In Psalm 22 verschmilzt die Biographie Davids in einzigartiger Weise mit einer Prophetie auf Jesus hin. Ohne das weiter nachgeforscht zu haben glaube ich, dass man es öfter so in den Schriften der Propheten des Alten Bundes finden kann. Sie erlebten und erlitten visionär Dinge, die nicht zu ihrem eigenen Leben gehörten sondern messianische Prophetie sind. Es ist eine der Sachen, die das AT manchmal so schwer verständlich erscheinen lassen, dass vieles, was universelle Bedeutung hat im Gewand der Biographie des Propheten oder eines Königs der damaligen Zeit daherkommt. Ohne Gottes Geist ist es nicht möglich, hinter die Fassade zu schauen und zu sehen, was der Herr uns hier und heute sagen will.
In Psalm 22 ist es aber noch recht einfach, denn die Stellen die auf Jesus hinweisen sind nicht besonders chiffriert.
17 Viele Hunde umlagern mich, / eine Rotte von Bösen umkreist mich. Sie durchbohren mir Hände und Füße.
18 Man kann all meine Knochen zählen; sie gaffen und weiden sich an mir.
19 Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand.
Dass Hände und Füsse bei der Kreuzigung durchbohrt werden ist für uns, die wir mit einem gewissen Wissen über die Geschichte Jesu aufwachsen, eine bekannte Tatsache. Aber David schrieb diesen Psalm Jahrhunderte bevor das Kreuzigen als Hinrichtungsmethode eingeführt und bekannt wurde. Er konnte im natürlichen nichts erlebt haben, was dem auch nur ähnlich kam und selbst wenn er etwas kluges über den kommenden Messias hätte sagen wollen wäre es kaum möglich gewesen, sich das auszudenken.
Auch, dass Jesus danach, am Kreuz hängend angegafft wurde ist eine heftige Prophetie. Manchmal würde ich gerne den Heiligen des Alten Bundes über die Schulter schauen wenn sie solche Offenbarungen über Jesus bekamen. Bei manchen, speziell bei Jesaja, habe ich fast das Gefühl, dass sie mehr vom Evangelium begriffen haben als heutzutage die meisten Christen in Deutschland. Was ist Prophetie für ein Schlüssel zu geistlicher Erkenntnis!
Der 19.Vers ist noch einmal klarer. Es war zu Jesu Zeiten üblich, dass die Soldaten die Klamotten der Hingerichteten zerschnitten und untereinander aufteilten. Dass sie um Jesu Gewand das Los warfen war menschlich nicht vorhersehbar und ist wohl darauf zurückzuführen, dass Jesus ein Gewand an hatte, dass ohne Naht gewebt war. So etwas hatten die römischen Soldaten noch nie gesehen und das konnten sie einfach nicht zerschneiden.
Als ich noch mehr Interesse an Apologetik hatte waren solche Stellen natürlich eine gefundenes Fressen. Mittlerweile sehe ich es aber eher so, dass geistliche Dinge geistlich beurteilt werden müssen. Kaum jemand lernt Gott aus reiner verstandesmässiger Überzeugung kennen. Es ist Gottes Geist, der zur Busse leitet und ich konzentriere mich lieber mehr auf Gottes Gegenwart und Kraft als auf Verstandesargumente. Vielleicht liegt es aber auch einfach daran, dass ich kein Evangelist bin und mich relativ wenig damit auseinandersetze wie man das Evangelium erklären kann…
Was mich aber noch mehr interessiert als der prophetische Aspekt ist der psychologisch-geistliche. Psalm 22 ist für mich eine phantastische Beschreibung einer Reise in Gottes Gegenwart. Vielleicht sticht dieser Aspekt deshalb so stark für mich hervor weil ich diesen Weg selber oft gegangen bin. Das, was mich am Wort meistens am meisten begeistert ist wenn ich etwas in ihm finde was ich selber erlebt habe. Es passiert sehr häufig, dass ich etwas lese und einfach nur denke: “ja! das kenne ich auch.” Oder eben: “ah, so geht das…” David betritt die Gegenwart in mehreren Phasen.
1) Totale Ich-Bezogenheit
2 Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, bist fern meinem Schreien, den Worten meiner Klage?
3 Mein Gott, ich rufe bei Tag, doch du gibst keine Antwort; ich rufe bei Nacht und finde doch keine Ruhe.
Wie oft komme ich so zu Gott und brauche erst einmal eine ganze Weile um ihm alles zu sagen, was mich gerade bewegt? Ich bin relativ sicher, dass ich nicht der einzige bin, dem das so ergeht. Das Herz ist voll bis zum Überlaufen und man denkt an alle Probleme die man hat, an alles mühsame und unangenehme, das einem in der letzten Zeit widerfahren ist und an allen Durchbruch für den man gerade glaubt und betet. Diese Phase ist wichtig und nötig um das Herz zur Ruhe zu bringen und Gottes Stimme hören zu können. Wenn wir uns diese Phase nicht nehmen, wird es nachher schwer Gott zu hören weil immer etwas zwischen uns und ihm steht.
Wichtig ist, dass es nur eine Phase bleibt. Wenn das ganze Gebetsleben nichts anderes ist als mangelorientiertes Bitten, dann kann Gebet gar nicht aufbauend sein. Wenn Gebet nur Introspektion ist und das Wühlen in den eigenen Problemen, dann ist es doch klar, dass es keinen Spass macht. Manche Christen beten jeden Tag und finden es von Woche zu Woche mühsamer und unerbauender. Meistens liegt es daran, dass sie es nie schaffen den Blick über ihre Anliegen und Probleme zu erheben und Jesus zu sehen.
2) Erinnerung an Gottes Grösse
4 Aber du bist heilig, du thronst über dem Lobpreis Israels.
5 Dir haben unsre Väter vertraut, sie haben vertraut, und du hast sie gerettet.
6 Zu dir riefen sie und wurden befreit, dir vertrauten sie und wurden nicht zuschanden.
Wenn wir in Gottes Gegenwart hineinbeten muss immer der Moment kommen an dem wir sagen: “Stopp! Genug um uns selber gedreht, ich bin wegen Jesus hier.” Mir hilft es, mich bei dieser Wende an etwas zu erinnern was Gott gemacht hat. Ob das aus meinem eigenen Leben kommt oder aus dem Leben eines anderen ist egal. Man kann an die grossen Taten denken, die Gott an den Vätern getan hat oder eben an besonders bedeutsame eigene Erinnerungen.
Ich versuche, ein Journal zu führen um mir Dinge zu merken. Mal mache ich das auf Papier, dann benutze ich ein moleskine, oder ich mache mir Notizen im Rechner. Derzeit teste ich die Software Journler für den Mac, mit der auch dieser Blogeintrag geschrieben ist.
Diese Phase ist selten schon der Durchbruch. Üblicherweise ist es eine Phase. Mal klappt es ganz gut, dann kommen wieder Gedanken an alles Mögliche hoch, man dreht sich wieder um sich selbst, dann um Gott, denkt wieder an etwas Doofes, wieder an Gott usw. So ist es auch David gegangen und sein Nachdenken über die eigenen Probleme fängt erst jetzt richtig an.
7 Ich aber bin ein Wurm und kein Mensch, der Leute Spott, vom Volk verachtet.
8 Alle, die mich sehen, verlachen mich, verziehen die Lippen, schütteln den Kopf:
9 «Er wälze die Last auf den Herrn, der soll ihn befreien! Der reiße ihn heraus, wenn er an ihm Gefallen hat.»
10 Du bist es, der mich aus dem Schoß meiner Mutter zog, mich barg an der Brust der Mutter.
11 Von Geburt an bin ich geworfen auf dich, vom Mutterleib an bist du mein Gott.
12 Sei mir nicht fern, denn die Not ist nahe, und niemand ist da, der hilft.
13 Viele Stiere umgeben mich, Büffel von Baschan umringen mich.
14 Sie sperren gegen mich ihren Rachen auf, reißende, brüllende Löwen.
15 Ich bin hingeschüttet wie Wasser, / gelöst haben sich all meine Glieder. Mein Herz ist in meinem Leib wie Wachs zerflossen.
16 Meine Kehle ist trocken wie eine Scherbe, / die Zunge klebt mir am Gaumen, du legst mich in den Staub des Todes.
17 Viele Hunde umlagern mich, / eine Rotte von Bösen umkreist mich. Sie durchbohren mir Hände und Füße.
18 Man kann all meine Knochen zählen; sie gaffen und weiden sich an mir.
19 Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand.
20 Du aber, Herr, halte dich nicht fern! Du, meine Stärke, eil mir zu Hilfe!
21 Entreiße mein Leben dem Schwert, mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde!
22 Rette mich vor dem Rachen des Löwen, vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen!
Interessanterweise findet die grosse messianische Prophetie gerade in dieser Phase statt. So geht es oft, dass in der Phase in der das Menschliche mit dem Göttlichen durchmischt ist auch Gottes Reden stattfindet. Es ist ein grosser Unterschied ob jemand klagt, der Gott nicht kennt oder ob ein wiedergeborener geisterfüllter Christ in Gottes Gegenwart dem Allmächtigen seine Probleme hinwirft. Den einen wird sein Klagen weiter von der Lösung entfernen, den anderen wird es näher zu Gott und damit zur Lösung seines Problems führen.
3) Durchbruch und Sendung
Schliesslich kommt es zum Durchbruch in Gottes Gegenwart. In dieser Gegenwart hören alle Sorgen und Nöte auf und Gottes Herrlichkeit umgibt uns. Niemand könnte in der Gegenwart des Allmächtigen stehen und sich sorgen. Das geht einfach nicht. Der Herr regiert und wer den Herrn auf dem Thron sieht, dessen Perspektive muss sich einfach verändern.
Interessant ist meiner Erfahrung nach, dass Gottes Gegenwart nicht nur dazu führt die Dinge ins rechte Licht zu rücken, sondern wir in ihr auch wieder einen Auftrag empfangen. Für David hiess das, den Namen des Herrn wieder verkünden zu wollen. Andere mögen mit einer neuen Liebe zu den Verlorenen gesegnet werden. Ich empfange meistens Erkenntnisse für Bücher, Predigten, Lehren oder strategische Pläne. Man kann kaum in der Gegenwart Gottes stehen ohne als Apostel, als Gesandter wieder herauszukommen.
Manchmal machen sich Christen Sorgen um die Beter und fragen sich, ob man sie noch in der Gemeinde, im “praktischen Dienst” gebrauchen kann. Es ist die Situation wie bei Maria und Martha, die einen fragen den Herrn, ob die anderen nicht auch mal mitarbeiten können. Diese Sorge ist grundlos. Man kann nicht faul in Gottes Gegenwart sein.
20 Du aber, Herr, halte dich nicht fern! Du, meine Stärke, eil mir zu Hilfe!
21 Entreiße mein Leben dem Schwert, mein einziges Gut aus der Gewalt der Hunde!
22 Rette mich vor dem Rachen des Löwen, vor den Hörnern der Büffel rette mich Armen!
23 Ich will deinen Namen meinen Brüdern verkünden, inmitten der Gemeinde dich preisen.
24 Die ihr den Herrn fürchtet, preist ihn, / ihr alle vom Stamm Jakobs, rühmt ihn; erschauert alle vor ihm, ihr Nachkommen Israels!
25 Denn er hat nicht verachtet, nicht verabscheut das Elend des Armen. Er verbirgt sein Gesicht nicht vor ihm; er hat auf sein Schreien gehört.
26 Deine Treue preise ich in großer Gemeinde; ich erfülle meine Gelübde vor denen, die Gott fürchten.
27 Die Armen sollen essen und sich sättigen; / den Herrn sollen preisen, die ihn suchen. Aufleben soll euer Herz für immer.
28 Alle Enden der Erde sollen daran denken / und werden umkehren zum Herrn: Vor ihm werfen sich alle Stämme der Völker nieder.
29 Denn der Herr regiert als König; er herrscht über die Völker.
30 Vor ihm allein sollen niederfallen die Mächtigen der Erde, vor ihm sich alle niederwerfen, die in der Erde ruhen. [Meine Seele, sie lebt für ihn;
31 mein Stamm wird ihm dienen.] Vom Herrn wird man dem künftigen Geschlecht erzählen, /
32 seine Heilstat verkündet man dem kommenden Volk; denn er hat das Werk getan.
6 Kommentare
Ein Pingback
-
[…] aus dem Alten Testament: Sie verteilen unter sich meine Kleider und werfen das Los um mein Gewand. (Psalm 22,19 nach der […]
Björn schrieb am
1. September 2007 um 13:29Habe den Psalm 22,gerade mal mit den „Volxbibelpsalmen“ / „Psalm 22″ verglichen und was du schreibst:
Zitat:(…)“Diese Phase ist selten schon der Durchbruch.Üblicherweise ist es eine Phase.Mal klappt es ganz gut,dann kommen wieder Gedanken an alles mögliche hoch,man dreht sich wieder um sich selbst,dann um Gott,denkt wieder an etwas doofes,wieder an Gott usw.So ist es auch David gegangen und sein nachdenken über die eigenen Probleme fängt erst jetzt richtig an“.
Ich fühle mich mit diesem post durchaus angesprochen.Auch ich prüfe,hinterfrage,reflektiere und versuche Dinge in neuem Licht zu sehen.
Dies finde ich in diesem post in besonderem Maße sehr tiefgründig.
Respekt,Hut ab!
der Björn
p.s.Ich war gestern in Dillenburg auf meiner Bank.Man sagte mir:“in der Zahlenfolge der Bankverbindung fehle eine null“!Kannst ja mal auf deinem „Support“ nochmal nachguck´n!
Ich hoffe aber das der monatliche „kleine Dauerauftrag“ dennoch gut ankommt.
Vielleicht kann man mit dem Verwendungszweck:“Pizza essen“ja jemandem eine kleine Freude machen.
Alles liebe… *jesus-rocks* 🙂
Björn schrieb am
1. September 2007 um 13:38p.p.s.
@all – ich meine damit nicht das der Storch jetzt von jedem mit pizzen übersät wird.Aber jeder Euro kann helfen für Gottes herrliches Reich!
*world wide pizza is in your land*
der Björn 🙂
storch schrieb am
1. September 2007 um 21:43hey björn, das ist nett. danke!
und: du hast recht, aber jetzt stimmt die zahl. nicht sehr professionell…
Björn schrieb am
2. September 2007 um 03:39Jau,cuul… 😉
Christina schrieb am
12. März 2009 um 14:30hallo,
bin gerade zufällig bei meinen recherchenüber psalm 22 auf diese seite gestoßen. ich hab am 23.3. theologie prüfung und mien thema ist die markinische passionsgeschichte. ich soll dabei auch bezug nehmen auf psalm 22. ich mein mir ist klar dass jesus gewissermaßen diesen psalm am kreuz betet bzw durchlebet.aber ich weiss nicht, was ich noch dazu sagen könnte. wenn jmd eine idee hat wie ich meinen prüfern die verbindung von psalm 22 zur markinischen passionsgeschichte klarmachen kann würde ich mich sehr darüber freuen.
liebe grüße
storch schrieb am
13. März 2009 um 17:13Hallo Christina,
herzlich willkommen hier. Leider habe ich gerade überhaupt keine zeit, dir auf diese frage zu antworten. ich hoffe aber, dass es jemand anders tut!