13. Januar 2006 6
wenn Recht sich überholt
Vielleicht wird Luhmann-zitieren ein neues Hobby von mir. Aber ich mag ihn auch – und ich zitiere gern. Alsdann:
(erst) in der modernen wohlfahrtsgesellschaft beginnt das recht, sich selbst sozusagen zu überholen: es werden neuartige sachlagen als konfliktvorentscheidungen eingeführt, an die niemand denken würde, wenn es das recht nicht gäbe, und die daraus folgenden erwartungen werden als recht deklariert.
(…)
das recht dient nicht der vermeidung von konflikten, es führt sogar, verglichen mit der repression von konflikten in interaktionsnah gebildeten gesellschaften, zu einer immensen vermehrung von konfiktchancen. es sucht nur die gewaltsame austragung von konflikten zu vermeiden und für jeden konflikt noch dazu passende formen der kommunikation zur verfügung zu stellen. (…) das recht dient der fortsetzung der kommunikation mit anderen mitteln (niklas luhmann: soziale systeme, 510-511)
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[…] Haso kommentiert: (1) nur Luhmann, stan und storch sind komplizierter als dieser Militärkandidat. […]
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[…] Anmerkung zum Schreiben bei Luhmann) – drei Grundtugenden (Luhmannzitat auf Theologie angewandt) – wenn Recht sich überholt – Rente und Sterben (Zitat) – lernen und vergessen – der Auftrag der Theologie – Anspruch und […]
stan schrieb am
13. Januar 2006 um 23:03das tolle an luhmann ist, man muss jeden seiner saetze (so gehts und ging es mir) mehrmals lesen und auseinanderklamuesern um ihn schritt fuer schritt zu verstehen … wenn man das will, vorausgesetzt. ich hab mit dem guten herrn meine diplomarbeit verbracht (zumindestens einen teil davon) und war auf der einen seite beeindruckt ueber die breite seiner therotische modelle, auf der anderen seite find ich das genau seine schwaeche… ok, er ist systemtheoriker und wollte deswegen ein modell komplexer systeme schaffen, dadurch hat er aber auch undefiniertheiten in kauf genommen, die ich zweifelhaft finde. ich hab bei meiner arbeit seinerzeit versucht einen kleinen ausschnitt seiner theorien und annahmen innerhalb einer gesellschaft kuenstlicher intelligenzen abzubilden. das grosse problem – aus meiner informatischen sicht war – jedoch, dass er gerade bei den ausschlaggebenden elementen dieses modells, den akteueren naemlich – einfach definiert hat „es gibt ein subjekt, dass sich so und so verhaelt“. ohne dabei genauer zu sagen, warum es sich so verhaelt, welche mechanismen drunterstecken und wie es u.U. auf andere situationen reagieren wird… fuer mich war das damals nen ziemlicher haken, weil ich keine KI bauen kann, der ich einfach sage „verhalte dich so und so“ … ich kann nur mechanismen implementieren, die ein bestimmtes verhalten mit unterschiedlich hoher veraussagewahrscheinlichkeit zeigen werden … hmm, das hab ich damals (und immer noch) als eine grosse schwaeche an seinen theorien (von denen, die ich kenne) empfunden.
storch schrieb am
14. Januar 2006 um 01:57interessant das, auch wenn ich es nicht verstehe ;-). luhmann ist sicher ein fall für sich. ich finde ihn sehr undurchsichtig, er erschwert einem leser das verständnis seiner texte durch seinen stil unnötig. das mag ich nicht und finde es doch gut, weil es dadurch herausfordernder ist sich mit ihm auseinanderzusetzen.
aber es stimmt, über die eigentlichen menschen (psychische systeme?) sagt er wenig, mehr über ihre interaktion. aber dafür liest man ihn ja. sonst würde man ja eher psychologen als soziologen lesen.
ich frage mich manchmal, wie realitätstauglich die systemtheorie luhmanns eigentlich ist. es werden immer viele sachen im elfenbeinturm ersonnen, die null alltagstauglichkeit haben. viele von diesen denkern bauen sich eine theoriewelt auf, in der ihre theorien wunderbar funktionieren, aber der erste reale mensch bläst alles wieder um.
wenn man seine theorien mit KI nachbauen kann bin ich ja beruhigt. aber wahrscheinlich funktionieren auch gewisse )politsiche) utopien mit einer idealen KI, oder?
stan schrieb am
14. Januar 2006 um 20:26>viele von diesen denkern bauen sich eine theoriewelt auf, in der ihre
>theorien wunderbar funktionieren, aber der erste reale mensch bläst alles
>wieder um.
exkat das meinte ich… solange luhmann behauptet, „ein gibt ein individuum, das x und y macht, waehrend es z abwaegt“, dann hat er damit eine relativ gute moeglichkeit, sich das individuum so zu definieren, wie es erforderlich oder systemtheoretisch stimmig ist.
Wir haben damals versucht sein Konzept der doppelten Kontigenz und Erwartungs-Erwartungen zu implementieren um diese ans zentrale Element einer Interaktionssteuerung kuenstlicher Individuen zu verwenden (sog. Agenten) … eben das was Luhmann innerhalb seiner Systemtheorien postuliert mal so zu modellieren, wie es seiner Meinung nach funktionieren sollte. Witzig fand ich persoenlich, dass unsere Arbeit, zu der ich mit meiner Diplomarbeit beigetragen habe, EIN Projekt eines ganzen Forschungsschwerpunktes war, von vielen Projekten, die genau das gleiche wie wir versucht haben … und JEDES der Projekte hat echt ganz andere Sachen gemacht, obwohl alle doch Luhmann zu Grundlage hatten 🙂
Das gab interessante Streiteren aehh, Diskussionen bei Treffen dieses Schwerpunktthemengruppe.
Micha/JF Chemnitz schrieb am
17. Januar 2006 um 03:21..was es nicht alles gibt..
kann man folgendes sagen:
das Gebiet der KI muss modelle entwerfen, um eine Umgebung zu schaffen, wo Systemtheorien funktionieren?
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na ja..
genau genommen gehts ja eigentlich gar nicht anders.
Jede reale Begebenheit ist soo komplex, dass man sie nur mittels Modellen überhaupt begreifen kann.. Modell=starke Vereinfachung eines tatsächlichen prozesses..
…und: „Das Leben ist immer komplizierter als die Theorie.“