Es gibt Situationen im Leben in denen man wissen muss, was wichtig ist. Daraus kann man nicht den Umkehrschluss ziehen, dass es in manchen Situationen egal ist, aber in den schwierigen Zeiten ist es lebensnotwendig zu wissen, um was man sich dreht, mit was man sich beschäftigt und was einen ausmacht. Wer es dann nicht weiß steht in der Gefahr, sich selbst zu verlieren oder Schlimmeres. Sprüche 4,23 sagt:

Mehr als alles hüte dein Herz; denn von ihm geht das Leben aus.

Das Herz ist unser Innerstes und wenn es vergiftet ist oder Schaden nimmt, dann ist das Leben vergiftet, das aus ihm hervorgeht. Man kann vieles ertragen, aber wenn das innerste Selbst in Mitleidenschaft gezogen wird, ist das eine sehr gefährliche Sache.
Deshalb rät Gottes Wort uns eindringlich, genau das nicht geschehen zu lassen. Bei allem worauf wir sonst noch achten und was wir behüten sollten: Unsere Familie, Gemeinde, Eigentum, Integrität, ist das Herz das Wichtigste, wenn unser Innerstes stimmt, ist alles andere leicht zu reparieren, hat unser Innerstes Schaden genommen, sind die äußeren Dinge egal.
Auf das Herz achtet man in jeder Situation. In den guten Zeiten ist die Gefahr, dass man sich überhebt, eitel und hochmütig wird. Viele kommen mit ihren guten Zeiten nicht klar. Die harten Zeiten sind aber für jeden gefährlich, denn in diesen Zeiten öffnen wir  uns für Zweifel an uns selbst und an Gott. Gerade in Zeiten äußerer Unruhe ist es deshalb wichtig, das Herz zu hüten und darauf aufzupassen.
Die Bibel gibt uns einige sehr praktische Tipps, wie man das tun kann. Ich kann nur ein paar herausgreifen und hoffen, dass die Liste nicht zu unvollständig wird. Beginnen wir mit dem Philemonbrief. Es ist einer der Privatbriefe des Paulus in dem er um Gnade für einen entlaufenen Sklaven bittet. Eigentlich kein Lehrbrief und er enthält auch nur wenig Theologie, aber Paulus wäre nicht der Apostel gewesen der er war, wenn er die Gelegenheit hätte verstreichen lassen, Philemon etwas theologische Lebensweisheit mitzugeben.

 4 Ich danke meinem Gott, indem ich allezeit deiner in meinen Gebeten gedenke,
 5 da ich von deiner Liebe und von dem Glauben höre, den du an den Herrn Jesus und allen Heiligen gegenüber hast,
 6 daß die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Erkenntnis alles Guten, das in uns im Hinblick auf Christus ist.
 7 Denn ich hatte viel Freude und Trost wegen deiner Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind. (4-7 nach der Elberfelder)

Gemeinschaft ist ein Wort, das man erklären muss. Wenn wir im Deutschen von Gemeinschaft sprechen meinen wir oft etwas in der Richtung von „miteinander rumhängen“ oder zusammen Zeit verbringen. Das griechische koinonia geht dagegen viel mehr in Richtung Teilhabe. Wer Gemeinschaft hat, hat Teil an etwas, er bekommt etwas. Im Deutschen ist das im Begriff der Gemeinde, gerade in der politischen Dimension des Begriffes, enthalten. Eine Gemeinde, z.B. eine Stadt, teilt ihre Ressourcen, man gehört dazu in dem man sich einbringt; es ist im Idealfall ein Geben und Nehmen.
Diese Teilhabe am Glauben wird wirksam in der Erkenntnis des Guten, dass uns durch Jesus ist. Glaube wächst also dort, wo man sich um das kümmert und dreht, was Christus in uns getan hat. Das effektivste was wir tun können um unseren Glauben zu stärken und die Beziehung mit Jesus zu vertiefen ist, uns mit dem Guten auseinanderzusetzen, das er für uns getan hat. Mit anderen Worten: Dass wir darüber nachdenken, beten, lesen meditieren, was Christus am Kreuz für uns erwirkt hat.
Die Herausforderung schwieriger Zeiten ist es, dass wir unseren Blick von Jesus weg drehen und auf das schauen, was um uns herum passiert. Wer das tut geht leicht in den Wellen unter wie Petrus. Sein Fehler war es aus dem Boot auszusteigen, zu beginnen im Glauben zu laufen – und dann auf die Wellen zu schauen. Auf einmal wurde seine äußere Realität größer als seine innere.
Christliche Gemeinschaft kann etwas total Runterziehendes sein wenn sie nicht in dem Geist von Philemon 6 geschieht. Wenn man Teil hat am Problem und nicht an der Lösung. Wenn man sich mit Sünde beschäftigt statt mit Erlösung. Wenn man auf das Versagen schaut statt auf das Überwinden. Sein Herz zu bewahren bedeutet konsequent den Blick auf die innere Wirklichkeit zu richten, sich nicht von äußeren Widrigkeiten den Glauben rauben zu lassen sondern an dem festzuhalten, was Christus getan hat. Das kann manchmal laut und heftig sein. Wir sind alle darauf trainiert unsere Fehler zu sehen und dem, was wir tun mehr Gewicht zu geben als dem, was wir in Jesus sind. Aber Glaube wird da effektiv wo man an der Erlösung festhält wenn es haarig wird. Wo man nicht in den Chor der Welt einstimmt und annimmt, nicht geliebt, gerecht und geisterfüllt zu sein sondern gerade dann an der Wahrheit des Wortes festhält und Gott die bedeutsamste Quelle der Identität sein lässt, die man hat.

In dem allen klingt ein theologisches Konzept an, das ich sehr lange nicht verstanden habe obwohl ich wusste, dass es richtig ist. Was bedeutet es eigentlich, „auf Jesus zu sehen“?

Es waren aber etliche Griechen unter denen, die hinaufkamen, auf daß sie auf dem Feste anbeteten.
21 Diese nun kamen zu Philippus, dem von Bethsaida in Galiläa, und baten ihn und sagten: Herr, wir möchten Jesum sehen. (Johannes 12,20-21 nach der alten Elberfelder)

Es ist nicht nur der Traum eines jeden Evangelisten, dass Menschen zu ihm kommen und sagen: „Zeig uns Jesus!“ Es ist auch seit Jahren mein Gebet – und das vieler anderer – dass ich Jesus sehen will.
Am Tag seines Todes stand der Vers in Hermann Zaiss’ Kalender. Kurz nachdem er die Zeile notiert hatte, verunglückte der große Solinger Heilungsevangelist auf dem Weg zu einem Predigttermin und starb. Allein das macht diesen Vers für mich schon unvergesslich. Ich habe mich lange mit Hermann Zaiss beschäftigt und werde immer an ihn denken, wenn ich Johannes 12 lese. Es gibt dem schlichten Wunsch, Jesus zu sehen, eine ganz andere Bedeutung.
Früher hatte ich mir das nicht so vorgestellt. Ich habe nicht jedes Mal, wenn ich gebetet habe, Jesus zu sehen, für meinen Tod gebetet. Dennoch hat das etwas Tröstliches: Ich werde Jesus sehen – von Angesicht zu Angesicht. Das ist genauso sicher wie mein körperlicher Tod. 1998 wurde Karla Faye Tucker als zweifache Mörderin zum Tode verurteilt. Im Gefängnis war sie Christin geworden. Kurz vor ihrer Hinrichtung soll sie gesagt haben: „Ich werde Jesus sehen.“ So betrachtet wird dieses Gebet also definitiv erhört. Wir werden Jesus sehen.
Ich hätte früher dabei nie an Tod gedacht, ebenso wenig wie die Griechen, die darum baten, Jesus zu sehen. Sie wollten ihn damals einfach anschauen. Heute ist das mit den natürlichen Augen nicht mehr möglich. Jesus ist gestorben und auferstanden und sitzt nun zur Rechten des Vaters im Himmel. Wir können ihn nicht mit den Augen sehen, aber wir können ihn im Geist sehen.
Ich stellte mir darunter immer eine bahnbrechende Erfahrung vor. Etwas Außergewöhnliches, eine Vision von Jesus. Die Mystiker aller Zeitalter haben atemberaubende Dinge erlebt. Sie haben Dinge gesehen und Erfahrungen mit Gott gemacht, die man schwer beschreiben kann. Manche wirkten geradezu verrückt durch ihre Visionen. So etwas habe ich noch nie erlebt, aber ich wollte es immer gerne. Am liebsten eine Vision mit offenen Augen. Noch lieber eine, mit der man auch sprechen kann, eine interaktive Vision.
Heute stelle ich es mir wieder anders vor, wie Gott das kleine Gebet um Erkenntnis Jesu erhören kann. Ich habe nichts gegen Visionen. Ebenso wenig gegen andere mystische oder charismatische Erlebnisse. In der Regel bete ich aber nicht mehr dafür. Das liegt nicht daran, dass ich es unwichtig finde, Gott auf diese Weise zu erleben, sondern daran, dass es mir wichtiger ist, ihn im Leben anderer zu sehen, als in meinem eigenen.
Die Sehnsucht nach individueller Gotteserfahrung kann leicht eigennützig werden. Man kommt schnell dahin, dass sich das geistliche Leben um ein eigenes subjektives Erleben der Gegenwart Gottes dreht. Auch an diesem Punkt war ich schon und musste schmerzlich lernen, dass sich nicht alles darum dreht, dass ich Gott spüre, umfalle, Engel sehe oder Eindrücke habe.
Wenn ich heute bete, Jesus zu sehen, meine ich, dass ich ihn im Leben anderer Menschen wirken sehen möchte. Ich liebe es, Jesus bei der Arbeit zuzusehen und mitzubekommen, wie Gottes Reich sich unter den Menschen ausbreitet. Es ist einfach toll, zu sehen, wenn Menschen geheilt oder durch ein prophetisches Wort angesprochen werden.

Wir sehen Jesus in seinem Wirken. Wer sich mit dem auseinander setzt, was Jesus getan hat, der sieht Jesus. Sein Innerstes zu bewahren bedeutet somit, es in dem fest zu machen, was Jesus getan hat. Das ist die alleinige Quelle unserer Identität – wir sind, wer wir in ihm sind. Das bringt uns zum letzten Aspekt, den ich heute beleuchten möchte: Wer auf das schaut, was Jesus getan hat, also Jesus im Herzen hat, der wird von allem anderen wegschauen müssen.

indem wir hinschauen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der um der vor ihm liegenden Freude willen die Schande nicht achtete und das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes. (Hebräer 12,2 ELB)

Be Sociable, Share!

Ein Kommentar

  1. Christliche Identität ist mit dem empfangenen Heil zu eigen gegeben, ist nicht weniger als das Sein eines von sich wegglaubenden und deshalb erneuerten, indes zu vollendenden Ichs. Der Christ existiert somit allein das, was er im Glauben an Christus Jesus gnadenhaft ist. Ja, das ist so wahr wie alles Unsein des Menschen falsch.

Schreibe einen Kommentar

Diese HTML-Tags und Attribute sind erlaubt: <a href="" title=""> <abbr title=""> <acronym title=""> <b> <blockquote cite=""> <cite> <code> <del datetime=""> <em> <i> <q cite=""> <s> <strike> <strong>