Während meiner kleinen Hiobreihe kamen vereinzelt Wünsche nach einer systematischen Hiobauslegung. Natürlich freut es mich sehr zu lesen, dass jemand einen Kommentar von mir kaufen würde und ich hätte manchmal sogar Lust, einen zu schreiben. Der Grund, warum ich es dennoch nicht tue ist, dass mir zum einen fachlich einiges an Wissen und Kompetenz fehlt, so kann ich beispielsweise kein hebräisch, zum anderen aber auch, weil meine Auslegungsweise recht „unorthodox“ ist.
Das ist mir besonders heute beim lesen aufgefallen. Mir geht es darum, den Text zu mir sprechen zu lassen, nicht darum, ihn zu verstehen. Bei vielen meiner Auslegungen könnte man mir nachsagen, dass sie nichts mit dem Text zu tun haben, bzw. weit über ihn hinausgehen. Damit meine ich nicht einmal, dass ich der allegorischen Auslegung und sogar der mittelalterlichen Quadriga durchaus zugetan bin (wie dieser post beweist). Vielmehr sehe ich jeden Bibelvers im grossen Gesamtzusammenhang der Bibel und beziehe ihn auf mein Leben. Ich lese Bibel und lege sie als Prediger aus. Deshalb nenne ich den Stil einfach mal „homiletisch“, das klingt irgendwie theologischer, gebildeter als „Predigerauslegung“.
Aus diesem Blickwinkel betrachtet ist es klar, dass die Texte mit einer gewissen Willkühr ausgelegt sind. Ihre Anwendung auf das Leben eines Heutigen ist wichtiger als zu verstehen, was sie damals genau bedeutet haben. Das Leben Hiobs liesse sich in wenigen Sätzen zusammenfassen und ebenso könnte man das ganze Buch sehr kurz auslegen, vielleicht mit einem einzigen Schlagsatz: „durch Leiden zur Fülle“. So würde Gott aber nicht zu uns sprechen. Im Gegenteil: manchmal spricht Gott gerade durch unscheinbare Nebensätze, die mit einem mal immens wichtig werden. Aber zu sagen, dass die homiletische Auslegung dieser Nebensätze das wäre, was der Text sagen will wäre falsch. Wenn etwa die Beschreibung der (Alp)träume Hiobs mich verleitet für prophetische Träume zu beten oder bat kol zu überdenken, geht das weit über den Text hinaus. Dennoch ist es richtig und wichtig, mich verändert es, bringt mich Gott näher. Nur ist es keine „Auslegung“ im klassischen Sinne.

In diesem Blog ist immer wieder die Rede von Auslegung, Exegese, Hermeneutik, Quadriga, Erkenntnis usf. Das ist ein Themenkomplex, der in meinem Denken eine grosse Rolle spielt. Ich gehe nicht unreflektiert an Gottes Wort heran sondern mache mir im Gegenteil sehr viele Gedanken über die Prinzipien meiner Theologie. Es ist bis zu einem gewissen Grad in Ordnung das nicht zu tun, aber irgendwann kommt der Punkt an dem es geistlich und wissenschaftlich unredlich ist zu exegieren ohne sich seiner Grundsätze im Klaren zu sein. Derzeit befinde ich mich noch mitten auf der Reise, noch bin ich mir nicht ganz über meine theologischen Werte und Sichtweisen im Klaren, werde das aber ändern. Einer der spannendsten Punkte ist dabei das Dreieck zwischen dem, was der Autor eines Bibelbuches sagen wollte, was Gott ihm und seinen Zeitgenossen sagen wollte (rhema) und dem, was Gott mir heute sagen will (aktualisiertes logos). Diese drei Eckpunkte stehen immer in einem Verhältnis zueinander, aber das Verhältnis ist dynamisch: es legt sich immer wieder neu fest.
In der historisch-kritischen Auslegungstradition liegt das Dreieck auf der Spitze „Autor“, es geht nur darum, was der Text den Menschen damals sagen konnte. Gott wird als Inspirationsquelle ausgeschlossen. In den meisten evangelikalen Auslegungen kommt der „Rhemaaspekt“ hinzu: die Frage ist oft, was Gott den Menschen damals sagen wollte (man geht davon aus, dass er uns heute dasselbe auch sagen will). In manchen charismatischen Auslegungen liegt das Dreieck auf der Spitze des „aktualisierten Logos“: seltsame Aussagen werden in die Bibel hineingelesen und als Gottes zeitüberdauerndes Wort an alle Menschen (und speziell uns heutigen) angesehen.
Für die homilietische Auslegung ist der Dreieckspunkt des „aktualisierten Logos“ der wichtigste. Rhema wird Logos in der Niederschrift. Logos wieder Rhema in der Erkenntnis. Das aktualisierte Logos ist also wieder direkte Ansprache Gottes. Wie das funktioniert ist der wichtigere Teil der „Metatheologiereihe“.

Natürlich bemühe ich mich darum, die anderen Punkte des Dreiecks zu berücksichtigen und möglichst nicht gering zu achten oder gar zu übergehen. Da das aber nicht immer gelingt liefere ich keine Auslegung, die im Sinne der meisten Theologien (und gerader systematischer Theologien) valide wäre. Deshalb schreibe ich keine Kommentare.

Vielen Dank fürs Lesen dieser theoretischen Grundlagen!

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4 Kommentare

  1. Ich find es echt gut, dass du dir diese wirklich wichtigen Gedanken machst. Ich denke es ist kein Problem, sich besonders mit einem Punkt des Dreiecks zu beschäftigen, wenn man dies bewußt tut. Und wenn man dies auch den Menschen, die die Gedanken über den Text lesen oder hören, mitteilt. Ich finde es trotzdem wichtig die jeweils anderen Ecken auch zu beachten. Sowohl die von dir beschriebene hist.-kritische als auch die charismatische Auslegung finde ich daher oft schwierig. Die Auslegungen, die ich von dir gelesen habe (ich gebe zu, dass ich nicht alle ganz lese ;-), fande ich nicht problematisch, da deine persönliche Herangehensweise gut erkennbar ist…

  2. na ja.

    grade beim Buch hiob muss man aber ein wenig aufpassen.. denn die ganze Argumentationskette wird ja gegen Ende des Buches von Gott sozusagen erstmal „durchgestrichen“..

    jedenfalls finde ich die Dialoge hochinteressant:
    (ungefähr so.. skizzert.. achtung, der folgende Ablauf ist sicherlich keine korrekte Zusammenfassung..)

    Hiob gehts nun wirklich dreckig.. seine drei Freunde bemerken das und wollen auf ihn eingehen.
    Erstmal setzen sie sich 7 Tage lang zu ihm und sagen wie er gar nichts. (krass)

    aber dann legen sie los..
    Hiob“ alles scheiße hier! Wär ich doch nie geboren. Warum hat gott mir das angetan?“
    F:“Nanana! So kannst du mit Gott nicht reden. Da ist irgendwas faul in deinem Leben“..
    Hiob: „nein. So ists nicht. Wo is Gott?“
    „nein, das kann nicht sein.. irgendwas stimmt nicht bei dir“
    Hiob:“Ach hört doch auf! Ich will mit Gott reden, der soll mir jetzt endlich ma erklären, was hier eigentlich los ist.“
    F:“aber da ist noch irgend eine unvergebene Sünde in deinem Leben!“
    …usw..
    bis hiob sagt: „So jetzt reichts aber. Wann haltet ihr endlich mal die Klappe. Schöne Freunde hab ich hier… ihr könnt euch eure klugen sprüche sonstwohin schieben! Wenn ihr ma sterbt – dann stirbt wahrscheinlich die Weisheit auch gleich mit. Echt jetz ma. Nu aber Ruhe. Es langt!“
    Dann kommt der vierte Freund zu Wort, welcher sihc erst mal zurückgehalten hatte, aus respekt vor den anderen.
    Na ja. Der sagt dann doch wohl ziemlich schlaue sachen, im Prinzip:
    „Hey.. Gott können wir nicht verstehen.. Gott ist mächtig, Gott ist groß..usw..habt Ehrfurcht vor Gott!“

    So. UNd dann fängt Gott selber an. Er stellt erstmal Hiob haufen Fragen.. und Hiob wird ganz klein mit Hut.

    Hiob unterwirft sich Gott.. und Gott gibt Hiob recht.
    Aber er is sauer auf Hiobs drei Freunde. Für die muss sich Hiob einsetzen damit Gott die nicht zur Minna macht.

    (Der vierte Freund bleibt von allen anderen unkommentiert, das find ich interessant.)

    Na ja. Und dann ist wieder alles in Butter..

  3. schoene zusammenfassung, micha. aber wieso muss man gerade bei hiob besonders aufpassen? muss man doch bei aller exegese. oder weil bei hiob die pointe erst am schluss kommt?

    sorry wegen der umaute, ist mein erster mobiler kommentar und ich finde die dinger nicht…

  4. ja. wegen der pointe. Ab kap 38 kommt ja Gott selber zur Sprache.
    UNd in 42,6 nimmt Hiob seine eigenen Aussagen zurück..
    und in 42,7 verwirft Gott das, was die drei Freunde gesagt hatten.
    Einzig über die Aussagen von Freund Nummer 4 (Elihu) hab ich keine Wertung gefunden.

    (38) (Gott: )2 »Wer bist du, dass du meinen Plan anzweifelst, von Dingen redest, die du nicht verstehst?
    3 Nun gut! Steh auf und zeige dich als Mann! Ich will dich fragen, gib du mir Bescheid!

    (40)

    1 Und der Herr fragte Ijob:
    2 »Mit mir, dem Mächtigen, willst du dich streiten? Willst du mich tadeln oder gibst du auf?«
    3 Da antwortete Ijob dem Herrn:
    4 »Ich bin zu wenig, Herr! Was soll ich sagen? Ich lege meine Hand auf meinen Mund!
    5 Ich habe mehr geredet, als ich sollte, noch einmal tu ich es bestimmt nicht mehr!«

    (42)
    1 Da antwortete Ijob dem Herrn:
    2 »Ich weiß jetzt, dass dir nichts unmöglich ist; denn alles, was du planst, führst du auch aus.
    3 Du fragst, warum ich deinen Plan anzweifle und rede ohne Wissen und Verstand. In meinem Unverstand hab ich geredet von Dingen, die mein Denken übersteigen.
    4 Du hast mich aufgefordert, zuzuhören und dann auf deine Fragen zu erwidern.
    5 Ich kannte dich ja nur vom Hörensagen; jetzt aber hat mein Auge dich geschaut.
    6 Ich schäme mich für alles, was ich sagte; in Staub und Asche nehm ich es zurück.«

    7 Nachdem der Herr das alles zu Ijob gesagt hatte, wandte er sich an Elifas von Teman und sagte: »Ich bin zornig auf dich und deine beiden Freunde; denn ihr habt nicht die Wahrheit über mich gesagt wie mein Diener Ijob.

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