19. Dezember 2006 7
Zeugnis geben
Ich schreibe gerade an einem zeugnishaften Kapitel für ein Buch. Es ist kaum zu glauben wie schwer es ist, den eigenen Lebenslauf genau wiederzugeben. Liegt es daran, dass ich den grössten Teil meines Erwachsenenlebens entweder von Drogen oder vom Geist breit war :-), oder geht das allen so?
Ich kann mich genau erinnern was war und wie es war, aber ich weiss nicht mehr wann es war. Ich habe eine Unmenge Erinnerungen die ich zeitlich nicht 100%ig einordnen kann. Das ist natürlich schlecht weil es so schwer ist im Nachhinein zu beurteilen was Ursache, was Wirkung und was Koinzidenz war. Ich habe schon einmal einen Post über die Möglichkeit geschrieben, dass man mit einer fiktiven Vergangenheit lebt, und daran hat sich wenig geändert. Leider habe ich nie Tagebuch geführt und auch erst seit ein paar Jahren einen Kalender, so dass es mit sinkender Jahrezahl immer schwerer ist biographische Fixpunkte zu finden. Tja, so ist das dann wohl. Ich hoffe, ich bin nicht der einzige, der so ein Problem hat…
6 Kommentare
Ein Pingback
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[…] in der Zukunft, dass mir die Vergangenheit einigermassen schnurz ist. Nun muss ich es aber tun, ich schreibe gerade zehn Seiten über meine geistliche Entwicklung bis hin zu dem, was ich jetzt gerade tue. […]
andichrist schrieb am
19. Dezember 2006 um 08:49liegt wahrscheinlich daran, dass wir uns eher an die emotionen der damit verbundenen ereignisse erinnern, jeh stärker dass gefühl, desto stärker die erinnerung. ( so wie du schreibst, dass du dich am besten erinnerst, als du breit warst ).
ist man an einem ort an dem man lange nicht mehr war, kommt erst das gefühl, dann die erinnerung, so ist das halt. unser gedächnis ist nicht biografisch, es ist emotional, es speichert gefühle, keine daten.
wenn du mit drogensüchtigen arbeitest können die dir die tollsten dinge von ihren räuschen erzählen, aber selten den ort und die zeit oder dies nur grob, oder schlicht falsch.
ein gutes buch über die funktion von unserem gedächnis hat L. Terr geschrieben, geht zwar um Trauma, ist aber viel Neurobiologie und wie das mit dem erinnern so ist drin : L. Terr, Schreckliches Vergessen, Heilsames Erinnern, Knaur Verlag.
Dieter schrieb am
19. Dezember 2006 um 09:35Freu dich, ich weiß weder wann noch was. Freunde die mit mir in der Schule waren oder in der Ausbildung erzählen mir Geschichten die ich kennen müßte, mir kommt es aber so vor als ob ich viele zum ersten mal hören würde… Keine Ahnung warum…
haso schrieb am
19. Dezember 2006 um 12:43komm erst einmal in mein alter 😉
das Jan schrieb am
19. Dezember 2006 um 20:51Kenne ich eher nicht das Problem – jedenfalls nicht bei meiner persönlichen Geschichte [bei der Menschheitsgeschichte dann doch eher – mit dem Wann? :)]. Ich bin wie bei so vielem auch in Erinnerung extrem sensibel, so dass es bei mir sogar eher vorkommt, dass ich mich an Dinge und Situationen erinnere, die ich angeblich – wenn ich es mit Aussagen anderer – nicht „wirklich“ erlebt habe, sondern dass ich scheinbar Träumen und Visualisierungen von Emotionen den gleichen Raum in meinem Gedächtnis gegeben habe, wie jeder anderen Erinnerung auch.
Das liegt vermutlich auch daran, dass ich teilweise so komplex Träume, dass die „gefühlte“ Zeit bis zu mehreren Tagen Erleben innerhalb einer Nacht Schlaf reicht.
Da ich insbesondere in meiner Kindheit sehr viele dieser intensiven Traumerfahrungen hatte und die eher im Laufe der Jahre weniger geworden sind, schätze ich kaum, dass dieses Phänomen auf den ein oder anderen Drogen- oder Alkoholge- mißbrauch zurückzuführen ist.
Das Wort „fiktiv“ erscheint mir allerdings doch etwas zu hart. Ich würde vielleicht „konstruierte Vergangenheit“ dazu sagen.
Und zu guter letzt noch ein kleines Selbstzitat: „Vergangenheit sei statisch, lehrt die Wissenschaft, wobei sie – wie so oft – vollkommen unrecht hat.“
Rock On!
das Jan
Kerstin schrieb am
19. Dezember 2006 um 21:03Man muss eigentlich nur jedes Jahr einmal umziehen. Dann weiß man immer, wo man bei Ereignis xy grade gewohnt hat, weil sich das mit den Erinnerungen aus der Zeit verknüpft und kann ausrechnen, welches Jahr das war. Ich sprech da aus Erfahrung. *g*
cate schrieb am
21. Dezember 2006 um 14:53jan erzaehlt von meine traume auch.. manchmal echt lebendiger als die wirklichkeit, schon vom kindheit an.. und ich kann mich daran auch viel besser errinern. es nervt! wo sind die altagserrinerungen?? dass ist echt ne problem bei mir.. ich meine, ich bin 27 und hab noch nie drogen genommen: wieso kann ich mich an mein leben nicht errinern? vergangenheit- weg. sogar gestern- verblasst. den junkies die ich betreue koennen mit mehr zuverlaessigkeit ueber erreignisse berichten als ich.
und kerstin, ich bin neun jahre lang spaetestens nach 4 monate umgezogen. jetzt weiss ich nicht mehr alle orte… ich muess wirklich mit ne stift und kalender hinsetzten und ueberlegen um rauszufinden in welcher jahr ich wo gewohnt habe und was dort passiert ist….
mein bruder sagt, dass menschen mit besonders viel kontakt zu schwierige lebenssituationen und tod oft solcher errinerungsprobleme haben (aerzte und so) weil sie einen andere wahrnehmung von „wichtig“ haben als ein durchschnittsmensch. da wolt ich paul straight mal fragen oder so.. oder bin ich nur besonders verbloedet?
-die oma cate