28. Januar 2006 4

luhmann und humor

man traut es ihm kaum zu, wenn man seine bücher liest, aber niklas luhmann scheint ein possierlicher verteter der soziologenzunft gewesen zu sein. gelegentlich, und vor allem in fussnoten, blinzelt in seinen werken ein humor hervor, der ebenso trocken ist wie seine systemtheorie.

„es ist ungewöhnlich, wenn man in einer diplomarbeit die aussage ‚alles kacke‘ findet.“1:.

oder meine lieblingsstelle auf seite 583 der sozialen systeme, folgende anekdote in der fussnote zu diesem harmlosen satz:

„Ohne Thesenanschlag keine Reformation, ohne Preisschildchen kein reibungsloser Verkauf.“ Fussnote 50: „Bei einem Versuch, mit einer Ladeninhaberin längere Verhandlungen über den Preis einer Tafel Schokolade zu führen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass sie anstelle von Argumenten immer wieder auf das Preisschildchen verwies, auf dem der Preis deutlich sichtbar aufgeschrieben war.“

die arme frau! mit einen weltfremden, ohnehin zur unverstädlichkeit neigenden soziologieprofessor preisdiskussionen führen zu müssen kann einem den ganzen tag versauen.

luhmann hat seinen witz sicher sehr gezielt und mit grosser sprachkunst eingesetzt, hatte aber dennoch möglicherweise ein gespaltenes verhältnis zum geschriebenen humor:

„Als wir Luhmanns erste Fassung von Zweckbegriff und Systemrationalität besprachen, meinte ich abschliessend, dass mir am besten seine witzigen Beispiele gefallen hätten. Fast erschrockem reagierte er: „Wo stehen sie?“ So etwas muss sofort beseitigt werden!“2

dieser einstellung zum geschriebenen humor stand eine andere zum gesprochenen entgegen. als er einmal einen politisch-unkorrekten witz machte, beantwortete er die entstehende empörung mit dem bonmot „der gag heiligt die mittel!3

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  1. soziale systeme, leider finde ich die seite nicht… []
  2. Otthein Rammstedt: In Memoriam: Niklas Luhmann. In: Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999, Seite 19 []
  3. Hans-Martin Kruckis: Abgründe des Komischen. Schlaglichter auf Luhmanns Humor.. In: Bardmann, Theodor M. und Baecker, Dirk: „Gibt es eigentlich den Berliner Zoo noch?“, Konstanz 1999, Seite 49 []

4 Kommentare

  1. danke storch fuer diese anekdoten, das macht den mann gleich menschlicher und mir sympathischer.

  2. das ganze buch, „gibt es eigentlich den berliner zoo noch?“, ist unter dem aspekt, dass es luhmann menschlicher macht, nett. noch eine anekdote? luhmann im hörsaal:
    „Herr Doktor Luhmann, was verstehen sie eigentlich unter Funktion? Geben sie doch bitte einmal ein Beispiel!“Und Luhmann, quer zum Plenum auf dem Podium an einem Tisch sitzend, blickte verdutzt auf, überlegte, starrte gebannt auf die Tischplatte, auf die er mit einer Fungerkuppe kloppfte: „Die Funktion“, Pause, „die Funktion eines Tisches ist“, längere Pause, und dann, Stakkato: “ ist, dass man einen Kaugummi darunter kleben kann.“ Und zurück schwang er sich in die Theorie.“ (Seiten 17f)

  3. Fußnoten werden in den „Sozialen Systemen“ kapitelweise gezählt; die genannte Nr. 50 mit der Schokolade ist auf S. 583 (Kap. 10)

  4. hallo Martin,
    vielen Dank und herzlich wilkkommen auf diesem Blog!

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