12. März 2011 5

Nachfolge 17

Das sechste Kapitel legt die Bergpredigt aus. Es ist das längste und zugleich älteste Kapitel der „Nachfolge“ – Bonhoeffer schrieb diese Auslegung schon 1934 in London. Die Bergpredigt bildet einen Ausgangspunkt Bonhoefferscher Theologie und das Rückgrat der „Nachfolge“.
Ich werde vermutlich weniger zu diesem Kapitel schreiben als zu den anderen, weil es ein sehr exegetisches Kapitel ist. Bonhoeffer legt abschnittsweise die ganze Bergpredigt aus und vieles war für mich nicht besonders fesselnd, eher allzu bekannt. Es ist nichtsdestotrotz eine gute Auslegung und ich lege sie jedem ans Herz, der sich mit der Bergpredigt beschäftigt. In diesem Buch sind die Gedanken allerdings eher Ausgangspunkt als Höhepunkt.

Sie waren wie die anderen auch. Dann kam der Ruf Jesu; da ließen sie alles zurück und folgten ihm nach. (Seite 99)

Auch wenn der Ruf Jesu jeden einzelnen allein unter das Kreuz stellt, predigt Jesus jetzt zur Schar seiner Jünger. Ihnen gilt die Bergpredigt. Zwar sind auch andere Menschen anwesend, das Volk, das Jesus noch nicht kennt, aber sie sind nur Zuschauer des Geschehens.
Bonhoeffer streicht angesichts der Bergpredigt heraus wie ungeheuerlich ihnen das Gehörte erscheinen muss. Da ist jemand, der Leute selig preist die alles verloren, alles aufgegeben haben. Diesen Aspekt übersieht man leicht weil man mit der Bergpredigt zu vertraut ist. Tatsächlich muss diese Rede den Zuhörern in den Ohren geklingelt haben die nicht mit Jesus lebten. Die Bergpredigt ergibt nicht viel Sinn so lange man sich selbst lebt – erst in der Beziehung (und damit aus der Beziehung) zu Jesus ergibt sie Sinn und befreit den Menschen dazu seine wahre Identität zu leben.

Am Ende des Sinnabschnittes über die Seligpreisungen macht Bonhoeffer sich auf die Suche nach dem Ort der Gemeinde. Wo kann die Gemeinschaft derer sich ansiedeln die alles für ihren Herrn gegeben haben? Die Antwort ist nicht überraschend:

Es ist deutlich geworden, dass es für sie nur einen Ort gibt, nämlich den, an dem der Allerärmste, der Allerangefochtenste, Allersanftmütigste zu finden ist, das Kreuz auf Golgatha. Die Gemeinde der Seligpreisungen ist die Gemeinde des Gekreuzigten. (Seite 109)

Um diesen „Ort“ hat die Gemeinde zu dieser Zeit nicht gewusst. Das mag zur Spannung der Bergpredigt beigetragen haben. Die Jünger erwarteten bis zuletzt das sichtbare Reich Gottes, das Jesus auf dieser Erde bringen würde. Sie wussten nicht, dass ihr „Ort“ eine Beziehung sein würde die sie dauerhaft aus dieser Welt reißen würde.
In solchen Gedanken finde ich einen mystischen Gehalt den ich wie von Ferne sehe aber nicht lebe. Es fällt sogar schwer darüber zu schreiben. Ich habe das Gefühl, dass Bonhoeffer etwas gefunden hat, was ich noch suche – eine Einheit mit Jesus und einen Blick auf das Kreuz den ich von meinem derzeitigen Blickpunkt aus nicht habe.

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4 Kommentare

  1. es mag sarkastisch klingen (vor allem wenn man Bonhoeffer-Enkel etc ist)
    aber ich dachte gerade, „gut dass er im Knast saß und erschossen wurde und nicht du.“ [also Du]
    Weil: er hatte die Erkenntis schon und Du suchst noch danach.

    Also, nicht dass ich schon nen Schritt weiter wäre. Davon kann keine Rede sein.

  2. Genial, wie du alle deine „Berufungen“ nachgehen kannst, es macht mir echt Hoffnung, wenn ich sehe dass du dir Zeit für so viele Interessen nehmen kannst. Zeit, die ich oft nicht mehr finde,—

  3. Storch schrieb: „Bonhoeffer streicht angesichts der Bergpredigt heraus wie ungeheuerlich ihnen das Gehörte erscheinen muss. Da ist jemand, der Leute selig preist die alles verloren, alles aufgegeben haben. Diesen Aspekt übersieht man leicht weil man mit der Bergpredigt zu vertraut ist. Tatsächlich muss diese Rede den Zuhörern in den Ohren geklingelt haben die nicht mit Jesus lebten. Die Bergpredigt ergibt nicht viel Sinn so lange man sich selbst lebt – erst in der Beziehung (und damit aus der Beziehung) zu Jesus ergibt sie Sinn und befreit den Menschen dazu seine wahre Identität zu leben.

    Am Ende des Sinnabschnittes über die Seligpreisungen macht Bonhoeffer sich auf die Suche nach dem Ort der Gemeinde. Wo kann die Gemeinschaft derer sich ansiedeln die alles für ihren Herrn gegeben haben? Die Antwort ist nicht überraschend:

    Es ist deutlich geworden, dass es für sie nur einen Ort gibt, nämlich den, an dem der Allerärmste, der Allerangefochtenste, Allersanftmütigste zu finden ist, das Kreuz auf Golgatha. Die Gemeinde der Seligpreisungen ist die Gemeinde des Gekreuzigten. (Seite 109)

    Um diesen „Ort“ hat die Gemeinde zu dieser Zeit nicht gewusst. Das mag zur Spannung der Bergpredigt beigetragen haben. Die Jünger erwarteten bis zuletzt das sichtbare Reich Gottes, das Jesus auf dieser Erde bringen würde. Sie wussten nicht, dass ihr „Ort“ eine Beziehung sein würde die sie dauerhaft aus dieser Welt reißen würde.
    In solchen Gedanken finde ich einen mystischen Gehalt den ich wie von Ferne sehe aber nicht lebe. Es fällt sogar schwer darüber zu schreiben. Ich habe das Gefühl, dass Bonhoeffer etwas gefunden hat, was ich noch suche – eine Einheit mit Jesus und einen Blick auf das Kreuz den ich von meinem derzeitigen Blickpunkt aus nicht habe.“

    elli kommentiert: So toll Selbstreflektiert. Ist das heute noch so?
    gg. elli

  4. da hat sich nicht so viel geändert, mein Text ist ja noch nicht so alt. ich schätze, dass er im Oktober letzten Jahres geschrieben wurde.

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