Letzte Woche habe ich eine Predigt bei der Jesuskonferenz gehalten. In der Predigt ging es um die Aussendungsstelle in Matthäus 10. Es war eine dieser Predigten, die mir selber noch nachhängen. Manchmal hört man etwas, das einen einfach beschäftigt; man kann nicht aus dem Gottesdienst gehen und es sofort vergessen, sondern kehrt in Gedanken und im Gebet immer wieder dazu zurück. So ging es mir mit dieser Predigt, auch wenn ich sie selbst gehalten habe.

In Matthäus 10 geht es darum, dass Jesus seine Jünger wie Schafe unter die Wölfe sendet – in eine Situation hinein, die sie nicht überleben können. Jesus hat Nachfolge nie schön geredet, er war immer ehrlich in Bezug auf die Kosten und Gefahren die es mit sich bringen würde, ihm zu folgen. Tatsächlich hat Jesus das Leben der Jünger nicht beschönigt. Selbst in der einen Stelle in der er seinen Nachfolgern verspricht, dass sie Mütter, Äcker und alles, was sie sonst noch um des Evangeliums aufgeben würden, zurückerstattet bekämen ist der Zusammenhang zunächst einmal negativ: Vor dem Zurückbekommen steht das Verlassen und Aufgeben.
Nach der Predigt sagte jemand: „Eine positive Verheißung hat er ja doch gegeben: ‚Ich bin immer bei Euch’.“ Auch dazu ein klares „jein“, denn bei Licht betrachtet war genau das ja ihr Problem: Jesus war ein Stress-Magnet als er auf der Erde lebte und der auferstandene Jesus stand dem in nichts nach. Die Jünger hätten möglicherweise ein leichteres und entspannteres Leben gehabt wenn sie nicht so viel von Jesus gezeigt hätten.

Mir hilft es enorm, die Bibel immer wieder einmal aus einer anderen Perspektive zu lesen; das bringt immer wieder Erkenntnisse und Tiefe mit sich. Solche Stellen wörtlich zu nehmen und nicht durch den Filter zu betrachten, dass Nachfolge bedeutet, dass Gott alles tut damit es uns gut geht, wirft ein interessantes Licht auf das Leben mit Jesus, das man sonst nicht so hat.
Die Frage ist natürlich, wieso Jesus Jüngerschaft so dargestellt hat wie er es eben getan hat. Gewiss hätte es auch positiveres gegeben was er hätte sagen können. Historisch betrachtet wäre alles andere natürlich glatt gelogen gewesen. Er sandte seine Jünger wirklich wie Schafe unter die Wölfe. Von den zwölfen starb laut kirchengeschichtlichen Quellen nur einer eines natürlichen Todes, nämlich Johannes. Judas starb durch eigene Hand und alle anderen als Märtyrer. Jesus hatte nicht übertrieben als er sie mit so düsteren Zukunftsaussichten hinausschickte.

Heute sieht die Situation, zumindest im Westen, anders aus. Ich kenne niemanden persönlich der als Märtyrer gestorben wäre. Aber immer noch kostet Nachfolge einen Preis. Wer es aus geistlichen Gründen ablehnt zu lügen oder zu betrügen kann schon Druck zu spüren bekommen. Auf vielen Arbeitsstellen ist es absolut üblich Quittungen oder andere Belege zu fälschen. Bei anderen wird ganz selbstverständlich schwarz gearbeitet oder das Finanzamt betrogen. Im Laufe der Jahre habe ich die abenteuerlichsten Geschichten gehört und war oft sehr beeindruckt von Christen, die da nicht mitgemacht haben sondern unbeirrt zu ihren moralischen Werten gestanden haben.

Ich lerne aber aus diesen Bibelstellen noch etwas anderes, allgemeineres über Nachfolge und ich hoffe, dass ich das richtig rüberbringen kann so dass nicht am Ende etwas Falsches dabei herauskommt.
Ich meine, dass wir oft aus einer sehr egoistischen Motivation heraus mit Gott leben. Christen haben dieselben Ansprüche und Wünsche an das Leben wie auch jeder Ungläubige. Die Gefahr ist mehr als groß, dass wir von Gott erwarten, dass er sich jetzt für die Erfüllung all unserer Wünsche zuständig fühlt und es gar nicht mehr um Nachfolge geht sondern darum, was Gott für uns tun kann.
Diese Gefahr ist besonders groß wenn man glaubt, dass Gott ein gutes Leben für uns wünscht, dass er ein Gott der Heilung, der Wiederherstellung und der Versorgung ist. All das glaube ich ganz gewiss, aber es führt leicht in eine falsche Richtung die uns nicht auf Leid vorbereitet und dazu führt, dass wir Gott nicht um seiner selbst willen folgen sondern um dessen willen was er tun kann.
Paradoxerweise steht an der Wurzel der Weltlichkeit oft gerade Gott. Eigentlich ist er es, der uns aus der Welt rettet und über die Welt erhebt. Aber weil er allmächtig ist erwarten wir leicht von ihm, dass er die Erfüllung all unserer „weltlichen“ Wünsche besorgt.
Wer so denkt und glaubt sieht in Gott schnell einen Wunscherfüller von dem er sich leicht wieder abwendet wenn es im Leben nicht so läuft wie man es sich wünscht. Ich habe viele gesehen, die Feuer und Flamme für Jesus waren und ihm dann in Krisenzeiten den Rücken gekehrt haben. Oft hört man das gerade in Bezug auf Gebet: „Ich habe Gott um dieses und jenes gebeten und es ist nicht passiert, dabei hat Jesus doch versprochen uns alles zu geben.“ Auch wenn so etwas bis zu einem gewissen Grad nachvollziehbar ist zeigt es auch eine Schwäche: Wer so denkt liebt nicht Jesus um seiner selbst willen.

Mich haben oft ältere katholische Gläubige an diesem Punkt herausgefordert. Bruder Lorenz zum Beispiel. Sein Buch „allzeit in Gottes Gegenwart“ ist ein Klassiker. Er lebte in Gottes Gegenwart und schätzte Jesus über alles. In der Einleitung schreibt Gerhard Tersteegen:

Es ist unter allen gottseligen Übungen keine allgemeiner, einfältiger, einmaliger, süßer, nützlicher und keine, die mehr die ganze Summe der christlichen Pflichten in ein glückseliges Eins zusammenfasst, als die Übung der liebreichen Gegenwart Gottes, und zwar nach dem Geständnis aller Heiligen. Darin sind uns Henoch, Noah, Abraham, David und unser Heiland selber vorangegangen; und bis in die Gegenwart hinein bezeugen alle Frommen, es sei ihnen gut, dass sie sich nahe zu Gott halten (Ps. 83,28) (Bruder Lorenz (1993): Allzeit in Gottes Gegenwart. Metzingen, S. 7)

Neben seinem Zeugnis hatte Bruder Lorenz theologische Sichtweisen, die ich vollkommen anders sehe als er. Er sah Leiden positiv und meinte, dass es von Gott kommt. Er betete sogar darum krank zu werden und so Gott im Krankheitsleiden zu verherrlichen. Er ging gar nicht erst davon aus, dass Gott ihm ein gutes Leben mit Reichtum, Anerkennung usw. verschaffen wollte.
Da fragt sich mancher, warum man denn mit Gott leben sollte, wenn man nicht den Segen sucht. In Bruder Lorenz kleinem Büchlein blitzt einfach eines hervor: Liebe um Jesu selbst willen.

Vor zwei Jahren las ich in der Weihnachtszeit Mutter Teresas Biographie „Komm, sei mein Licht.“ Darin glänzte derselbe Geist. Sie hatte tiefe Gottesberührungen und Visionen in denen Jesus ihr den Auftrag gab den ärmsten der Armen zu dienen. Ihre Ordensregeln sind streng und stießen deswegen auch bei einigen katholischen Autoritäten auf Widerspruch: Sie wären gar zu hart. In dem Gelübde werden extreme Armut, Keuschheit und Unterordnung verlangt; jede Novizin bekommt einen Ordensnamen.
Viele Christen können sich nicht vorstellen warum man mit Jesus lebt, wenn man von vornherein ausschließt mit den üblichen Dingen gesegnet zu werden die sich Menschen wünschen. Warum folgt man Jesus wenn man nicht berühmt oder gesellschaftlich anerkannt werden wird? Warum folgt man ihm wenn man in Armut lebt und nur den Habit am Leibe, ein Kreuz und eine Bibel besitzt? Warum folgt man ihm wenn man nicht den Partner zum Leben und das Glück findet?
Das ist eine mutige Frage, die ich gerne jeden Hörer und Leser dieser Predigt stellen möchte: „Liebst Du Jesus um seiner selbst willen oder wegen dessen, was er tun kann?“ Ich will kein Heuchler sein, ich könnte selber nicht nach den Regeln der barmherzigen Schwestern leben. Ich meine auch nicht, dass das jeder tun sollte. Aber ich will Jesus um seiner selbst willen lieben.
Es ist schwer zu sagen, warum man jemanden liebt. In einem Eheseminar an dem ich teilnahm lobten alle Männer die Kochkünste ihrer Frauen als die Frage aufkam, was sie an ihrer Partnerin liebten. Oje, das ist ein ziemlich schwacher Grund.
Aber es ist schwer zu sagen, warum man an einem anderen Menschen liebt. Die Schwierigkeit besteht darin, dass uns die Sprache fehlt um so etwas auszudrücken. Wir sagen, dass wir das Aussehen oder den Charakter lieben und wissen, dass das zu kurz greift. Wenn sich das Aussehen nach und nach zum Schlechten verändert muss das nicht das Ende der Liebe sein. Im Grunde kann man diese Frage nicht beantworten.
Bei Jesus, den wir nicht sehen können, der aber unser ganzes Leben und Wesen erfüllt ist es vielleicht noch schwieriger diese Frage zu beantworten. Ich würde mich freuen, wenn in meiner Antwort nicht das Kreuz vorkäme weil auch das wieder etwas ist, was er getan hat, nicht was er ist. Wahrscheinlich kann uns nur Gott selbst eine Antwort auf die Frage geben und vermutlich werden wir kaum darüber sprechen können. Dennoch ist es gut, sich die Frage zu stellen.

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8 Kommentare

  1. Hallo,

    es ist sehr schwierig zu sagen, warum man Jesus liebt. Ich denke ich liebe ihn nicht wegen der Dinge die er tun kann, sondern wegen der die er getan hat. Ganz persönlich für mich und für alle gläubigen Menschen. Das ist mehr, als je ein Mensch für mich tun könnte… Zumal Gott erst durch sein Wirken wirklich sichtbar und erfahrbar wird. Ich denke eines greift hier ins andere.
    Liebe Grüße,

    Steffi

  2. Hallo Steffi,

    herzlich willkommen hier und vielen Dank für Deine Gedanken!

  3. Wenn man liebt, dann zieht es einen in die Nähe dieses einen Menschen. Man weiß oft gar nicht warum und sucht dann mit seinem Verstand nach Gründen (z.B. Äußerlichkeiten, Künste…).
    Mit Gott ist es auch so. Selbst wenn er alle meine Wünsche und Vorstellungen konsequent ignoriert und ich wütend und frustriert deswegen bin, halte ich es trotzdem keine 3 Tage ohne seine Gegenwart aus.
    Ich mag es, wenn er in meiner Nähe ist.

  4. Ich hab irgendwie Angst, dass ich Jesus nie wieder lieben kann. Ich war knapp 20 Jahre mit ihm unterwegs und bin von Anfang an ne schräge Schiene gefahren, irgendwelche katholischen Reste mit Selbsterlösung und guter Mensch sein und alles ertragen kombiniert mit ner flotten Opferhaltung, schätze ich.
    Ich hab Sachen mit Jesus und für Jesus gerissen, aber irgendwann bin ich so derbe auf die Fresse geflogen, dass ich mich auch jetzt, Jahre später, noch nicht davon erholt hab. Es geht nicht um Drogen oder sowas. Ich bin einfach weit über mein Limit raus und hab aus eigener Kraft gehandelt, aus unerschöpflicher Opferbereitschaft und dergleichen.
    Leider hab ich bei der ganzen Aktion – spätestens als ich auf der Fresse lag – verlernt, dass Jesus gut ist. Ich kann irgendwie nicht mehr unterscheiden, weil da zwei Aspekte sind, zum Einen, dass ich erkannt hab, dass ich einem falschen Ideal nachgerannt bin, das Selbstverleugnung als Problembewältigung betreibt, so nach dem Motto, wenn ich mich verleugne, hab ich ja auch keine Schmerzen mehr… und immer liebes Kind sein wollen. Das will ich ja hinter mir lassen. Gleichzeitig hab ich scheinbar nie wirklich geglaubt, dass Gott es gut mit mir meint. Viele Lehrmeinungen von vielen Leuten haben mich verwirrt und ich hab das Gefühl, Gott ist Trilliarden Lichtjahre weg von mir, ich hab alles verkackt und in den Sand gesetzt und der Heilige Geist war zuletzt vor fünf Jahren zu Besuch oder so. Die Bibel ist für mich leer, ohne Buchstaben auf den Zeilen, ich check nix mehr. Früher konnt ich vieles praktisch auswendig, ich hab sie zig mal gelesen und konnt mich dran festhalten. Alles weg, alles infrage gestellt, ohne Ergebnis, nur Zweifel. An allem, bis hin zu Gottes Existenz.
    Ich könnt Heuln… aber das hilft ja auch nix.

  5. Hallo Janne,

    erst einmal danke für deinen ehrlichen kommentar. es tut mir sehr leid, das zu lesen. sicherlich geht es vielen so wie dir. oft macht man viel mehr als verlangt wird und endet völlig ausgebrannt und leer. ich habe für dich gebetet und hatte den eindruck, dass deine seele noch zeit braucht zum heilen, dass gott aber bei dir ist. ich hoffe, dass es nicht mehr so lange dauert bis du den heiligen geist wieder erlebst.

  6. DANKE storch.

  7. Im Verzicht, im Opfer, im Fasten geht es also um eine Umorientierung: weg von uns selbst – hin auf den eigentlichen Mittelpunkt unseres Lebens: auf den lebendigen Gott. Wir müssen uns selbst aus der Mitte rücken und Gott wieder den Platz zuerkennen, der ihm und nur ihm zukommt. Dieser Prozess ist mühsam; er ist nicht nach unserem Geschmack; aber er ist notwendig; er ist zu unserem Heil. Darauf will uns die Kirche aufmerksam machen, wenn sie uns den Verzicht, das Fasten empfiehlt. Und das will uns Jesus selbst lehren, wenn er sich in die Wüste begibt, um zu fasten und zu beten. Es geht um etwas unbedingt Wichtiges; es geht letztlich darum, was und wer die Mitte unseres Lebens ist: wir selber oder Gott! Für uns Christen kann es aber nur Gott sein, der uns in Jesus Christus nahe gekommen ist. Wir wollen ihn bitten, dass wir dies nie vergessen.

  8. Hi Panama,

    Deine Kommentare waren Spam, wo ich sie eben erst entdeckt habe. Ich sehe da nur sporadisch mal rein, deshalb dauert es manchmal bis Kommentare dann freigeschaltet werden.
    In diesem Sinne ein verspätetes Willkommen!

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