06. November 2006 15

theologische Qualität

Beim Staubsaugen habe ich über ein Thema nachgedacht, das mich naturgemäss ziemlich regelmässig beschäftigt: was macht die Qualität einer Theologie aus? Anders gefragt: was ist gute und was ist schlechte Theologie?
Mir fiel auf, dass ich früher in meiner Ansicht sehr deutsch geprägt war. Theologie musste „ausgewogen“ sein, was bedeutet, dass sie nicht zu festgelegt sein sollte sondern zu jeder Seite auch die Gegenseite bringt und damit zum eigenen Nachdenken anregt. Ausserdem sollte sie „tief“ sein, was bedeutet, dass sie intellektuell sein sollte. Beides sind wichtige Werte in der deutschen Theologie, gerade Tiefe. Ein „gutes“ theologisches Buch sollte immer etwas dunkel und schwer verständlich sein. Fachbegriffe sollten reichlich verwandt werden und die geschichtlichen und sprachlichen Wurzeln eines jeden Dinges beleuchtet werden.
Mittlerweile neige ich eher der amerikanischen und generell der „anfassbaren“ Theologie zu. Anders als bei uns wird woanders gute Theologie als etwas empfunden was Resultate bringt. Während man sich hierzulande auf geistige Autoritäten stützt unter denen Luther, Augustinus und Platon selten fehlen dürfen, bekommt amerikanische Theologie ihre Autorität durch Erfolge. Das ist natürlich stark vereinfacht und ich weiss auch, dass es immer schwierig ist, die Denkweisen von Millionen Menschen länderweise zu pauschalisieren, aber ich denke dass das Prinzip deutlich wird, oder? Hört man amerikanische (oder afrikanische) Prediger, dann geht es darum, dass der Dienst 10.000e geheilt und 100.000e bekehrt hat. Solche Zeilen würde jeder deutsche Prediger und Theologe peinlich finden. Ausser Reinhard Bonnke, aber der geht mittlerweile schon als Afrikaner durch ;-).

Je mehr der Dienst und Gottes Reich in meiner Prioritätenliste steigen umso mehr verändern sich meine theologischen Werte. Mit deutscher Betrachtungsweise ist bspw. Kenneth Hagin ein ganz schön schlechter Theologe; all sein Fachwissen scheint aus zweiter Hand zu sein, schnell angelesen (zu seiner Zeit googelte man sich noch nichts an). Aber ich liebe seine Theologe, denn ich sehe, dass sie wirkt. Ich bin zunehmend bereit Ausgewogenheit gegen Erfahrbarkeit zu tauschen. Ideal wäre beides, aber im Zweifel verändert nicht eine gute Exegese die Welt sondern eine tiefe Gottesbeziehung.
Der grösste Unterschied zwischen unserer Art Theologie zu leben und der amerikanisch/afrikanischen scheint zu sein, dass man hüben mit dem Verstand zu Werke schreitet während drüben der Geist zum Einsatz kommt. Da fällt die Wahl doch leicht…

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13 Kommentare

  1. Oder Ausgewogenheit zwischen Ausgewogenheit ( wie Du sie beschrieben hast ) und Erfahrbarkeit?
    Ich denke, je intellektueller, desto mehr werden eben intellektuelle Menschen angesprochen, die dankbar dafür sind, im Glauben auch noch denken zu dürfen. Das ist eine Zielgruppe. Die andere ist die, die nicht soviel Wert auf Nachvollziehbarkeit und denkerische Basis legt und von anderen erlebtes hinnehmen kann und sich mitfreut. Eine gute Theologie muss das Gegenüber erreichen ( denke ich ). Das macht sie gut. Ok, und sie sollte die Wahrheit vertreten, aber das versteht sich von selbst.
    Ich habe mal eine Auslegung / Übersetzung des „und es war gut“ gelesen. Da hieß es, dass dieses Gut in diesem Zusammenhang bedeutet: Gut für etwas / zweckdienlich.
    Theologie sollte den Menschen erreichen, berühren, ihn zu Gott hinführen. Und die Menschen sind so verschieden. Was den einen verschreckt, hilft dem anderen. Das ist eine Zwickmühle. Zuviel Intellekt lässt dem Geist keinen Platz mehr zu wirken ( kann passieren ). Zuwenig ( darf man das überhaupt sagen? ) kann möglicherweise in die Irre führen. Ungeprüftes Übernehmen jeder Fremderfahrung ist eine gute Basis für Irrlehrenverbreitung. Und auch für Blockaden.

    Ich stimme Dir aber zu dass Erfahrbarkeit bestimmt oft zu kurz kommt. Dass Menschen sich in Theorie verstricken, tief, dunkel und schwer und je intellektueller der Dialog, desto wertvoller scheint er…

    Das Kind, dass mit Gott einen deal aushandelt: Mach, dass mir nicht mehr schlecht is und ich bin heut ganz artig zu Mama… handelt gegen jede Theologie. Gott sei Dank! kennt es noch keine.

    Aber dann wird man älter und beginnt nachzudenken. Man braucht schon auch Theorie um Glauben leben zu können. Auf der anderen Seite des Pferdes runterzufallen bringt nichts ( nich, dass Du das vorhattest 😉 )

    Man könnte mein ganzes Geschreibsel zusammenfassen in:
    Die goldene Mitte ist wahrscheinlich am sinnvollsten.

    Liebe Grüße
    Trülo

  2. Jau,Bonke is´n cooler Preacher…
    Charisma on stage! Wow…

    hehehe

  3. wenn man verschiedene theologien einander gegenüberstellt und logischerweise unterschiede feststellt, finde ich es schade, wenn man dann zum schluss kommt, die ist generell besser als jene.
    wenn man das ganze bild betrachtet und mal theologie aus den gemeindesäälen und kirchen rausholt, sieht dann auch die amerikanische theologie (wie oft auch die in europa) nicht mehr so wahnsinnig rosig aus. g.w.b hätte ohne die stimmen der christen keine chance. da werden 10.000 in amerika an einem kongress geheilt, das ist schön und sehr gut, dummerweise werden am selben tag x-tausende verhungern und ermordet, weil der gute präsident (und seine z.t. christliche gefolgschafft) dies und das nicht will und der irak sowieso massenhaft massenvernichtungswaffen besitzt. also mein schluss daraus ist:
    prüfet alles das gute behaltet. es gibt bestimmt ansätze in der „amerikanischen theologie“ welche ein typisch „deutscher“ thologe sich mal gut überlegen sollte. dies ist aber bestimmt auch umgekehrt (nicht weniger) der fall.

  4. Ich stimme meinem Vorredner in weiten Teilen zu.

    @storch: Fällt es dir wirklich leicht, zwischen Geist und Verstand zu wählen? Wirkt der Geist nicht vielleicht manchmal auch durch meinen Verstand oder durch den anderer Leute? Und kann „geistliches“ nicht manchmal auch einfach nur erfunden, gespielt oder Einbildung sein?
    Mir fällt es in dem Bereich enorm schwer, mich für eins von beiden zu entscheiden.

    Zu meinem Vorredner möchte ich noch sagen: Die goldene Mitte ist das Ideal. Allerdings fällt jeder Mensch (meiner Meinung nach) in seinem Leben ständig von einer Seite des Pferdes auf die andere. Mein Bestreben ist, die goldene Mitte zu halten. Was ist aber mit den Menschen, die sich für eine von beiden Seiten entschieden haben und diese mit Inbrunst vertreten? Mit solchen Menschen habe ich die größten Probleme. Vor allem, weil ich früher selbst so war und eigentlich nicht wieder so werden möchte.

    Und noch ein letztes: Der Mensch liebt die Einfalt, Gott liebt und will die Vielfalt.

  5. Hi Sam,

    falls ich der Vorredner war ( ich erwähnte die goldene Mitte ). Die Menschen, die sich ganz der ein oder anderen Seite verschrieben haben laufen Gefahr über ihre Geschwister drüberzutrampeln.
    Gott sieht ins Herz.
    Der Mensch nicht.
    ( Naja, manchmal schon, aber das ist dann ein Seelsorgeglücksfall ).

  6. Ich finde es dennoch spannend, dass charismatische Heilungstheorie, die durch Wirksamkeit überzeugt, oft sehr unterschiedlich ist. Auch in fast grundlegenden Fragen. Der eine sagt, dass Heilung so funktioniert, der andere so. Es gibt Heilung auch in den meisten Denominationen.
    Ich habe das Gefühl, dass Gott nicht erst den Theologietest macht bevor er Dinge segnet, sondern dass er auf Leute eingeht, die mit ihm etwas starten wollen. Vielleicht ist es da gar nicht so sinnvoll, Theologie und deren Wirksamkeit in einen Topf zu hauen. Obwohl man sich natürlich fragen muss, ob Theologie Dinge auslässt oder verhindert oder so.

  7. Ich würde es nicht goldener mittelweg nennen, aus diesem grund:
    Goldener mittelweg tönt für mich zu sehr nach kompromiss!
    Ihr (sam und trülo) habt es sehrwahrscheinlich nicht so gemeint, aber wenn der goldene mittelweg bedeutet, dass alle einwenig recht haben und man deshalb von hier und von da ein wenig nehmen kann und so zu einem schluss kommt, macht man es dadurch so vielen wie möglich recht hat aber trotzdem nicht zwingend die beste lösung/methode/… gefunden.
    bleiben wir mal beim „deutsch“ vs. „amerikanisch“
    Ich glaube, dass in einigen themen die „deutschen“ falsch liegen und man sich lieber nach den „amerikanern“ ausrichtet und genau so denke ich ist es auch umgekehrt. Es ist wichtig, dass wir lernen von einander zu lernen!

    Wenn man sagt die „amerikanische“ ist besser als die „deutsche theologie“, dann müsste im grossen und ganzen mehr gutes dabei rauskommen. Es ist sehr schwer, das nach zu prüfen, aber ich denke schlussendlich stinkt die kacke über dem meer recht ähnlich wie hier. Wenn man alles einbezieht, wo theologie schlussendlich einfluss drauf hat (politik, gesellschaft, usw.) dann sieht es da oder dort schlussendlich nicht besser oder schlechter aus, sondern anders! (das selbe gilt auf für afrika)

  8. mit der politik bringt ihr natürlich ein thema ins spiel, das ich nicht auf dem schirm hatte. ich finde es schon bemerkenswert, dass ein beliebiger amerikanischer prediger leidenschaftlich über gottes liebe für alle menschen reden kann und sich zwei sätze später für den einsatz von massenvernichtungswaffen gegen vermeintlich terroristen einsetzt. seltsam!

    @ tobuk: diejenigen bei denen heilung „funktioniert“ haben schon eine recht ähnliche theorie. bei denen, die eine andere theologie haben kommt heilung eher sporadisch vor; vermutlich wenn jemand eine heilungsgabe in ausgeprägtem masse hat.

  9. Wenn sie denn wirklich stattgefunden hat, die Heilung.

    Goldener Mittelweg nur als Kompromiss?
    Hm.
    Ne.
    Eher Party machen mit theoretisch/theologischem Hintergrund, also auf Bibelbasis. Die Basis ist und bleibt das Wort, anderes kann brandgefährlich werden.
    Ich glaube, dass Satan sich unglaublich gut verstellen kann bzw. Menschen benutzt. Diese Handlungs- und Wunschtheologie der Amis geht Richtung Wohlstandsevangelium und da ist eine meiner(!) persönlichen Akzeptanzgrenzen überschritten. Aber das ist ja wieder die eine Seite vom Pferd.

    LG
    Trülo

  10. @storch: das stimmt schon (ich glaube, du hast auf meinen comment geantwortet). aber ich finde es auch innerhalb der charismatischen szene spannend, dass gott in zwei gemeinden, die sich vielleicht gegenseitig als „der falsche weg“ bezeichnen würde, am start ist und wunder wirkt (ist jetzt ein wenig überspitzt). wie siehst du das, wie weit handelt gott auch mit jemand, der eine falsche (heilungs-, prophetie-,…) theologie hat so, wie als ob sie richtig wäre?

  11. Das wird aber schwierig… was ist denn „falsche Theologie“? Gibt es sie überhaupt.

    Für mich wäre eine „inakzeptable Theologie“ eine, die von Jesus wegführt / wegweisst.

    Vieles andere ist „Auslegungs-“ / „Glaubensfrage“. Ansonsten kommen wir ganz schnell zum altbewährten Fundamentalismus (der auch eine Seite vom Pferd darstellt.

    Ich finde schon, das ich mir auch allen möglichen Theologien das für mich „wahrscheinlichste“ / „glaubwürdigste“ rausziehe. Aber nur von solchen, die wirklich in Richtung Christus gehen und nicht von ihm weg führen.

    Goldener Mittelweg wäre demnach nicht so gemeint, dass alle „irgendwie“ recht haben, sondern dass in vielen theologischen Ansätzen etwas richtige steckt. Ob und wie oft man da Kompromisse machen muss, weiß ich nicht bzw. kann ich jetzt so schnell nicht beurteilen.

  12. Ich bin zwar kein Theologe, aber wenn ich von „erfolgsorientierter“ Theologie höre, überfällt mich das kalte Grausen. Gerade Rheinhard Bonnke hantiert mit völlig unnachprüfbaren Zahlen. Wie sollte man denn so etwas messen? Mit ausgefüllten Kärtchen? Gerade diese „erfolgsorientierten“, amerikanischen Prediger arbeiten hauptsächlich mit Pathos und sprechen Menschen fast ausschliesslich auf einer Gefühlsebene an, was sich dann ganz leicht und völlig unprüfbar mit Heiligen Geist rechtfertigen lässt.

    Das ist auch ein Grund, warum ich mich in charismatischen Gottesdiensten IMMER unwohl fühle. Aufgrund meiner Geschichte halte ich es eher für einen Vorteil, bei solchen Gelegenheiten immer an einen Reichpartteitag erinnert zu werden. Eine Theologie, die es nicht schafft, Menschen auch intellektuell anzusprechen, halte ich für komplett danaben. Oder wie soll ich Paulus Forderung nach Nüchternheit verstehen?

  13. @sam k: O.K., falsche Theologie ist natürlich ein doofes wort, der comment war allgemein nicht so geschickt geschrieben. ich meinte eher, dass 2 gemeinden zu einer sache zwei verschieden ansichten haben, gott aber die gleichen dinge bei ihnen tut

2 Pingbacks

  1. […] “normale” Christen”? So sehr ich auch an “ergebnisorientierem” Missionieren zweifle – vielleicht könnte man ja doch etwas lernen von der bösen Welt. Und […]

  2. […] theologische Qualität beschreibt er, wie ihm beim Staubsaugen – welch eine segensreiche Tätigkeit – Akzentverschiebungen […]

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