27. August 2006 1

ajekka

Als Rabbi Schnëur Salman, der Raw von Reussen, weil seine Einsicht und sein Weg von einem Anführer der Mithnagdim bei der Regierung verleugnet worden waren, bei Petersburg gefangen saß und dem Verhör entgegen sah, kam der Oberste der Gendamerie in seine Zelle. Das mächtige und stille Antlitz des Raw, der ihn zuerst, in sich versunken, nicht bemerkte, ließ den nachdenklichen Mann ahnen, welcher Art sein Gefangener war. Er kam mit ihm ins Gespräch und brachtebald manche Frage vor, die ihm beim Lesen der Schrift aufgetaucht war. Zuletzt fragte er: „Wie ist es zu verstehen, dass Gott der Allwissende zu Adam spricht: ‚wo bist Du?’“ „Glaubt Ihr daran“, entgegnete der Raw, „daß die Schrift ewig ist und jede Zeit, jedes Geschlecht und jeder Mensch in ihr beschlossen sind?“ „Ich glaube daran“, sagte er. „Nun wohl“, sprach der Zaddik, „in jeder Zeit ruft Gott jeden Menschen an: ‚Wo bist du in deiner Welt? So viele Jahre und Tage von den dir zugemessenen sind vergangen, wie weit bist du derweilen in deiner Welt gekommen?’ So etwa spricht Gott: ‚Sechsundvierzig Jahre hast du gelebt, wo hältst du?’“
Als der Oberst die Zahl seiner Lebensjahre nennen hörte, raffte er sich zusammen, legte dem Raw die Hand auf die Schulter und rief: „Bravo!“ Aber sein Herz flatterte. (aus: Martin Buber, der Weg des Menschen nach der chassidischen Lehre, Gerlingen 1960, Seite 7f)

Be Sociable, Share!

Ein Pingback

  1. […] [hier gibt es noch eine sehr schöne chassidische Geschichte zu dieser Bibelstelle. Unbedingt nachles…] […]

Schreibe einen Kommentar

Diese HTML-Tags und Attribute sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>