02. Oktober 2011 2
Bill Johnsons Heilungstheologie 4
04| Theologische Quellen
Deutschen Theologen stellt sich Theologie meist als eine kognitive Sache dar, die mitunter sehr philosophisch ist. Es gab aber in der Kirchengeschichte auch immer Strömungen in denen es mehr um das Erlebnis Gottes ging. Bill Johnson schöpft mehr aus diesem Quellen als der philosophischen oder wissenschaftlichen Theologie. Das zeigt sich unter anderem darin, dass es schwer ist, von Bethel klare dogmatische Aussagen über ein grundlegendes Glaubensbekenntnis hinaus zu bekommen[1] und darin, dass Bethel seit 2006 eine non-denominational church ist[2]. So würde man die wichtigsten theologischen Systeme zu denen sich Bill implizit oder explizit immer wieder bekennt, mehr Erfahrung als Wissen zuordnen. Speziell in Deutschland sind diese Systeme nicht unumstritten.
Es dürfte nicht möglich sein, eine ganz sichere Auskunft über Bills theologische Quellen zu geben so lange man nicht auf Informationen aus erster Hand zurückgreifen kann. Da ich Bill leider nicht persönlich kenne und so auf Quellen Dritter angewiesen bin, wird dieser Teil gewisse Unsicherheiten nicht vermeiden können. Ich bitte jeden Leser, das in Betracht zu ziehen und mit zu lesen, dass dies meine Interpretation ist.
4.1 Die Pfingstbewegung
Bethel war bis 2006 eine Gemeinde der Assemblies of God (AOG[3]). Von daher hat Bethel quasi „von Haus aus“ eine pfingstliche Prägung. Dass Bill Johnson diese Prägung auch hat, legt bereits die Tatsache nahe, dass sein Vater, Melvin Earl Johnson (1929-2004), von 1968-1982 Pastor der Gemeinde war bevor er sein Pastorat niederlegte um die Distriktleitung der AOG zu gehen[4]. Darüber hinaus spricht Bill immer wieder von Pfingstpionieren die ihn inspirieren, allen voran natürlich Smith Wigglesworth[5].
Die Pfinstbewegung entstand Anfang des letzten Jahrhunderts in den USA. 1901 wurde unter Charles Parham[6] die Gabe des Sprachengebets in der Topeka Bible School wiederentdeckt, was letztlich den Auslöser für die Entstehung der Bewegung darstellte. Da Bills Großeltern etwa zu dieser Zeit die Gabe des Sprachengebetes empfingen[7] ist anzunehmen, dass sie geistlich nicht weit von diesem Epizentrum der Erweckung entfernt waren.
Heute zeigt sich Bethel kulturell als eine pfingstliche Gemeinde in der Geistesgaben betont werden. Andere Elemente, wie die Anbetung kommen allerdings eher aus der charismatischen Bewegung, die eine Art Fortführung der Pfingstbewegung ist. Besonders hervorzuheben ist Bethels Partnerschaft mit der „Toronto Airport Christian Fellowship“ (TACF) in der Bill selbst einige Schlüsselerlebnisse seines Dienstes hatte und mit der ihn lebenslange Freundschaften verbinden. Die TACF hat in den 90er Jahren des 20.Jahrhunderts weltweite Berühmtheit durch den sogenannten „Torontosegen“[8] bekommen. Hierher kommt eine starke Betonung von Anbetung, Manifestationen und Salbung.
Die Manifestationen wie ruhen im Geist, heiliges Lachen und anderes werden von anderen Christen immer wieder an Bethel kritisiert. Amanda Winters, Journalistin beim Redding Spotlight schrieb:
Bethel is well known for its connection with the Toronto Airport Christian Fellowship (TACF) and the Vineyard churches, but both churches are controversial flash points in charismatic Christianity (…). The TACF was one of the Association of Vineyard Churches, which is part of the Third Wave movement, until the Toronto Blessing revival in 1994. The strange behavior exhibited by those experiencing „the anointing of God“ caused a rift between the Vineyard churches and TACF.[9]
Ihre dreiteilige Artikelserie vom Januar 2010 hatte viele Kommentare von denen die meisten negativ waren und die bei vielen Einwohnern Reddings ein Bild von Bethel als einer Gemeinde von Verrückten zeigten. Offenbar werden derartige Diskussionen in den USA anders geführt als in Deutschland und so gab es viel theologische Kritik die zumeist auf Geistesgaben, Anbetungsstil und Manifestationen abzielte. Es besteht die Möglichkeit, dass Bethel durch ihren Stil zu einem Insiderclub für charismatische Hardliner geworden ist. Diese kommen zwar aus aller Welt und natürlich auch den USA, aber die Kultur scheint zu Verständnisproblemen mit den Menschen im eigenen Ort zu führen.
Salbung, englisch anointing ist ein Begriff, der im pfingstlichen Sprachgebrauch überall anzutreffen ist. Es ist ein vielschichtiges Wort, das den Heiligen Geist, seine spürbare Nähe oder seine Gaben bezeichnen kann. Im Neuen Testament liegt ihm das griechische Wort chrisma zugrunde, das nur an zwei Stellen in den Johannesbriefen vorkommt[10]. Für Bill bedeutet es eine spürbare Gegenwart Gottes. Durch Gottes Gegenwart werden Menschen geheilt. Im vierten Teil der Predigtreihe „Healing – our neglected birthright“ beschreibt Bill wie er mit geschlossenen Augen spürte, wie die Salbung in den Gottesdienstraum kam und sich ausbreitete. Als er die Augen öffnete, wurde ein Mann von Krebs geheilt, der genau dort saß wo Bill die Salbung sich ausbreiten spürte[11].
In allen pfingstlichen und neupfingstlichen Gruppen spielt diese spürbare Gegenwart Gottes eine große Rolle. So etwa bei Todd Bentley[12], Benny Hinn[13] oder Bob Jones[14], die alle von Bill Johnson in der einen oder anderen Weise positiv erwähnt wurden und die teilweise in Bethel gepredigt haben. Laut der eben zitierten Predigt ist die Salbung eine von drei Arten, auf die Gott heilt. Daher ist es verständlich, dass Bill immer wieder über die Salbung spricht und dass es ein Ziel der BSSM ist, dass Studenten lernen, sie mehr wahr zu nehmen und mit ihr „zusammen zu arbeiten“.
Trotz Bills intensiver Beschäftigung mit der Erweckungsgeschichte ist es schwer zu sagen, wann die Geschichte der Heilung beginnt. Die Zeit zwischen dem Neuen Testament und dem 19. Jahrhundert wird nie erwähnt. Die frühesten Einträge des „Heritage of Healing“-Posters[15] beziehen sich auf Johann Christoph Blumhardt[16] (1805-1880) in Deutschland. Aus diesem Grund wird Heilung manchmal in Deutschland als Reimport bezeichnet: Die Wurzeln der Bewegung liegen hier. Dennoch ist mir in keinem Buch oder Predigt mal aufgefallen, dass Bill sich auf Blumhardt oder einen anderen deutschen Heilungsprediger bezogen hätte. Vielleicht liegt das auch daran, dass die Werke der deutschen Pioniere nicht ins Englische übersetzt wurden? Zwischen den Beispielen des Neuen Testamentes und den tatsächlichen Vorbildern klafft also eine große Lücke und etwa die Heilung von Melanchthon oder die paar Erwähnungen von Heilungen bei Augustinus werden nicht erwähnt. Letzteres kann natürlich daran liegen, dass die Geschichten vor dem neunzehnten Jahrhundert nicht viele Details hergeben und so maximal eine Kontinuität des Wirkens Gottes über zwei Jahrtausende hinweg belegen, aber kein Modell des Heilungsdienstes bereitstellen können.
Von daher geht die Geschichte der Heilungsbewegungen im Grunde erst mit John Alexander Dowie[17] los, der Anfang des 20.Jahrhunderts Heilung von Australien nach Amerika brachte. Dowie ist auch tatsächlich eine Figur der man bei Bill Johnson immer wieder begegnet. Er hatte sein Schlüsselerlebnis während einer Epidemie in Australien, wo er als Pastor diente.[18] Seine Schlüsselstelle war Apostelgeschichte 10,38:
wie Gott Jesus von Nazareth mit Heiligem Geist und Kraft gesalbt hat, und wie dieser umherzog und Gutes tat und alle heilte, die vom Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit ihm. (Apostelgeschichte 10,38 nach der Schlachterübersetzung)
Aus dieser Stelle leitet Bill eine seiner wichtigsten Aussagen über Heilung überhaupt ab: Dass Krankheit vom Teufel war und Gott Jesus gesalbt hat, gegen Krankheit zu kämpfen. Laut Bill ist in den letzten 2000 Jahren Kirchengeschichte etwas falsch gelaufen und es sieht aus, als hätten Gott und der Teufel die Rollen getauscht. Früher war alles ganz einfach, Gott war gut und der Teufel böse. Krankheit war schlecht und daher von Teufel, Gesundheit und Heilung gut und daher von Gott. Heute sieht es anders aus und Gott macht seine Kinder krank um sie etwas zu lehren und ihren Charakter zu besser, während Christen die für Heilung beten unter dem Verdacht stehen, vom Teufel zu sein. In der Bibel war das noch anders (Johannes 10,10). Eine der wichtigsten Lektionen die es zu lernen gilt, steckt in diesem Vers und Bill kennt niemanden, der effektiv im Heilungsdienst wurde ohne zu verstehen, dass Gott immer gegen Krankheit und jeden anderen Feind der Menschheit ist. Von dieser Aussage handelt ein großer Teil der ersten Predigt der Reihe „Healing – our neglected Birthright“.
Hier ist also durchaus eine systematische Aussage, die sich durch den ganzen Korpus von Bills Werken zieht. Streng genommen begann Dowies Dienst zeitlich noch etwas vor der Pfingstbewegung, aber später war er ein sehr einflussreicher Prediger dieser Bewegung und seine Erkenntnis wurde von Pfingstpionieren wie John G.Lake oder F.F.Bosworth weiter ausgeführt und präzisiert.
4.2 Bethel und die prophetische Bewegung
Bethel arbeitet viel mit anderen Propheten aus dem ganzen Land und teilweise der Welt zusammen. Ein besonders prominentes Beispiel dafür ist Bob Jones, der einige entscheidende Impulse gegeben hat und regelmäßig auf den prophetischen Konferenzen am Jahresanfang predigt und prophezeit. Es ist Bill wichtig von Gott zu hören und die Gemeinde so zu leiten, dass wirklich Jesus das Haupt ist und nicht menschliche Überlegungen. Daher sind Entscheidungen oft eher von einem prophetischen Wort eingeleitet als von der Bibel her begründet. Das gilt auch für sehr wesentliche Richtungsentscheidungen wie der internationalen Ausrichtung der Bethel Church[19].
Auch im Heilungsdienst ist Prophetie wichtig weil man versucht auf Gott zu hören und nicht nur menschliche Faktoren im Blick zu haben sondern auch Gott hinter und in allem zu sehen. Das Reden Gottes hängt tatsächlich sehr hoch in Redding.
4.3 Latter Rain und Bethels Eschatologie
In den USA ist Eschatologie[20] ein weitaus größeres Thema als in Deutschland. Die theologische Diskussion über Heilung im speziellen und Geistesgaben im allgemeinen wird stark auf dem Feld der Eschatologie ausgetragen. Das ist mir aus eigener Beobachtung sehr deutlich geworden als Kris Vallotton[21] 2011 in Speyer auf einer Konferenz einen ganzen Abend über die Endzeit gesprochen hat und seine Meinung begründete, dass in den letzten Tagen mit einer großen Erweckung des Heiligen Geistes zu rechnen sei. Der theologische Mainstream geht offenbar eher davon aus, dass die letzten Tage düster sind und nur ein kleiner Überrest der Christen aus der Hand des Antichristen errettet wird. Das ist auch die theologische Weltsicht, die Tim LaHey und Jerry B. Jenkins in ihrer Bestsellerreihe „Finale“ vertreten. Demgegenüber steht die theologische Sicht des „latter rain“, die von einer endzeitlichen Erweckung ausgeht. Bethel glaubt sehr stark an diese Endzeiterweckung mit Zeichen und Wundern, während Gegnern der latter-rain-theology Christen unheimlich sind, die heute noch Zeichen und Wunder erleben. Ihrer Meinung nach haben Wunder mit dem Tod des letzten Apostels aufgehört und es ist eher in den letzten Tagen mit einer antichristlichen Zeichen und Wunderbewegung zu rechnen. Daher sehen sie in Bethel eine große Gefahr und Verführung. Einige „aufklärerische“ Webseiten warnen unter anderem aus diesem Grunde vor Bethel[22].
4.4 Vineyard
Bethel selbst gibt einen Zeitstrahl, ein Poster zur Entwicklung der Heilungsbewegungen heraus[23]. Natürlich hat auch Bill Johnson hier ein Kästchen. Dort wird als theologischer Einfluss die Theologie des Reiches Gottes nach George Eldon Ladd[24] genannt. Ob Bill Ladd persönlich kennen lernte weiß ich leider nicht, sicher ist, dass Bill Heilungsseminare bei John Wimber besuchte und in der Folgezeit eine eigene erweckliche Phase erlebte, in der es einige Heilungen gab. Später weckte das allerdings mehr Hunger in ihm als dass es ihn befriedigte. Wimber hatte also tatsächlich einen gewissen Einfluss auf Bills Ruf in den Heilungsdienst.
In 1987 I attended one of John Wimber´s conferences on signs and wonders in Anaheim, California. I left discouraged. Everything that was taught, including many of the illustrations, I had taught. The reason for my discouragement was the fact, that they had fruit for what they believed.All I had was a good doctrine[25].
There comes a time when simply knowing truth will no longer satisfy. If it does not change the circumstances for good, what good is it? A serious reexamination of personal priorities began. It was apparent that I could no longer expect good things to happen simply because I believed they could… or even should. There was a risk-factor I had failed to enter into – Wimber called it faith. Teaching MUST be followed with action that makes room for god to move.
Things changed immidiately. We prayed for people and saw miracles. It was glorious, but it didnt´t take long to discover that there were many also that weren´t healed. Discouragement set in, and the pursuit with risks decreased.
On my first trip to toronto in March 1995, I promised God if He would touch me again, I would never back off. I would never again change the subject. My promise meant that I would make the outpouring of the Holy Spirit, with the full manifestations of his gifts – the sole purpose for my existence. And I would never stray from that call – no matter what! He touched me, and I have pursued without fail[26].
In Bills Theologie nimmt das Reich Gottes einen sehr zentralen Stellenwert ein. Ein Schlüsselsatz ist die Stelle im Vaterunser wo wir beten: „Dein Reich komme, Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden[27].“ Laut Bill Johnson ist das unsere Aufgabe: Zu beten und dafür einzustehen, dass auf dieser Erde die selben Zustände herrschen wie im Himmel. Unser Auftrag ist, den Himmel auf die Erde zu bringen. Das Anbrechen des Himmels zeigt sich in verschiedenen Zeichen von denen eines der wichtigsten Heilung ist. Die Argumentation dahinter ist, dass es im Himmel keine Krankheit gibt und wir deshalb daran arbeiten, dass es auch auf Erden keine Krankheit gibt. Dazu ist der übernatürliche Heilungsdienst nicht die einzige Möglichkeit sondern auch der Dienst von Ärzten wird in Ehren gehalten. An diesem Punkt scheint mir Bill radikaler zu sein als Wimber. Für ihn ist es die Aufgabe eines jeden Christen durch den Glauben die Wirklichkeit des Himmels auf die Erde zu bringen: „There are no tumors in heaven, and faith brings that reality into this one[28].“
John Wimber gilt als einer der Begründer der „third wave“, der dritten Welle des Heiligen Geistes. Die erste Welle ist die Pfingstbewegung Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts, die zweite die charismatische Bewegung und die dritte eine Bewegung, die das Wirken des Heiligen Geistes in die evangelikale Szene bringen wollte. Wimber selbst war in den 1970er Jahren von der Affektiertheit Kathryn Kuhlmans[29] ebenso abgestoßen wie er von ihren übernatürlichen Heilungen beeindruckt war. Daraus erwuchs der Wunsch das übernatürliche Wirken des Heiligen Geistes mit bodenständiger Theologie und ohne die Betonung der Manifestationen zu erleben. Wimber war ein durchaus nüchterner Mann, was von vielen Vertretern der charismatischen Bewegung nicht behaupten konnte.
Eine besondere Note lag auf der Wiederentdeckung des Reiches Gottes als Kernthema christlicher Verkündigung. Diese Wiederentdeckung fing nicht mit Wimber an sondern baute theologisch auf die Arbeit von George Ladd auf, der Professor am Fuller Seminary war. Ladd untersuchte in mehreren Büchern[30] den Begriff „Gottes Reich“ auf seine zeitlichen Dimensionen hin und kam zu dem Schluss, dass in der Bibel von Gottes Reich als etwas gesprochen wird, das eine vergangene, gegenwärtige und zukünftige Dimension hat. Die praktische Schlussfolgerung ist, dass Gottes Reich in der Spannung zwischen dem „schon jetzt“ und dem „noch nicht“ existiert. Wir sehen Zeichen des Reiches, das Reich ist mitten unter uns, aber wir sehen es noch nicht ganz, denn ich seiner Ganzheit wird es erst im Himmel sichtbar. Diese Spannung wird oft als eschatologische Spannung bezeichnet.
Für John Wimber ist Gottes Reich dem Reich der Welt oder des Teufels in allen Bereichen überlegen. Er nennt besonders vier Bereiche[31]:
- Dämonen: Dadurch, dass Jesus ständig Dämonen austrieb, wurde deutlich, dass Satan Gottes Reich nichts entgegenzusetzen hat.
- Krankheit: Ungefähr 15% der Verse in den Evangelien handeln von Heilung; damit hat Jesus die Realität eines Reiches ohne Krankheit gezeigt.
- Natur: Die Beschreibung des Paradieses im ersten Buch Mose zeigt, dass gefährliche Naturphänomene erst nach dem Sündenfall auftraten. Indem er den Sturm gestillt hat, zeigte Jesus, dass es in Gottes ewigem Reich auch keine Naturkatastrophen mehr geben wird.
- Tod: Jesus holte Menschen vom Tod zurück und stand selbst wieder von den Toten auf. Gottes Reich ist stärker als der Tod.
Diese Überlegenheit sieht Bill Johnson sicherlich absolut gleich. Auch für ihn ist Gottes Reich absolut überlegen und so redet auch er viel über Gottes Reich. Er setzt allerdings in zwei entscheidenden Bereichen etwas andere Akzente als Wimber.
1) Kingdom-mindset
In Bethel geht es viel darum, eine Reich-Gottes-Kultur aufzubauen und zu lernen, so zu denken und sich zu verhalten wie es gottgemäß ist. Das Reich Gottes wird oft mit Prinzipien übersetzt nach denen man lebt und handelt. Gottes Reich ist damit nicht in erster Linie etwas das kommt, sondern etwas in dem man lebt und man lernt sich entsprechend zu verhalten.
Zusätzlich ist es aber auch das Reich Jesu (Kingdom = the kings domain) und wenn der König kommt, dann bringt er sein Reich mit sich. Christsein hat also viel damit zu tun, eine Lebensart zu entwickeln die dem Königreich entspricht in dem man lebt und so zu leben, dass der König sein Reich durch uns in die Welt bringen kann. Die Spannung ist also weniger eine eschatologische sondern mehr darin begründet, dass nicht jeder Christ das lebt, wozu er eigentlich berufen ist. Bethels Ausbildungsprogramm zielt darauf ab, Erweckungsträger (revivalists) hervorzubringen, die das Reich in die Welt hinaus tragen und so „den Lauf der Geschichte ändern“, wie Bill es oft ausdrückt.
Damit ist eine ganze neue Spannung angesprochen. Die Pole dieser Spannung sind einerseits der offenbarte Wille Gottes in der Bibel und die Prinzipien, die uns das Wort mitgibt, und andererseits die Gegenwart Jesu, die das Reich automatisch mitbringt. Es ist zu wenig, nach den Prinzipien des Reiches zu leben, aber es ist auch wichtig.
2) Auflösung der Spannung
Von der eschatologischen Spannung Wimbers merkt man in Bills Predigten und Büchern wenig. Wo Wimber recht viel vom schon jetzt und noch nicht redet, geht es Bill Johnson mehr um den Willen Gottes jetzt schon alles zu tun. Geht es bei Wimber viel um das Reich, spricht Johnson mehr über Glaube und Erkenntnis. Einer der Kernsätze in seiner Heilungstheologie ist, dass wir uns weniger mit dem beschäftigen sollten, was Gott nicht getan hat und mehr mit dem, was er getan hat. Es ist der Glaube da, dass Gott jede Krankheit bei jedem Menschen heilen kann. Die Messlatte ist „Jesus heilte alle.“ So lange wir noch nicht da sind, leben wir nicht so mit dem Heiligen Geist wie Jesus.
An diesem Punkt kommt eine weitere wichtige Lehre ins Spiel, nämlich dass Jesus in allem unser Vorbild ist und unser Dienst so aussehen sollte wie seiner. Christologisch vertritt Bill hier eine klassische Kenosis-Theologie:[32] Jesus entleerte sich seiner göttlichen Attribute als er Mensch wurde und kann so zu unserem Vorbild werden weil er seine Wunder nicht als Gott tat sondern als Mensch der erfüllt mit dem Heiligen Geist war. Besonders pointiert heißt es:
Jesus could not heal the sick: Neither could he deliever the tormented from demons or raise the dead. To believe otherwise is to ignore what he said about Himself, and more importantly, to miss the purpose of his self-imposed restriction to live as a man.
(…)
Jesus became the model for all who would embrace the invitation to invade the impossible in his name. He performed miracles, wonders and signs as a man in right relationship to god … not as God[33].
Dieser Theologie wird zum Teil heftig widersprochen und sie ist ein weiterer Grund, warum manche ihn als Irrlehrer bezeichnen[34]. Für Bills Heilungstheologie ist diese Lehre allerdings von entscheidender Bedeutung, denn das Vorbild Jesu steht und fällt für ihn an der Frage, ob Jesus Wunder als Gott oder als Mensch getan hat. Hat er sie als Gott getan kann niemand ihm nachfolgen. Hat er sie als Mensch getan, kann er unser Vorbild sein. Christologie hat also, mindestens im vorliegenden Fall, bedeutende Auswirkung auf die Praxis von Zeichen und Wundern. In diese theologische Sicht fügen sich natürlich sehr viele weitere Schriftstellen und Anweisungen Jesu ein und ihnen der Missionsbefehl in Markus 16 und die Verheißung größerer Werke in Johannes 14,12.
Die Person Jesu nimmt für Bill Johnson einen sehr großen Stellenwert ein, nicht nur sein Tod interessiert ihn sondern auch sein Leben. Für Bill ist beides wichtig: Jesus ist für ein komplettes Heil gestorben, aber er hat als Vorbild für uns gelebt. Für John Wimber war die Bibel ein sehr wichtiges Buch und er war bekannt für die Frage: „Ist es im Buch?“ Für Bill Johnson ist das Feld noch enger gesteckt. Er sagt immer wieder „Jesus Christ is perfect theology[35]“. Wenn man eine Theologie nicht im Leben Jesu findet, dann gilt sie auch nicht. Besonders bedeutend ist das wieder im Heilungsbereich. Hier stellt Bill immer wieder Fragen an die Evangelien: „Hat Jesus jemanden krank weggeschickt?“ „Hat Jesus jemanden krank gemacht um seinen Charakter zu bessern?“ „Hat Jesus jemandem gesagt, dass er krank ist weil es der Wille des Vater ist?“ Die Antwort auf diese Fragen muss unsere eigene Heilungstheologie maßgeblicher beeinflussen als alles andere.
Die praktische Konsequenz der Entleerung Christi von seinen göttlichen Attributen ist, dass wir dieselben Möglichkeiten haben wie er. Wir leben durch Gnade und Vergebung in derselben Beziehung zu Gott und sind mit demselben Heiligen Geist erfüllt wie Jesus. Das gibt uns eine Verantwortung dazu Gottes Reich hier auf der Erde zu bauen. Diese Verantwortung durchzieht Bills Predigten und Bücher. Hier ist auch ein Zusammenhang mit der Glaubensbewegung, denn wir sind geboren über Sünde und Krankheit zu herrschen und Gottes Reich aufzurichten. Die Frage ist nicht, warum Gott das Leid in der Welt zulässt sondern warum die Kirche es zulässt.
Die Aufgabe des Lebens Jesu ist, uns ein Vorbild dafür zu geben was möglich ist wenn ein Mensch Gott ernst nimmt und mit ihm lebt. Der Erfolg der BSSM in der Ausbildung zahlreicher Christen im Zeichen- und Wunderdienst zeigt, dass das nicht nur ein frommer Gedanke ist sondern dass Jesus ein reales Vorbild sein kann. Diese Verantwortung das Reich zu bauen erstreckt sich über jeden Bereich des (geistlichen) Lebens. „Those who don’t pray allow darkness to continue ruling[36].“ Diese große Verantwortung die er auf den einzelnen Christen legt ist sicherlich eine zusätzlich Quelle aus der sich die Kritik gegen Bill speist. Er predigt keine Religion in der man sich entspannt in die Souveränität Gottes zurücklegt und darauf wartet, dass der Herr schon sein Reich baut. Mit den Möglichkeiten des Geistes kommt die Verantwortung des Dienstes.
Eine weitere Konsequenz aus dieser Theologie ist, dass Jesus der absolute Standard wird für alles, was wir tun. Unsere Theologie darf sich nicht unserer Erfahrung beugen sondern die Erfahrung muss sich, umgekehrt, der Bibel unterordnen. Im Heilungsbereich bedeutet das, für 100% Heilungen zu glauben.
I will not lower the standard of the Bible to my level of experience.
Jesus healed everyone who came to him. To accept any other standard is to bring the Bible down to our level of experience, and deny the nature of the One who changes not[37].
4.5 Die Glaubensbewegung
In einigen Aspekten klang bereits im Teil über den Vineyardeinfluss ein weiterer Einfluss ein: Die Glaubensbewegung. Bill selbst hat in einer Predigt gesagt, dass er die Andachtsbücher von Kenneth Hagin[38] liest[39]. Hagin ist der bedeutendste Vertreter der sogenannten Glaubensbewegung. Wie der Name sagt, geht es in der Glaubensbewegung um Glauben. Darum, biblische Wahrheiten im Glauben zu ergreifen und zu erleben, dass die Zusagen in Gottes Wort funktionieren.
Im englischen Sprachraum wird öfter der Ausdruck „kingdom now“ benutzt um Bills Theologie zu beschreiben. Der Ausdruck ist durchweg negativ belegt und beschreibt eine Theologie die davon ausgeht, dass uns Gottes Reich heute zur Verfügung steht[40]. In eine ähnliche Richtung geht „dominion theology“, der Ausdruck ist allerdings etwas neutraler. Dominion theology geht davon aus, dass die Menschheit in Adam und Eva beim Sündenfall die Kontrolle über die Welt an Satan abgegeben haben. Seitdem ist die Welt in der Hand des Teufels und Gott führt seinen Heilsplan aus um die Welt wieder zu retten. Die entscheidende Schlacht wurde am Kreuz geschlagen und jetzt ist es unsere Aufgabe als Gläubige, in Gottes Kraft wieder zu herrschen. Das bedeutet konkret, dass wir satanischen Mächten in allen Bereichen des privaten und gesellschaftlichen Lebens Einhalt gebieten und Gottes Reich in die Welt hinein bringen. Wir nehmen also Herrschaft über die Macht des Feindes.
Für Bill ist Autorität einer der Wege um Menschen zu heilen[41]. Glaubenstheologie hat viel mit Autorität zu tun, die im Glauben an das Erlösungswerk Christi gründet. Kenneth Hagin hatte selber auch die Gabe der Heilung, die ihm Jesus ihm persönlich in einer Vision gegeben hat, aber er sah Heilung als unabhängig von Gottes Gegenwart und der Salbung ab. Man kann auch heilen indem man einfach das Wort der Heilung predigt und so Glauben weckt. Damit ist Glaubenstheologie sehr prinzipienorientiert.
Wenn Bill mehr auf den jetzt-Aspekt des Gottesreiches abhebt als auf das kommende Reich ist das klassische Glaubenstheologie – es steht uns bereits jetzt alles im Glauben zur Verfügung wofür Jesus gestorben ist.
[1] Tatsächlich habe ich im Internet nicht einmal ein Glaubensbekenntnis gefunden.
[2] In der Begründung zur Trennung Bethels von den Aesemblies of God wird als Grund angegeben, dass Gott Bethel den Ruf gegeben hat, ein eigenes Netzwerk aufzubauen und als Katalysator für Gemeinden zu wirken. Dieses Netzwerk drückt sich mittlerweile unter anderem in Leitunskonferenzen und global legacy aus:
http://www.igloballegacy.org/
Wörtlich heißt es in der Erklärung Bethels:
„…we feel called to create a network that helps other networks thrive – to be one of many ongoing catalysts in this continuing revival. Our call feels unique enough theologically and practically from the call on the Assemblies of God that this change is appropriate.“
Quelle: http://www.ibethel.org/bethel-and-the-assemblies-of-god
Worin die theologische Andersartigkeit besteht wird in der Veröffentlichung allerdings nicht gesagt.
[3] Weiter unten gehe ich noch auf die Gründe für die Trennung von der Bewegung ein.
[4] http://en.wikipedia.org/wiki/Bill_Johnson_(pastor)
[5] A.a.o.
[6] Charles Fox Parham 1873-1929) war ein amerikanischer Prediger und Mitbegründer der Pfingstbewegung. In seiner Bibelschule in Topeka wurde 1901 die Gabe des Sprachengebets als Zeichen der Geistestaufe wiedernetdeckt. Vgl. Liardon (1998) Seiten 109ff
[7] Johnson (2003)
[8] http://de.wikipedia.org/wiki/Torontosegen
[9] http://www.redding.com/news/2010/jan/19/bethels-signs-and-wonders-include-angel-feathers/
[10] 1.Johannes 2,20 und 27
[11] Johnson, Healing our neglected Birthright
[12] Geboren 1976, Kanadischer Evangelist, der besonders durch die „Lakelanderweckung 2008. http://www.freshfire.ca/
[13] *1952 israelisch-amerikanischer Heilungsprediger. http://www.bennyhinn.org/
[14] amerikanischer Prophet. http://www.bobjones.org/
[15] Dedmon (2009)
[16] 1805-1880 deutscher Erweckungsprediger, der besonders durch den Befreiungsdienst an der Gottliebin Ditthus Bekanntheit erlangte. http://de.wikipedia.org/wiki/Johann_Christoph_Blumhardt
[17] 1847-1907 schottisch-amerikanischer Erweckungsprediger und Gründer der Stadt Zion, Illinois.
[18] vgl. Liardon (1998), Seiten 20ff
[19] In Johnson (2006), Seiten 80ff schreibt Bill darüber wie man durch ungewöhnliche Situationen von Gott geleitet werden kann. Das Beispiel ist wie ein Roadrunner die internationale Ausrichtung Bethels bestätigt. Es lohnt sich, diese Geschichte einmal zu lesen, deshalb verrate ich hier nicht mehr.
[20] Eschatologie ist die Lehre von den letzuten Dingen, also von Jesu Wiederkunft, dem Gericht und allem was davor geschieht. http://de.wikipedia.org/wiki/Eschatologie
[21] Kris Vallotton leitet die Bethel School of supernatural ministry und ist Co-Pastor der Bethel Church.
[22] z.B. http://www.christianresearchservice.com/
[23] Dedmon (2009)
[24] Geoge Eldon Ladd (1911-1982) war Professor für neutestamentliche Exegese am Fuller Seminary. Er beschäftigte sich in einigen Büchern mit Gottes Reich und legte damit den Grundstein für die Theologie der Vineyardbewegung.
[25] In Johnson (2005), Seite 30 schreibt Bill über diese Zeit:
„I wish I could say I have always lived in the everyday miraculous, but I haven’t. I´ve been a pastor for decades, but I didn`t see miracles for most of that time. I believed in healing and deliverance, but neither I nor the people I led prayed for them with any success. We had correct doctrine, but not correct practice. However, a number of years ago God began to take us on a journey, giving us fresh Kingdom eyes to see what normal Christian live ought to be.“
[26] Johnson (2003), Seite 88
[27] Matthäus 6,10
[28] Johnson (2003), Seite 46
[29] s.Anmerkung oben
[30] s.z.B. Ladd (1959)
[31] vgl. z.B. Wimber (1998), Seiten 22ff
[32] vgl.auch Storch (2010), Seiten 12f
[33] Johnson (2003), Seite 29
[34] Eine intelligente und theologisch interessante Auseinandersetzung bietet crosswise:
http://notunlikelee.wordpress.com/2011/06/14/kenosis-christology-and-bill-johnson-part-i/ und
http://notunlikelee.wordpress.com/2011/06/16/kenosis-christology-and-bill-johnson-part-ii/
[35] z.B. Johnson (2007a), Seite 107
[36] Johnson (2003), Seite 64
[37] Johnson (2003), Seite 115
[38] Kenneth Hagin (1917-2003) war ein amerikanischer Prediger und wichtige Gründerfigur der Glaubensbewegung. http://www.rhema.org/
[39] Leider kann ich die Aussage nicht nachweisen und muss mich hier auf mein Gedächtnis verlassen.
[40] Eine Quelle, die Bill und kingdom now in Verbindung bringt: http://www.cerm.info/bible_studies/Apologetics/WordofFaith.htm
[41] Healing – our neglected birthright, Teil 4
heiko schrieb am
3. Oktober 2011 um 20:40Hi!
Nur eine Frage,
hattest du etwas damit zu tun, dass es Bentlys nicht mehr im Kultshop gibt??
Ein einfaches ja oder nein reicht (Email steht ja oben).
Bitte nicht freischalten.
Freude und Segen.
Steinmann schrieb am
20. August 2014 um 11:11Hallo,
vielen Dank für den sachlich gut zusammen gefassten Bericht (Teil 4). Auch wenn er schon drei Jahre alt ist, hat er mir heute gut geholfen und einen systematischen Überblick verschafft. Das ist sehr hilfreich, auch wenn die einzelnen Punkte mir größtenteils bekannt waren.
Zwei kurze Anmerkungen:
– Weiter oben gibt es einen Abschnitt der so bei Ihnen beginnt: „Laut Bill ist in den letzten 2000 Jahren Kirchengeschichte etwas falsch gelaufen und es sieht aus, als hätten Gott und der Teufel die Rollen getauscht. (…)“. Hier ist der Text evtl. etwas undeutlich, wer hier was sagt. Aus meiner Sicht ist der Inhalt richtig, könnte aber beim Leser durchaus falsch verstanden werden.
– Es wird von Ihnen erwähnt, das Ihnen keine Aussage von Bill J. bekannt ist in der er auf die geschichtliche Entwicklung (im pfinglerischen Kontext) in der Zeit zwischen der ersten Gemeinde bis zum 19. Jahrhundert eingeht.
Wie ich kürzlich gelesen habe geht er hierauf in dem Buch „Gottes Angesicht sehen“, Kapitel 7 „Nachhaltige Veränderung“, ein.
Ansonsten danke ich für die kompetente und sehr sachliche Darlegung. Auch die Fairness, unerheblich ob Sie persönlich eher zustimmen oder ablehnen – DANKE.