02. Dezember 2010 8

Nachfolge 4

Bonhoeffer macht in der „Nachfolge“ eine interessante Beobachtung über das Mönchtum, die ich gerne mit einer Aussage von John Michael Talbot kombinieren möchte.
Als das Christentum Staatsreligion wurde und die Gnade in der Folge billig zu haben war, stellte das Mönchtum die einzige Möglichkeit der teuren Gnade dar. Man zog sich aus der verweltlichten Kirche in die Wüste zurück um dort nach den Regeln Jesu zu leben und die teure Gnade der Nachfolge zu haben. „So wurde das mönchische Leben ein lebendiger Protest gegen die Verweltlichung des Christentums, gegen die Verbilligung der Gnade“ (Seite 33).
Paradoxerweise führte gerade das später wieder ins Gegenteil weil es zu einer gelebten Lehre wurde, dass es zwei Wege des Christentums gebe: Den radikalen der teuren Gnade, der für einige besondere Christen ist, und den anderen, den „normalen“ Weg, der für die normalen, berufstätigen Christen ist. So zog sich der Anspruch der teuren Gnade aus dem Leben eines jeden Christen zurück und wurde etwas für Spezialisten – ein Vorgang, den Bonhoeffer sicherlich gerne wieder rückgängig machen wollte.
Für Martin Luther führte der Weg der Nachfolge durchs Kloster. Er wollte die teure Gnade und wollte sich Gott ganz hingeben – so landete er im Kloster. Der Weg führte ihn aber auch wieder hinaus um zu zeigen, dass die teure Gnade für jeden Christen wichtig ist.

Was unter den besonderen Umständen und Erleichterungen des klösterlichen Lebens als Sonderleistung geübt wurde, war nun das Notwendige und Gebotene für jeden Christen in der Welt geworden. Der vollkommene Gehorsam gegen das Gebot Jesu musste im täglichen Berufsleben geleistet werden. (…) Der Christ war der Welt auf den Leib gerückt. Es war Nahkampf.1

Ich meine nicht, dass Bonhoeffer sich hier gegen Klöster ausspricht. Seine Schrift „gemeinsames Leben“ spricht auch eine ganz andere Sprache. Was ihn stört ist, dass sich der Anspruch Jesu aus dem Leben seiner Nachfolger zurückgezogen hatte. Er wollte diesem Anspruch seinen legitimen Raum zurück geben.

Von John Michael Talbot, der selber Franziskaner ist, habe ich eine weitere Sicht auf das Mönchtum bekommen, die sehr interessant ist. Er argumentierte gegen den Weltfluchtgedanken (dass Mönche sich aus der Welt zurück ziehen, die sie eigentlich braucht). Als das Mönchtum entstand war die vorherrschende Weltsicht, dass die Gesellschaft stark unter dem Einfluss von Dämonen stand, die eigentlich in der Wüste lebten und von dort aus ihren schädlichen Einfluss nahmen. Diese Mönche wollten nicht die Welt sich selbst überlassen, sondern begaben sich gerade an den Ort von dem aus sie den größten geistlichen Einfluss geltend machen konnten.
Sie flohen nicht aus der Welt sondern wollten für sie kämpfen, sie betrieben geistliche Kampfführung als effektivstes Mittel das sie kannten.
Bonhoeffers Gedanken fügt das den Aspekt zu, dass Nachfolge nicht nur bedeutet, persönlich sein Kreuz auf sich zu nehmen, sondern auch den Auftrag Christi auszuführen und Gottes Reich in dieser Welt auszubreiten.

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  1. Bonhoeffer, Dietrich; Kuske, Martin (2002): Nachfolge. 1. Aufl. der Taschenbuchausg. Gütersloh: Gütersloher Verl.-Haus (Gütersloher Taschenbücher, 455), S. 35 []

8 Kommentare

  1. Hi Storch
    Wegen „geistlichem Wüstenkrieg“ ist auch die Vita des Hl. Antonius sehr zu empfehlen…

  2. ich glaube, JMT sprach auch über Antonius (den „ersten Mönch“). aber ein ganzes buch möchte ich gerade nicht über ihn lesen.

  3. Paradoxerweise führte gerade das später wieder ins Gegenteil weil es zu einer gelebten Lehre wurde, dass es zwei Wege des Christentums gebe: Den radikalen der teuren Gnade, der für einige besondere Christen ist, und den anderen, den „normalen“ Weg, der für die normalen, berufstätigen Christen ist.

    Interessant, das ist etwas, was mich schon seit vielen Jahren immer wieder extrem gestört hat auf meiner Suche, wie man „mehr“ von Gott ins Leben kriegt. In Predigten und Büchern bekommt man oft den Eindruck, dass man nicht wirklich tief in das Leben Gottes eindringen kann, wenn man situationsbedingt nicht 12 Stunden pro Tag mit Gebet und Soaking verbringen kann wie Todd Bentley, wenn man sich nicht zu 40tägigen Fasten und Gebetszeiten zurückziehen kann wie viele andere Vollzeit-Diener. Ich finde solche Beispiele bewundernswert, aber sie inspirieren mich persönlich nicht zum Nachmachen, weil es einfach nicht möglich ist.
    Was ich wesentlich inspirierender finde ist das Leben von Leuten wie Bruder Lorenz oder Frank Laubach, die das Leben in inniger Beziehung mit Gott gerade im Alltag gelebt haben (was ja eigentlich der Kern der teuren Gnade ist, oder?).

  4. Da kann natürlich auch Bonhoeffer ein Vorbild sein, der viel gerissen hat und dabei ein extrem stressiges Leben hatte und nachher im Knast saß…
    Laubach kenne ich nicht. Wer ist das?

  5. Todd Bentley hat 12 Stunden am Tag gebetet und gesoakt ?
    Wann hatte der den noch Zeit seine Frau und seine Kinder wegen einer anderen zu verlassen. Sorry, aber bei soviel Gegenwart Gottes müsste es ja wohl andere Ergebnisse gegeben haben. Nein, ich möchte nicht über Todd Bentley diskutieren 🙂

    Sicherlich ist es schwer Gottes Gegenwart im Alltag zu leben. Da kommen dann so Sachen wie Disziplin ect. rein. Es ist ein Kampf, ein täglicher, einfach mal zur Bibel und zum Gebet anstatt zu anderen Dingen zu greifen. Aber es lohnt sich ;-).

  6. vielleicht war er da noch nicht verheiratet. soweit ich mich erinnere, war das ziemlich am anfang, kurz nach seiner bekehrung.

  7. das könnte natürlich sein.
    vielleicht war auch mein kommentar überflüssig und ich sollte nirgendwo öl ins feuer werfen… sorry

  8. @andichrist
    Schön, dass du es selbst gemerkt hast 😉 …passiert jedem mal.

    @storch
    Ich habe in dem Buch „Leben in Gottes Gegenwart“ einiges von ihm gelesen. Es gibt wohl ein Buch von ihm, was ich auch irgendwann mal lesen möchte „The game with minutes“, in dem er eine Praxis des Lebens in Gottes Gegenwart, jede Stunde, jede Minute beschreibt, und der das auch wirklich so gelebt hat. Er schreibt in dem Buch, was ich hier habe davon, dass er auch Mütter mit Kindern und Fabrikarbeiter kannte, die das so gelebt haben – und das war auch sein erklärtes Ziel, das ganz normale Menschen in ganz normalen Lebensumständen beständig in gottes Gegenwart leben können.

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