25. August 2010 0
Sprüche LXXII: Sprüche 10,30
30 Ein Gerechter wird niemals wanken, aber die Frevler werden im Lande nicht wohnen bleiben. (Sprüche 10,30 nach der Zürcher)
Ich mag es, wenn die Bibel der Alltagslogik widerspricht. Damit zeigt sie nicht etwa, dass Gottes Reich oder die Weisheit falsch ist, sie zeigt vielmehr die Falschheit der Welt auf. Nicht Gottes Reich muss sich drehen um wieder auf die Füße zu kommen; die Welt steht kopf.
Im Grunde ist es kein spezifisch jüdischer oder christlicher Ansatz, dass Weisheitslehre scheinbar widersinnig oder vernunftswidrig ist. Laotse und Konfuzius haben nicht weniger paradoxe Sprücher hinterlassen. Weisheitslehre will ja eben nicht einen Status Quo der Gesellschaft halten, sondern im Gegenteil die Gesellschaft dazu anhalten und erziehen, auf die Füße zu kommen.
In diesen Versen ist das Widersinnige, dass es gewöhnlich die Frevler sind, die Erfolg haben. Mindestens auf kurze Sicht betrachtet geht es ihnen gut, während die Weisen oft im Abseits stehen, belächelt werden und einen eher langfristigen positiven Einfluss auf die Gesellschaft haben. Besonders politische Regime werden sicherlich nicht von den Weisen beherrscht sondern von Toren und Frevlern. In solchen Systemen bleiben sie im Land, während die Weisen ins Exil gezwungen werden oder in den Vernichtungslagern anzutreffen sind.
In der französischen Revolution waren es sicherlich nicht die Weisen, die das Land in Blut getränkt haben und ihre intellektuellen Vordenker angeekelt haben. Sicher waren auch roten khmer und die Nazis keine Weisen, auch wenn sie das Land eine Weile behalten haben. Was tröstet ist die Einsicht, dass sich diese Systeme nicht halten und nach kurzer Zeit wieder vergehen, während de Weisheit stets wieder aufblüht.
Ich schließe mit einem Satz aus Senecas Briefen an Lucillius (aus dem Gedächtnis, daher ohne genaue Zitatangabe): Mag die Tugend auch im Schatten stehen, verborgen ist sie nie.
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