17. Februar 2006 5

der LOGOS

jüngst kam es bei haso zu einer interessanten diskussion, die allerdings reichlich „offtopic“ war. das thema des posts war „gott oder mammon„, haso zeigte einen wichtigen hermeneutischen schlüssel: die unterscheidung chronos/kairos. wir kamen auf eine weitere unterscheidung: rhema/logos und so auf johannes 1,1:
Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und Gott war der Logos. (sperrig aber wunderbar übersetzt aus dem münchner NT).

seit jeher bin ich der ansicht, dass johannes keineswegs über das „wort“ schrieb. das wäre eine blasse übersetzungsmöglichkeit, die mich schon immer eher verwirrt als überzeugt hat. ich denke, dass er evangelistisch auf einen strang der griechischen philosophie bezug nahm, den es schon seit über 500 jahren gab und zeigen wollte, dass das unpersönliche griechische schöpfungsprinzip fleisch wurde. ein zitat aus frieder lauxmanns buch „das philosophishce ABC“:

Wenn Heraklit vom „Logos“ spricht, dann meint er damit etwas, was weit über das „Wort“ hinausgeht. Der Übersetzer muss sich entscheiden, ob er „Logos“ einfach so stehen lässt, oder ob erversucht, den Begriff zu umschreiben. Willhelm Capelle bietet folgende Deutungen an: das sinnerfüllte Wort, die vernünftige Rede; bei Heraklit aber versucht er Logos als Weltvernunft, Weltprinzip, Weltgesetz, Verhängnis, Allnatur, Gottheit, Warheit zu deuten. Diese Denkweise war damals keineswegs unangefochten, denn Heraklit setzte sich mit einem solchen abstrakten Begriff von der Weltvernunft in Gegensatz zu den Mythologien und vor allem zu den Mysterienkulten der Zeit um 500 v.Chr. ab. Seine Aussage über den Begriff den „Geist der Zeit“ ist zeitlos: Das Weltgesetz (Logos), das doch ewig ist, begreifen die Menschen nicht (…) Denn obgleich alles nach diesem Gesetz geschieht, machen sie den Eindruck, als ob sie nichts davon ahnten.

VEn avrch/| h=n o` lo,goj( kai. o` lo,goj h=n pro.j to.n qeo,n( kai. qeo.j h=n o` lo,gojÅ

das ganze „philosophische ABC“ ist ein angenehm leichtes, nettes buch um etwas philosophie zu lesen.

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5 Kommentare

  1. schönes Zitat, Micha. Da habe ich wohl meinen Faust nicht mehr im Griff, an die Stelle erinnere ich mich nicht, wiewohl ich noch einiges aus Faust im Kopf habe. naja, „an der Schwelle was schnoperst du hier? Mein bestes Kissen gab ich dir.“

  2. Diese Diskussion ist ja auch aus Goethes Faust bekannt.. ziemlich zu Anfang..
    so ab vers 1220 ungefähr in Faust I

    Aber ach! schon fühl ich, bei dem besten Willen,
    Befriedigung nicht mehr aus dem Busen quillen.
    Aber warum muß der Strom so bald versiegen,
    Und wir wieder im Durste liegen?
    Davon hab ich so viel Erfahrung.
    Doch dieser Mangel läßt sich ersetzen,
    Wir lernen das Überirdische schätzen,
    Wir sehnen uns nach Offenbarung,
    Die nirgends würd’ger und schöner brennt
    Als in dem Neuen Testament.
    Mich drängt’s, den Grundtext aufzuschlagen,
    Mit redlichem Gefühl einmal
    Das heilige Original
    In mein geliebtes Deutsch zu übertragen,
    (Er schlägt ein Volum auf und schickt sich an.)
    Geschrieben steht: »Im Anfang war das Wort!«
    Hier stock ich schon! Wer hilft mir weiter fort?
    Ich kann das Wort so hoch unmöglich schätzen,
    Ich muß es anders übersetzen,
    Wenn ich vom Geiste recht erleuchtet bin.
    Geschrieben steht: Im Anfang war der Sinn.
    Bedenke wohl die erste Zeile,
    Daß deine Feder sich nicht übereile!
    Ist es der Sinn, der alles wirkt und schafft?
    Es sollte stehn: Im Anfang war die Kraft!
    Doch, auch indem ich dieses niederschreibe,
    Schon warnt mich was, daß ich dabei nicht bleibe.
    Mir hilft der Geist! Auf einmal seh ich Rat
    Und schreibe getrost: Im Anfang war die Tat!

    (hab ich vom gutenberg-projekt kopiert..

  3. ich komme derzeit nicht ganz mit dem kommentieren hinterher, da ich tagsüber am transforum teilnehme. aber hierzu doch schnell noch einen oder zwei gedanken.

    1) ich denke auch, dass johannes auf den logos-strang in der griechischen philosophie bezug nimmt. aber er verbindet ihn mit dem beginn des at. die parallele zwischen „im anfang schuf gott … und gott sprach …“ und „im anfang war das wort“ ist eindeutig.

    2) der logos-begriff hat eine bedeutungs-ambivalenz, die ihn für die christologie geeignet macht. logos kann sowohl den gedachten gedanken als auch den geäußerten gedanken (wort) bezeichnen.

    was wir denken, sind wir. („as he thinketh in his heart, so is he“; proverbs 23:7 kjv; deshalb werden wir verändert durch erneuerung unseres denkens.) in gewisser hinsicht ist auch gott, was er denkt. insofern beschreibt der logos gottes die fülle dessen, was er in sich denkt und ist.

    was wir denken (und damit sind), können wir äußern. dieser externe logos offenbart, wer wir sind (sofern unsere worte wahrhaftig sind). gott teilt die fülle seiner gedanken, seines wesens, nicht nur linear (ein wort nach dem anderen = offenbarung) mit, sondern äußert in christus seinen gesamten inneren logos personhaft. christus ist das wort, der logos des vaters, weil er alles, was der vater in sich denkt und ist, nach „außen“ offenbart. „in ihm wohnt die fülle der gottheit leibhaftig“.

    der logos-begriff wurde, wenn ich mich recht erinnere, bei den griechen unter anderem zur beantwortung der frage eingeführt, wie ein völlig transzendenter gott sich aus sich heraus und in die welt hinein „äußern“ kann. ohne christus wäre, auch wenn das eine riskante formulierung ist, der in sich und seiner inneren gedankenwelt an herrlichkeit reiche gott dennoch ein autist. in christus wird sein innerer logos zum äußeren logos, der die welt schafft und die geschichte bewegt.

    in diesem sinne würde ich an der übersetzung „wort“ festhalten, weil der „äußerungs“charakter eine rolle spielt.

    jetzt habe ich für einen frühen samstagmorgen genug gedanken bewegt (innerer logos) und geäußert (äußerer logos = kommentar).

  4. haso,
    hast du eine quelle zu dem inkarnatorischen punkt? würde ich gerne mal nachforschen, wie der logosbegriff zur erklärung der inkarnation eingesetzt wurde.
    in der aktuellen emergenzdiskussion ist das ja wieder ein wichtiger begriff, wie christus (als? durch?) den logos inkarniert wurde muss jetzt die gemeinde in die welt geboren werden und darf nicht weltenfern bleiben. vielleicht liesse sich aus diesem alten begriff interessantes material gewinnen. die frage scheint dann ja nicht neu zu sein.

    was die parallele zum schöpfungsbericht angeht, so stützt sie auch meine theorie. wenn gott einfach nur gesprochen hat, also worte formte wie du und ich, dann wär christus unbeteiligt geblieben. wenn christus in der schöpfung beteiligt gewesen wäre, wäre er als „schöpferisches prinzip“ aufgetreten. zumindest könnte man das leicht so verstehen. oder wäre das falsch?
    auch wenn es eine sache der worte wäre, fände ich die die übersetzung „wort“ zu schwach, was du beschreibst ist ja eine „äusserung gottes charakters“. in dem falle wäre es sinnvoller „gott“ zu übersetzen: „gott wurde fleisch“, theologisch ist das ja auch völlig korrekt. schwierig wäre, dass es später eine tautologie geben würde: „derselbe (gott) war bei gott“. Vielleicht die „äusserung gottes“? aber auch das wäre problematisch weil es den eindruck erweckt, als würde der charakter gottes ein von ihm selbst losgelöstes eigenleben führen.

  5. Hi Storch,

    leider habe ich nicht die Zeit, die philosophie- und theologiegeschichtlichen Belege der Logos-Christologie aufzustöbern. Da lebe ich weitgehend von meinen Erinnerungen aus früheren Studienzeiten. Generell kann man jedoch sagen: die Kirchenväter (mit ihrem Background an griechischer Philosophie) liebten in der Christologie Vergleiche, bei denen etwas sowohl mit einem anderen eins als auch von ihm unterscheidbar ist. Christus wurde zum Beispiel mit den Strahlen der Sonne verglichen. Die Sonne und ihr Licht sind eins, und doch kann man Sonne und Strahlen auch unterscheiden. Da gleiches für den Logos gilt (zunächst eins mit seinem Urheber, aber nach Äußerung doch auch eigenständig), passt auch er auf diese Argumentationsschiene. (Bei http://www.ccel.org gibt es sowohl die englische Übersetzung von Harnacks Dogmengeschichte als auch viele Texte der Kirchenväter. Da findet man, wenn man sucht, die Details.)

    Spannender finde ich die biblische Parallele in Hebräer 1,3: hos on apaugasma tes doxes kai charakter tes hypostaseos autou, feron te ta panta to rhemati tes dunameos autou (er ist der Abglanz seiner Herrlichkeit und der genaue Ausdruck seines Wesens, und trägt alle Dinge durch das Wort seiner Kraft). Logos (als vollständige Summe der Gedanken), Doxa (Herrlichkeit) und Hypostasis (Wesen) sind jeweils Begriffe für die Fülle dessen, was Gott ist. Das Apaugasma (Abglanz) verhält sich zur Doxa wie das geäußerte Wort zum inneren Denken, und wie der Charakter (Abdruck) zur Hypostasis. Man könnte sagen: Der Vater drückt sich selbst (alles was er ist) beständig und vollständig im Sohn aus.

    Insofern würde ich Johannes 1,1 am ehesten so umschreiben: Am Anfang war der vollkommene Ausdruck des Vaters. Dabei ist noch eins wichtig: der Sohn ist nicht nur „anfänglich“ der Ausdruck des Vaters. Er ist es „beständig“, der Vater drückt sich von Ewigkeit zu Ewigkeit ununterbrochen im Sohn aus. In diesem Zusammenhang ist „kai ho logos en pros ton theon“ (und das Wort war bei Gott) zu verstehen. „pros“ bedeutet nicht nur „bei“, sondern drückt immer eine Richtung aus: das Wort war beständig dem Vater zugewandt, auf ihn ausgerichtet.

    Nun ist es so: was wir anschauen, dessen Wesen nehmen wir auf (von Lots Weib bis 2.Korinther 3,18 und 1.Johannes 3,2 biblisch belegt). Das Wort ist Gott, weil das Wort beständig dem Vater in seiner Fülle zugewandt ist und beständig seine vollkommene Gottheit empfängt.

    Diese Beziehung des Vaters zum Sohn (der Vater drückt sich im Sohn aus, der Sohn empfängt sich vom Vater) wird an anderer Stelle so formuliert: „Ich bin im Vater, und der Vater ist in mir.“ Christus ist „abgeleiteter“, aber vollständiger und nicht „minderwertiger“ Gott. Deshalb besteht kein Widerspruch zwischen Aussagen, die Christus als dem Vater gleich bezeichnen, und anderen, die ihn in Abhängigkeit und Unterordnung zum Vater beschreiben.

    Für die gegenwärtige Inkarnations-Debatte bringt übrigens diese historische Logos-Christologie meines Erachtens nicht so viel. Auch wenn die Kirchenväter oft „de incarnatione“ geschrieben haben, richtet sich bei ihren philosophisch motivierten Fragen die Aufmerksamkeit mehr auf metaphysischen Geheimnisse der Person Christi (Zweinaturenlehre) als auf die Lebensäußerungen des Jesus von Nazareth.

    Fruchtbar können diese Überlegungen in einer anderen Weise sein. Wenn wir Teilhaber und Agenten der Inkarnation sein wollen, brauchen wir einen doppelten Fokus. Wir müssen wie Jesus ein Bewusstsein des „In-die-Welt-gesandt-seins“ haben und entsprechend missional leben. Wir müssen aber auch „pros ton christon“ leben, ihm so zugewandt sein, dass wir beständig unser Wesen von ihm empfangen („wir in ihm und er in uns“; dieses Geheimnis haben noch nicht viele verstanden: wer wir sind, fließt uns beständig von ihm zu), so dass wir tatsächlich ihn in die Welt tragen und nicht nur uns selbst und unsere guten christlichen Absichten. (Das Streben nach Intimität mit Christus muss fortgesetzt und vertieft, aber unbedingt auch mit missionalem Lebensstil verbunden werden.)

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