15. September 2007 2
flüssige Theologie
Irgendwie werde ich diese Zweigleisigkeit nicht los. Auf der einen Seite liebe ich die Übernatürlichkeit Gottes und strecke mich mit allen Extremitäten nach ihr aus; auf der anderen Seite interessiert mich Theorie und ich komme immer wieder zu dem Themenkomplex „Erkenntnis – Offenbarung – Objektivität – Wahrheit – etc.“ zurück. Da muss ich wohl durch, scheint so, als hätte der Schöpfer mich so gemacht…
Ich merke, dass ich mich intellektuell an dem Begriff „Theologie“ stosse. Nicht nur, weil ich „Lehre von Gott“ ohnehin als Unwort empfinde, denn Gott ist kein Ding, dass man unters Mikroskop legt, in Formeln packt und dann eine Lehre daraus abstrahiert! Vielmehr stört mich, dass ich mit dem Wort einen Wahrheitsbegriff assoziiere, den ich einer alten Welt zuordnen würde. Wenn sich eines im Zuge der oft bemühten POstMOdernitätsDEbatte geändert zu haben scheint, dann der Begriff von Wahrheit. Ich habe in einem Buch, das demnächst erscheint einen Artikel darüber geschrieben, wie sich unsere Vorstellung von Wahrheit verändert.
Ich zitiere einmal eine kurze Passage daraus (für den Rest müsst Ihr das Buch kaufen 🙂 ):
… Wahrheit ist eine Sache, die absolut feststeht, sich aber geistlich nur in der Gottesbeziehung offenbart. In Johannes 14,6 sagt Jesus: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater denn durch mich.“
Diese Wahrheit ist ein juristischer Begriff, sie ist das, was der Richter feststellt und auf dessen Grundlage er Recht spricht. In dem Sinne ist sie etwas, was einfach „ist“ und fest steht. Sie ist aber auch eine Person, Jesus Christus, und damit etwas, das in Beziehung eingebunden ist. Geistliche Wahrheit kann man nicht besitzen, so wie man keine Person besitzen kann. Man kann nur mit ihr in Beziehung treten; sie lebt und entsteht in der Gottesbeziehung.
Damit sind zwei grundlegend wichtige Dinge über Wahrheit gesagt: (1) es gibt eine objektive, absolut richtige Wahrheit und (2) diese Wahrheit wird immer wahrgenommen; von einem Menschen, einer Gruppe, allgemein einem Subjekt und durch die Wahrnehmung gebrochen. Deshalb erscheint geistliche Wahrheit als so komplex: sie bricht sich in Millionen Gläubiger wie Licht in einem Kristall und das eigentlich weisse Licht der Wahrheit erscheint in vielen bunten Facetten – so entsteht die komplexe Schönheit der Theologie.
Mein Eindruck ist, dass früher der „absolute Pol“ der Wahrheit stark im Mittelpunkt stan. man war orthodox und führte auch gerne mal absurde Kämpfe und Kriege um diese Orthodoxie. Mittlerweile schlägt das Pendel um und die emerging church-Szene kommt vielen Christen als allzu liberal vor.
Ich weiss, dass man meine Position als liberal einstufen kann obwohl ich bestimmt einer der fundamentalistischsten Hardliner ever bin… nur glaube ich eben an den freien Willen und daran, dass Menschen die Wahrheit erkennen müssen um sie zu tun. Es reicht einfach nicht, wenn jemand anderes ihnen sagt, was sie zu tun haben – Gott muss es ihnen zeigen oder es ist einfach nur gesetzlich.
Um der Konnotation des alten Wahrheitsparadigmas zu entgehen würde ich gerne „flüssige Theologie“ vorschlagen. Der Begriff spricht von einer Theologie die Wahrheit kennt und nicht verleugnet, die also im besten Sinne des Wortes gläubig ist, die aber auch weiss, dass Wahrheit rezipiert werden muss und dadurch notwendig verändert wird. Eine Theologie, die eben den Beziehungsaspekt von Wahrheit nicht verleugnet sondern ihn mit allen Gefährdungen der Missverständlichkeit, die das mit sich bringt, integriert.
„Flüssig“ ist dabei nicht nur das Gegenteil zu einer Theologie, die ich als zunehmend erstarrt und lebensfern empfinde, sondern sybolisiert auch das Wasser, das alles durchdringt und durch die kleinsten Ritzen fliesst.
Dass man „Theologie“ schwerlich mit einem so groben Raster gerecht werden kann wie ich es hier verwende ist mir übrigens klar. Dennoch ist es manchmal gut, alles durch ein grobes Sieb zu schütten um einen Punkt klar zu machen.
Königstochter schrieb am
15. September 2007 um 09:09Ich finde den Vergleich schön – mir fällt dazu ein, dass jede Flüssigkeit die Form des Gefäßes annimmt, in das sie gegossen wird, dabei aber selbst nicht verändert wird.
Ich bin Gott so dankbar, dass Er uns nicht alle in dieselbe Form presst („was nicht passt, wird passend gemacht“), sondern mit jedem individuell handelt – auf der Grundlage der immer gleichen Wahrheit…
monkeyman schrieb am
15. September 2007 um 15:03Danke Königstochter,
sehr schönes Bild, mit der Flüssigkeit und dem Gefäß.