklärungsnot gebracht und es gibt drei wichtige Modelle, wie wir mit der veränderten Situation umgehen können. Leider kann ich nur kurz darauf eingehen, denn dieses Buch richtet sich an die Praxis, es ist kein Beitrag zur Geschichtsschreibung oder –interpretation.

1) die bibelkritische Position
Seit dem achtzehnten Jahrhundert weht in der Theologie ein anderer Wind. Johann Salomo Semler schlug vor, die Bibel genauso wie jedes andere Buch zu behandeln und läutete damit die Geburtsstunde der historisch-kritischen Methode ein. Die Bibel wurde nicht mehr unter dem Paradigma gelesen, dass man es mit Gottes Wort zu tun hat sondern unter dem Paradigma, dass sie ein Buch von Menschen ist.
Das hatte weitreichende Konsequenzen; bis heute. Die Entstehungszeit der prophetischen Texte wurde auf die Zeit nach dem Eintreffen der jeweiligen Ereignisse umdatiert und der Weg zu einer heilungskritischen Theologie wurde geebnet.
In den 1940er Jahren sprach Rudolf Bultmann das aus, von dem er dachte, dass alle es denken würde. Die darauf folgende Entrüstung scheint ihn ehrlich überrascht zu haben. Er sprach in einer Predigt von der „Entmythologisierung des Christentums“. Sein Ziel war es, die reine Lehre Christi von allem übernatürlichen, metaphysischem Ballast zu befreien. Alles, was es an übernatürlichen Anteilen im Neuen Testament gibt war für ihn nur Mythologie, eine Beleidigung für den Verstand, die es abzuschaffen gilt um das Evangelium der Zeit anzupassen.
Es ist für mich immer wieder eine pikante Ironie dieser Zeit, dass er ein Zeitgenosse von Hermann Zaiss war, der einer der größten Heilungsprediger der jüngeren deutschen Geschichte war. Offenbar hat er nie die Predigten gehört, in der Hermann in bester Zaiss-Manier gegen den bibelkritischen Unglauben Bultmanns wettert.
Die bibelkritische Position geht einfach mit den Wundern der Bibel um: sie erklärt sie für Märchen, die niemals stattgefunden haben. Man argumentiert nach dem Grundsatz „nicht sein kann, was nicht sein darf“ – wenn es nichts gibt, wofür es keine wissenschaftliche Erklärung gibt, dann kann es eben keine Wunder gegeben haben. Ich wundere mich, dass ernsthafte Menschen diese Position vertreten können. Da müssen Recherchen schon sehr einseitig gelaufen sein.

2) der Dispensationalismus
Ein anderer Erklärungsansatz ist mit dem Namen Scofield verknüpft. Scofield schuf den Dispensationalismus, eine Theologie, die zwar bibelgläubig ist, aber erklärt, dass es keine Geistesgaben mehr gibt. Scofield teilte die Menschheitsgeschichte nach er Bibel in verschiedene Zeitabschnitte (Dispensationen) ein, in den Gott mit den Menschen unterschiedlich umging.
Nach seiner Meinung gab es eine Dispensation der Apostel, in der es Geistesgaben, das Übernatürliche und eben auch Heilung gab. Diese waren dazu da um das Evangelium erst einmal bekannt zu machen und das Schreiben der Bibel durch göttliche Offenbarung vor zu bereiten. Konsequenterweise endete diese Dispensation dann als die Bibel in fertiger Form vorlag. Der wichtigste Vers, der in diesem Zusammenhang zitiert wird ist 1.Korinther 13,10:

wenn aber das Vollkommene kommt, wird das, was stückweise ist, weggetan werden. (nach der Elberfelder)

Der Zusammenhang macht es sehr deutlich, dass es sich bei dem „Vollkommenen“ hier nicht um ein Buch handelt sondern um den Himmel. Überdies würde viel Gewicht auf einen einzelnen Vers gelegt, aber es geht mir hier nicht um eine theologische Kritik des Dispensationalismus.
Der Dispensationalismus ist zutiefst bibelgläubig. Für Dispensationalisten sind die Wunder der Bibel geschehen, sie sind nur für uns heute nicht mehr relevant, oder besser: nicht mehr möglich, weil der Heilige Geist nicht mehr auf diese Weise wirkt.
Die Position ist angesichts der gigantischen Fülle an Wundern in der Kirchengeschichte nicht wirklich haltbar. Um ihn halten zu können musste man die geschehenen Wunder anders interpretieren und schrieb sie nicht selten der Verführung des Feindes zu – eine fatale Fehlinterpretation die zu viel Streit in der Christenheit geführt hat und auch dazu, dass der Charakter Gottes bei vielen Menschen in Misskredit gekommen ist.
Dispensationalismus führt in einen Erklärungsnotstand der zuletzt zu dem Eindruck führen muss, dass Gott und der Teufel in den letzten 2000 Jahren irgendwann die Jobs getauscht haben müssen – jetzt ist es Gott, der Menschen krank macht um ihren Charakter zu bessern und Christen, die erfolgreich für Heilung beten stehen in der Gefahr, das aus dämonischer Kraft zu tun.

3) die fortschreitende Offenbarung
Die dritte Position stellt sich die Geschichte des Christentums vor als eine Entwicklung der Kraft die erst nach unten geht und dann wieder nach oben. Nachdem sich speziell das erste Jahrhundert durch große Kraft und viele Wunder auszeichnete, ging es danach mit der Kraft abwärts. Die Charismen dünnten sich nach und nach aus; sie waren zwar niemals ganz weg, aber lange Jahrhunderte waren nicht eben davon geprägt, dass besonders viel von der Kraft des Heiligen Geistes sichtbar war.
Später in der Kirchengeschichte begann Gott, Stück für Stück die Dienste wieder her zu stellen. Die Reihenfolge ist dabei Gegenstand von Kontroversen, auch die genaue zeitliche Abfolge. Ich selber kann mit diesem Erklärungsmodell gut leben. Natürlich gibt es Unklarheiten, aber das tut der Theorie an sich keinen Abbruch.

Historisch kann man nachvollziehen, wie es gekommen ist, dass der Heilungsdienst immer mehr in den Hintergrund gerückt ist bis wir die Situation haben, in der wir uns heute befinden. Prophetisch bin ich fest davon überzeugt, dass wir heute in einer Zeit leben, in der Gott den Heilungsdienst seiner Kirche wieder herstellt.
Im Folgenden werde ich einen sehr kleinen geschichtlichen Abriss geben, der erstens zeigen kann, dass es immer Heilungen gegeben hat, aber zweitens Indizien dafür geben soll, wie der Heilungsdienst ausgedünnt wurde und welche Faktoren dazu beigetragen haben, dass heute in Deutschland so wenige Heilungen passieren.
Eine erschöpfende Studie aus zwei Jahrtausenden würde natürlich den Rahmen sprengen, deswegen verweise ich jeden den es interessiert auf einschlägige Bücher. Zum Beispiel schreibt W.J. Ouweneel in seinem Buch heilt die Kranken einiges zur Kirchengeschichte. Auch Morton Kelsey widmet der Geschichte in seinem Klassiker healing and christianity einen gewissen Raum.

Interessanterweise kann man diese Dynamiken auch über kürzere Zeiträume verfolgen. Die Missionierung Nepals etwa war am Anfang stark von Zeichen und Wundern geprägt. Noch heute, haben mir Leute berichtet, die vor Ort waren, ist mindestens jeder zweite durch ein Heilungswunder zum Glauben gekommen. Dennoch befinden sich die Christen in Nepal in der typischen Situation einer Kirche in der dritten Generation: die Kraft nimmt ab, Wunder werden immer seltener.

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9 Kommentare

  1. du hast eine richtung vergessen 😉
    da gibts noch eine partei die behauptet das es krankheit schlicht und einfach (für einen christen)garnicht gibt. sollten trotzdem anzeichen dasein, wird einfach solange getanzt und proklamiert bis derjenige aufgibt und sagt das es besser geworden ist. dann kommen flaggen und schofa hörner… und wenn man dann nicht mittanzt, muss demnächst was ausgetrieben werden…
    etwas überspitzt, aber zuhauf erlebt.

  2. was es alles gibt… ich gestehe noch nie einer gemeinde gewesen zu sein in der shofahörner geblasen wurden.

  3. Ich kenne auch jemand der in der Mongolei war und und direkt Heilung eingetroffen ist, Christoph Bosch ist dir sicher bekannt. Die haben nicht für Heilung gebetet sondern die Menschen geheilt, schreibt er.
    http://www.touchthenations.org/de/dttnintern/dtmongolei2005/file_view
    Mongolei ist ja noch in der ersten Generation so weit ich weiß.

  4. christoph bosch kenne ich nicht. aber ich war irgendwann im winter in der fcjg und da haben sie von der mongolei erzählt und es drehte sich auch viel um zeichen und wunder als „evangelisationsform“ – ohne scheint da nichts zu gehen und die erweckung ist auf jeden fall in der ersten generation. mosambik dasselbe, claudi war ja bei uns und hat davon erzäht – hammerstories.
    wir stehen da ja eher vor der spannenden frage wie man das feuer in eine verkopfte und negativ vorgeprägte gesellschaft bringen kann. aber das WE hat mich wieder einmal hoffnungsfroh gestimmt.

  5. Christoph Bosch ist der Kolege oder „Timotheus“ von M Schiffmann
    Ich war am WE auf einer Bauer Konferenz, es war ein bischen komisch, aber ich bin auch ermutigt nach hause gegangen habe aber den Heilungspart nicht richtig mit bekommen

  6. okay, ich wusste nur, dass der christoph heisst. den nachnamen kannte ich nicht.

    wo warst du denn bei bauer? in köln war er doch schon vor ein paar wochen. wieso war es komisch? würde mich echt interessieren, gerne auch per mail, wenn es hier zu öffentlich ist.

  7. Also mich hätte das komische auch interessiert!

  8. Wird es auch einen Teil über die falschen Propheten geben die im Namen Jesu Zeichen und Wunder tun?

  9. den hat es schon, also ein oder zwei theorien wieso das möglich ist. mittlerweile hätte ich noch eine weitere, wird also vielleicht noch mal thema werden. einfach mal blog durchsuchen, weiss gerade nicht mehr wo es steht.

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