28. August 2006 8

Verkläger der Brüder

Wer seinen Traum von einer christlichen Gemeinschaft mehr liebt als die christliche Gemeinschaft selbst, der wird zum Zerstörer jeder christlichen Gemeinschaft, und ob er es persönlich noch so ehrlich, noch so ernsthaft und hingebend meinte.
Gott hasst die Träumerei; denn sie macht stolz und anspruchsvoll. Wer sich das Bild von einer Gemeinschaft erträumt, der fordert von Gott, von dem Anderen und von sich selbst die Erfüllung. Er tritt als Fordernder in die Gemeinschaft der Christen, richtet ein eigenes Gesetz auf und richtet danach die Brüder und Gott selbst. Er steht hart und wie ein lebendiger Vorwurf für alle im Kreis der Brüder. Er tut, als habe er erst die christliche Gemeinschaft zu schaffen, als solle sein Traumbild die Menschen verbinden. Was nicht nach seinem Willen geht nennt er Versagen. Wo sein Bild zunichte wird, sieht er die Gemeinschaft zerbrechen. So wird er erst zum Verkläger der Brüder, dann zum Verkläger Gottes und zuletzt zu dem verzweifelten Verkläger seiner selbst. Weil Gott den einzigen Grund unserer Gemeinschaft schon gelegt hat, weil Gott uns längst, bevor wir in das gemeinsame Leben mit anderen Christen eintraten, in diesem Leibe zusammengeschlossen hat in Jesus Christus, darum treten wir nicht als die Fordernden sondern als die Dankenden und Empfangenden in das gemeinsame Leben mit anderen Christen ein. Wir danken Gott für das, was er an uns getan hat. Wir danken Gott dass er uns Brüder gibt, die unter seinem Ruf, unter seiner Vergebung, unter seiner Verheissung leben. Wir beschweren uns nicht über das, was Gott uns nicht gibt, sondern wir danken Gott für das, was er uns täglich gibt. (Bonhoeffer, gemeinsames Leben, München 1987, Seite 24)

Das spricht aus meinem Herzen. Ich habe einige Leute ihre eigenen Vorstellungen an Gemeinde herantragen und an diesen Vorstellungen zerbrechen sehen. Ich hatte schon völlig unrealistische Erwartungen an Gemeinde. Oft sind diese Erwartungen dann auch noch unausgesprochen, so dass ihnen gar nicht entsprochen werden kann. Nachfolge Christi ist eine Rückbesinnung auf Gottes Ideen und Visionen. Da, wo sich Gottes Vorstellungen und meine nicht in Deckung bringen lassen sind es meine Erwartungen, die angepasst werden müssen, nicht seine!

Be Sociable, Share!

8 Kommentare

  1. schönes zitat. bringt mich glatt in versuchung, auch noch mal einen neuen bonhoeffer-versuch zu starten.

  2. da bin ich mal kurz im urlaub und auf einmal stehen alle auf bonhoeffer. ich muss öfter wegfahren! ja, ein wirklich gutes buch-bonhoeffer sollte man jede erdenklich chance einräumen. zum thema traum fällt mir noch ein, das henri nouwen die „illusion“ als gegesatz zum gebet sieht, weil wir beim träumen vor der welt mit ihren problemen fliehen, aber im gebet uns zu ihnen hinwenden (müssen).

  3. Habe „zufällig“ auf deinen blog geschaut – weil es da immer wieder spannende Dinge zu erlesen gibt und weil ich deinen Besuch bei uns genossen habe – und fühle mich echt ertappt. Vielen Dank für dieses ermahnende Zitat. Ich muss/will umdenken. Verklägerin der Brüder und Schwestern zu sein ist eine harte Bezeichnung, aber trifft!

  4. mensch freddi, du bist ein wahrer zitate-born. freu mich, dich in wenigen wochen zu sehen. bis dann!

  5. hallo christine,
    willkommen hier. ich freu mich, dass du mal vorbeischaust. mir hat es auch sehr bei euch gefallen. alex kann immer noch nicht recht glauben, dass ich die zuchini im essen gemocht habe, heute habe ich wieder welche beiseite gelassen. aber die bei dir waren echt lecker.
    segen dir und alles liebe,
    storch

  6. ohlala.. ich geb ja zu dass mir hier das oft zu schwerer stoff ist, ums mal schnell zu lesen aber das bonhoeffer ding find ich echt passend… da wird man nachdenklich…

  7. Vielleicht gibt es ja auch einen guten Mittelweg zwischen Träumen und dem, was Bonhoeffer schreibt. Vielleicht hat er ja auch ein sehr spezielle Definition von Träumen. Aber Recht hat er auf jeden Fall auch.

  8. Sehr schönes Zitat!

    Im Begriff des Verklägers kommt meine ich am treffendsten zum Ausdruck, wer der Gegenspieler von Jesus Christus ist …

Schreibe einen Kommentar

Diese HTML-Tags und Attribute sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>