eine wichtige quelle des bibelverständnisses ist der eigene hintergrund. wo jemand herkommt, welche erziehung er oder sie genossen hat, wird immer einen einfluss darauf haben, wie jemand die bibel versteht.
am deutlichsten ist mir dieses prinzip bisher in der „fathers love“-welle der vineyardgemeinden aufgefallen. auch bei den jesus freaks hatten wir seminare und workshops zu dem thema, die meistens mit viel ministry und tränen geendet haben, wenn gott falsche vaterbilder ausgeräumt hat. der schlüssel dazu, die vaterliebe gottes richtig tief zu erfahren ist für viele das aufräumen mit der eigenen vergangenheit gewesen. die erfahrungen, die man mit dem eigenen vater zuhause gemacht hat wurden unwillkürlich und unwissentlich auf gott übertragen. wenn der vater streng und fordernd war, wurde gott als ebenso erfahren, was eine tür zu gesetzlichkeit und ausbrennen im leben des menschen geöffnet hat. war der vater viel auf reisen oder ist früh gestorben, ist es dem betreffenden christen schwergefallen, an gottes gegenwart zu glauben. ein liebloser vater stand oft einer tiefen erkenntnis von gottes liebe im weg.
im bereich der vaterbilder fällt das prinzip am stärksten auf, aber es gilt für jeden bereich des geistlichen lebens. die frühe erziehung kann einem grosse steine auf dem weg mit gott in den weg legen. ich bin kein seelsorger und so nicht ganz so weit in der problematik drin wie andere, aber auch ich habe es oft mitbekommen, wie ein mensch, der sich jahrelang schwer damit tat etwas von gott zu empfangen, auf einmal eine erkenntnis hatte, die ihm gott in einem total anderen licht erscheinen liess und dazu führte, dass eine familiäre prägung gebrochen wurde und gott sich neu offenbaren konnte. bei anderen ist es nicht mit einer spontanen erkenntnis getan sondern mit einem längerfristigen seelsorgerlichen prozess in dem falsche gottesbilder aufgeräumt werden. alte strukturen werden zerbrochen und verlernt, erst dann kann etwas neues kommen. dieser prozess ist die erneuerung des sinnes in römer 12,1-2.

man kann biblische erkenntnis nicht vom persönlichen hintergrund trennen. wenn zwei menschen dieselbe bibelstelle hören, fällt sie, je nach hintergrund auf völlig unterschiedlichen boden. die stelle johannes 3,16 („so sehr hat gott die welt geliebt, dass er seinen einzigen sohn gab, damit jeder, der an glaubt nicht verloren gehe sondern ewiges leben habe“), löst bei dem einen freude aus, ein anderer wird ungerechtigkeit darin wittern und hartes gericht. er mag fragen: „und was ist mit den anderen, denen die nicht glauben?“. ein dritter weiss aus erfahrung mit dem wort liebe nichts positives zu verbinden.
das sind zunächst einmal rein emotionale reaktionen, aber sie führen in vielen fällen zu einer theologischen sicht. gerade in bezug auf geistliche gaben, gottesbeziehung usw. ist oft die quelle der theologie erziehung und enttäuschung. dann wird das wort gottes der eigenen erfahrung angepasst und ein lehrsatz aufgestellt, der eigentlich schwer nachvollziehbar ist. z.b. folgende zeilen aus einem buch, dessen titel ich nicht nennen möchte: „gott will uns also nicht streicheln, sondern ermahnen, strafen und schlagen. darin zeigt er seine liebe. (…) das kennzeichen des christlichen lebens ist nicht zärtlichkeit, umarmen, geniessen und aufatmen, (…) sondern kämpfen, überwinden, widerstehen und das eben erwähnte ausharren.“ natürlich spricht nicht jeder seine erkenntnisse so offen aus, aber es gibt viele menschen, die mit einer solchen meinung leben.
um zu verstehen, was das wort gottes sagen will, ist es nötig einen gewissen abstand zur eigenen biographie zu bekommen und sich klar zu machen, warum man auf manche wahrheiten so reagiert, wie man eben reagiert. häufig verstellt eine emotionale reaktion den blick auf eine wahrheit der bibel. ich werde noch in einem gesonderten artikel darauf eingehen, wie man sich seiner eigenen grundlagen bewusst werden kann.

der punkt ist, dass bei den obigen beispielen ansichten über gott und theologien unbewusst entstehen. sobald ereignisse aus der vergangenheit bewusst werden und innere heilung geschieht, verändert sich das gefäss so, dass die offenbarung gottes anders aufgenommen wird und ein entspanntes, schönes und gehaltvolles christenleben möglich wird.
es gibt aber auch theologien, die entstehen, wenn jemand bewusst aus einer weltanschauung heraus an die bibel herangeht um seine meinung biblisch zu fundieren. das ist eine induktive methode, bei der etwas in das wort gottes hineingelesen wird, statt dass dem wort gottes das recht gegeben wird in ein leben hineinzusprechen. induktives bibelstudium ist immer eine fragwürdige sache, wenn bewusst induktiv gearbeitet wird, ist das definitiv abzulehnen.

als beispiele für theologien, die auf induktivem weg aus einer weltanschauung heraus entstehen habe ich drei faschistische theologien gewählt. die recherche dazu war ziemlich unangenehm, es macht wenig spass in die schattenwelt des rassismus hinabzusteigen, aber ich glaube, dass diese theologien besonders gut den punkt rüberbirngen, weil sie ganz augenfällig absurd sind. ich gebe immer einen englischen link an, für diejenigen, die weiterlesen wollen. im deutschen sprachraum erfreuen sich solche ansichten keiner weiteren verbreitung. wahrscheinlich, weil das christentum sich hier nicht als medium zur verbreitung von rassismus anbietet. im amerikanischen werden rassenideologische „christliche“ gruppierungen unter dem oberbegriff „christian identity“ zusammengefasst.

    1. jesus war arier:
    1899 veröffentlichte houston stewart chamberlain (1855-1927) sein buch „die grundlagen des neunzehnten jahrhunderts“. chamberlain gilt als einer der intellektuellen wegbereiter und vordenker des dritten reiches. er wurde als engländer geboren, heiratete wagners tochter eva und nahm die deutsche staatsbürgerschaft an. er lebte in wagners haus wahnfried und war mit der führungsriege des späteren dritten reiches persönlich bekannt. hitler selbst nahm 1926 vom todkranken chamberlain abschied.
    in den „grundlagen“ hat chamberlain jesus ein ganzes kapitel gewidmet (die erscheinung christi, band 1, kapitel 3) in dem er belegt, dass jesus auf keinen fall jude gewesen sein kann und zumindest herzensmässig arier war. die details sind genauso schwer nachvollziehbar wie der rest des buches und im grunde genommen an den haaren herbeigezogen. es ist offensichtlich, dass der wunsch der vater des gedankens war und es nur darum ging, zu belegen, dass jesus antisemit war.
    ähnlich schräg liest sich rosenbergs monumentalwerk „der mythus des 20.jahrhunderts“, das einiges enthält was an die adresse evangelischer pfarrer gerichtet ist.
    http://www.hschamberlain.net
    2. verbot der rassenmischung
    die „national knights of the kkk“ haben dreissig biblische gründe gegen heiraten von weissen und schwarzen gefunden. unter anderem legen sie Apostelgeschichte 17,26: Er hat aus einem einzigen Menschen das ganze Menschengeschlecht erschaffen, damit es die ganze Erde bewohne. Er hat für sie bestimmte Zeiten und die Grenzen ihrer Wohnsitze festgesetzt. so aus, dass die grenzen wohl heilig sind, scheinen dabei aber den ersten teil nicht mitzulesen, dass es nämlich nur ein menschengeschlecht gibt. der rest ist alttestamentlich und betrifft die verbote, sich mit den anderen völkern zu mischen. dabei lassen sie ausser acht, dass es sich bei diesen anderen völkern unmöglich um andere rassen handeln kann.
    http://www.freewebs.com/tkkkk/whatwebelieve.htm
    3. the supremacy of the white race
    im gefolge des ku klux klan sind immer wieder wirre rassentheologien aufgetaucht. eine der bedeutendsten geht davon aus, dass die „adamitische rasse“, die nachkommen adams in wirklichkeit die deutschen und engländer (anglo-saxons) sind. sie sind das wahre israel der bibel. jesus, der in diesen theologien oft als „yashua“ bezeichnet wird, ist nur für diese auserwählte adamitische rasse gestorben. das reich gottes ist nur für weisse, die gott speziell berufen hat und die juden sind der same satans.
    diese ansichten gehen auf wesley swift zurück und so seltsam es klingt, es gibt in amerika tatsächlich kirchen, die solche „theologien“ vertreten.
    http://www.covenantchurchofyahweh.com/ (besonders aufschlussreich ist „about us“)

dieses thema ist wirklich unangenehm zu recherchieren. der begriff „rasse“ hat für mich so negative konotationen, dass es schwerfällt, diese texte ohne tiefe bestürzung zu lesen. hier wird shakespeares wort greifbar: „the devil quotes the bible.“ ja, das tut er wirklich und man kann leicht alles in die bibel hineinlesen was man will.
aber so ist das nicht gedacht. die bibel ist eine offenbarung gottes um den menschen etwas zu zeigen und sie weiterbringen; nicht, um ihre untaten zu legitimieren. theologische rechtfertigungen menschenverachtender ideologien sollten uns daran erinnern, dass es gefährlich ist, die bibel mit einer zu festen meinung zu lesen. die gefahr ist gross, dass nicht mehr gott durch sein wort spricht sondern unsere eigenen wünsche. so wird die bibel letztlich ein echo unserer eigenen anschauungen.

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9 Kommentare

  1. Hey Storch, sehr interessante Gedanken und vorallem gut gegliedert. Meines Erachtens ist das Problem am induktiven Lesen, dass zum einen niemand wirklich davor gefeit ist … man merkt nicht so leicht, ob man sich von der Bibel veraendern und fragen laesst, oder ob man selbst die Bibel veraendert. Ich glaube, dass es vielen Menschen ueberhaupt schwerfaellt anzuerkennen, wie unmittelbar unsere eigene Praegung die Wahrnehmung und der Verstehen beeinflusst und ausmacht. Demzufolge ist es umso schwieriger andere auf deren Leseverhalten anzusprechen. Ich hab haeufig die Erfahrung gemacht, dass mein Versuch andere zu hinterfragen (also auf die Probleme mit dem induktiven Lesen hinzuweisen) sehr schnell als Bevormundung verstanden wurde, obwohl ich wirklich immerwieder versuche zu betonen, dass ich selbst NICHT die Weisheit gefressen habe und alles was ich weiss ist, dass ich auch schnell zum induktiven Lesen neige und dass es ein derartiges Verhalten ueberhaupt gibt… hmm.

  2. Passt systematisch in
    „Hermeneutik
    Unterpunkt „Die Vorprägung des Lesers/Theologen/etc“

    oder aber bildlich:
    „die Brille, durch die ich die Bibel betrachte“

  3. ….
    und für diese ganze „metatheologie“ gibt es auch fachwörter..
    in dem Dogmatikwerk, was ich rumstehen habe, heißt es „De Theologia“,
    machmal heißt sowas auch „prolegomena“

    ..auf jeden fall interessant..

    u8nd wenn man noch viel mehr verallgemeinert, landet man bei „Erkenntnistheorie“ (wie entsteht erkenntnis.. was ist denken… was ist wirklichkeit, was ist wahrheit usw..), Philosophie usw..

    was hast du vor, storch?
    an einer Art Systematischen Theologie zu basteln (Dogmatik)?

    musst ja nich gleich ein Buch schreiben..

    wie wärs mit anderen Formen..?

    Foren..
    wiki..

    ..und die essenz daraus als Buch/Bücher..

  4. ich liebe bücher. aber ich liebe auch opensource. warum also nihct wiki?
    ist das systematische theologie? ich will was darüber schreiben, dass nichts grundlagenfrei ist. erkenntnistheorie trifft es am ehesten möchte ich meinen.
    worum es mir geht ist, dass ich in manchen köpfen eine gesinnungsänderung bewirken will: weg von den starren systemen, hin zu einer personalisierten theologie, die natürlich nicht frei von werten ist, aber in der „denomination“ kein wert mehr ist. es geht um eine art intellektuelle basis für ein evangelistisches miteinander. die erkenntnis, dass der streit um die reine wahrheit hochgradig kontraproduktiv ist wenn es darum geht, eine welt zu erreichen.
    und darum, eine demütige skepsis gegenüber der eigenen anschauung zu bewirken.

    naja, vielleicht ein bischen weniger sozialromantik…

  5. foren oder wiki.. oder was auch immer..
    was sich am besten dazu eignet halt..

    weblogs haben auch nachteile..
    nicht jeder kann gleichberechtigt beiträge schreiben (dazu müsste jeder, der nen beitrag schreibt, mindestens „contributor“ sein)
    desweiteren sind weblogs idR chronologisch geordnet..

    in foren dagegen ist das einfacher.. aber auch da gibts nachteile.. meistens sind die „grade frisch diskutierten“ Beiträge oben..

    vielleicht ne Mischung aus wiki und forum?
    d.h. wiki zum veröfdfentlichen.. und ein Forum im Hintergrund, wo man über Beiträge und deren Änderungen und über die struktur des wiki diskutieren kann..
    ?
    ?

    hätt ich jedenfalls grundsätzlich bock drauf..

    wiki hat wieder den nachteil, dass es ggf. „vandalen“ gibt, die in den beiträgen rumlöschen oder wild ändern etc..

    ..kann man aber wiederum eindämmen durch regelmäßige backups oder so.. hat nich wiki irgend so ein „versions“-system, wo im hintergrund frühere versionen eines artikels gespeichert werden?

  6. hmm … storch ist die idee mit der metatheologie hier nur erstmal ein ausdruck und sammeln deiner gedanken oder soll es wirklich schon an eine breite(re) oeffentlichkeit getragen werden… ich glaub dann eignen sich saemtlich verbreitungsmethoden wie blogs, wiki oder anderes nur bei einer entsprechenden leseranzahl … welche kreise willst du mit diesen ideen erreichen … hmm. ich glaub bevor man sich gedanken macht welches medium am geeignetsten ist, sollten erst diese fragen gerklaert sein, oder ?

  7. also ehrlich gesagt will ich erst mal ein bischen rumschreiben und ideen testen. über verbreitung habe ich mir bisher mal keine gedanken gemacht.
    ist eben so, dass manche gedanken sich nicht zum predigen eignen und die gerne anders „raus“ wollen. schreiben ist da ganz toll. und dafür eignet sich ein blog eben ungemein. bücher habe ich einige in der schublade, die nie fertig überarbeitet wurden. aber der blog weckt ehrgeiz und es gibt direktes feedback und diskussionen. so ist es leichter, regelmässig zu schreiben, weil man ja gleich noch dabei publiziert. mal sehen, was daraus wird. noch hat die ganze sache einen haufen schwierigkeiteN. es ist alles zu skizzenhaft, teilweise zu schlecht recherchiert, nicht immer ganz logisch (hat noch etwas von materialsammlung). für ein buch ist es ohnehin noch zu kurz (aber ist ja auch noch in arbeit).
    wiki fände ich gut, wenn schin was gedruckt wäre.
    im moment bin ich mit blog völlig zufrieden.

  8. ich finde bücher besser als blogs, die sind nicht so vergänglich sondern halten einen bestimmten wissensstand verbindlich fest. außerdem ist die hürde, etwas wirklich zu veröffentlichen, höher, und das schützt leser und schreiber vor zeitverschwendung.
    ich denke inzwischen, der begriff metatheologie ist ein bisschen zu hoch gegriffen für das, was du vorhast. es liest sich eher wie ein erkenntnistheoretischer ansatz zu einem Plädoyer für einen pluralistischen Evangelikalismus. Erinnert mich auch ein bisschen an C. A. Schwarz mit seinem trinitarischen Konzept (was mich sehr bereichert und innerlich weit gegenüber anderen theologischen Konzepten gemacht hat)

  9. hallo frank,

    dann habe ich mich vielleicht falsch ausgedrückt. oder die posts sind noch nicht so richtig weit fortgeschritten. das plädoyer ist zwar vom prinzip her in meinen absichten enthalten, aber es geht auch darum dem bibelleser ein instrumentarium an die hand zu geben um geistlich wachsen zu können. erkenntnistheorie will ja immer nur sagen: „wir können nicht recht erkennen“ oder „es gibt gar keine realität“. ich sage: „es gibt eine offenbarung gottes und die verändert uns. wir haben die möglichkeit unsere innere befindlichkeit zu ändern und damit mehr von gott zu erkennen.“

    ich finde es auch gedanklich immer schwieriger diese philosophischen disziplinen zu bemühen. ich tue es zwar noch, aber letztlich geht es in der phiolospohie um etwas komplett anderes und deshalb ist es schwer, ihren methodischen ansatz 1:1 auf geistliches zu übertragen.

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