22. Juni 2010 5

Sprüche XLI: Sprüche 8

1 Ruft nicht die Weisheit, und erhebt nicht die Einsicht ihre Stimme?
2 Oben auf den Höhen, am Weg, wo die Strassen sich kreuzen, steht sie.
3 Bei den Pforten, am Zugang zur Stadt, am Eingang der Tore ruft sie:
4 Euch, Männer, rufe ich, und an die Menschen richtet sich meine Rede.
5 Werdet klug, ihr Einfältigen, und ihr Dummen, werdet verständig!
6 Hört zu, denn Richtiges will ich reden und meine Lippen öffnen für das, was recht ist.
7 Meine Zunge spricht Wahrheit, und Frevel verabscheuen meinen Lippen.
8 Gerecht sind alle Worte meines Mundes, nichts Hinterlistiges und Falsches ist in ihnen.
9 Recht sind sie alle für den Verständigen und richtig für die, die Wissen erlangen wollen.
10 Statt Silber nehmt meine Unterweisung an, und Wissen lieber als reines Gold.
11 Denn Weisheit ist besser als Perlen, und keine Kostbarkeit kommt ihr gleich.
12 Ich, die Weisheit, wohne bei der Klugheit und finde umsichtiges Wissen.
13 Den HERRN fürchten heisst das Böse hassen. Hochmut, Anmassung, Weg des Bösen und einen falschen Mund hasse ich.
14 Ich verfüge über Rat und Klugheit, ich bin die Einsicht, ich habe Macht.
15 Durch mich herrschen Könige, und Mächtige setzen fest, was Recht ist.
16 Durch mich regieren Fürsten und Edle, alle gerechten Richter.
17 Ich liebe, die mich lieben, und die mich suchen, werden mich finden.
18 Bei mir sind Reichtum und Ehre, stattliches Vermögen und Gerechtigkeit.
19 Besser als Gold und Feingold ist meine Frucht, und mein Ertrag besser als reines Silber.
20 Ich gehe auf dem Pfad der Gerechtigkeit, auf den Strassen des Rechts.
21 Denen, die mich lieben, verschaffe ich Besitz, und ihre Schatzkammern fülle ich.
22 Der HERR hat mich geschaffen am Anfang seines Wegs, vor seinen anderen Werken, vor aller Zeit.
23 In fernster Zeit wurde ich gebildet, am Anfang, in den Urzeiten der Erde.
24 Als es noch keine Fluten gab, wurde ich geboren, als es noch keine wasserreichen Quellen gab.
25 Bevor die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geboren,
26 als er die Erde noch nicht geschaffen hatte und die Fluren und die ersten Schollen des Erdkreises.
27 Als er den Himmel befestigte, war ich dabei, als er den Horizont festsetzte über der Flut,
28 als er die Wolken droben befestigte, als die Quellen der Flut mächtig waren,
29 als er dem Meer seine Grenze setzte, und die Wasser seinen Befehl nicht übertraten, als er die Grundfesten der Erde festsetzte,
30 da stand ich als Werkmeisterin ihm zur Seite und war seine Freude Tag für Tag, spielte vor ihm allezeit.
31 Ich spielte auf seinem Erdkreis und hatte meine Freude an den Menschen.
32 So hört nun auf mich, ihr Söhne! Wohl denen, die auf meinen Wegen bleiben.
33 Hört auf die Unterweisung und werdet weise, und schlagt sie nicht in den Wind.
34 Wohl dem Menschen, der auf mich hört, der Tag für Tag an meinen Türen wacht, die Pfosten meiner Tore hütet.
35 Denn wer mich gefunden hat, hat das Leben gefunden und Wohlgefallen erlangt beim HERRN.
36 Aber wer mich verfehlt, schädigt sich selbst; alle, die mich hassen, lieben den Tod.
(Sprüche 8,1-36 nach der Zürcher)

Das ganze achte Kapitel der Sprüche enthält eine Rede der Weisheit. Die Personifikation der Weisheit wird in diesem Kapitel auf die Spitze getrieben. Überall hört man die Weisheit rufen, auf Bergen und an Wegen steht sie und ruft den Menschen zu. Scheinbar hört ihr kaum jemand zu und so spricht die niedersten Instinkte an.
Weisheit gewährt den Menschen die sich auf sie einlassen alles was das Herz begehrt, in erster Linie Geld und Macht. Könige regieren durch Weisheit und sie ist vor allem deshalb kostbarer als Silber und Gold weil sie bei weiterem Erwerb von Besitz hilft.
Ich finde diese Beschreibung seltsam und sie wirft mich auf eine Frage, die ich mir immer wieder stelle wenn ich das Alte Testament lese: Wieso ist es so diesseitig? Vieles geht um materiellen Segen und Äußerlichkeiten. Der Schwerpunkt des Neuen Testamentes liegt mehr auf dem inneren, der des Alten Testamentes mehr auf dem äußeren Leben.
Vielleicht macht die Weisheit ein Lockangebot, wenn man erst einmal mit ihr anfängt und das Potential zu Reichtum und Ehre hat, wird man so verändert, dass es einen nicht mehr interessiert. Mir ist das selbst schon öfter so gegangen. Je mehr Einfluss ich haben kann, umso weniger interessiert er mich. Je berühmter ich werden kann umso weniger ist mir daran gelegen. Ist das eine Folge der Weisheit, dass sie das Bedürfnis nach dem wegbrennt was sie verspricht?
Ich kann diese Verse nicht so verstehen und tendiere eher dahin, dass es so gemeint ist, wie es da steht. Es stimmt ja auch: Was wir über das Leben und Lebenskunst gelernt haben, kann man in klingende Münze umtauschen. Ich hoffe nur, dass jeder Weisheitsaspirant die innere Freiheit von äußerlichen Dingen empfängt um Weisheit in Gottes Sinne zu nutzen…

[systematisch durch die Bibel]

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5 Kommentare

  1. Denkst Du, dass die personifizierte Weisheit auch für Jesus Christus stehen könnte?

  2. Naja, AFAIK gab es damals keine (klare) Vorstellung vom ewigen Leben bei den Juden, von daher zahlte sich der Segen Gottes (zu der doch das Geschenk der Weisheit auch gezählt werden kann, oder?) eben in materiellem Wohlstand aus. Oder?

  3. @ dikoss:
    ich glaube, eher nicht. das wird zwar oft so ausgelegt, aber da er es nicht selber so sagt finde ich es schwierig, einfach etwas aus dem AT zu nehmen und zu sagen: „das ist jesus“. außerdem sagt lukas, dass jesus in weisheit wuchs. das wäre seltsam, wenn die weisheit in weisheit wüchse.

    @ OT:
    sehe ich auch so. aber das kann man bestimmt auf das NT übertragen.

  4. Ich denke, die Weisheit wird hier v.a. mit Gerechtigkeit gleichgesetzt. Wer weise regiert und richtet, erhält sein Reich, dem Volk und Land geht es gut, die Äcker gedeihen und man wird großzügig beschenkt (vgl.König Salomo).
    Es wird die ganze Zeit darauf hingewiesen, das sie weitaus kosbarer als feinstes Gold ist weil sie das Leben und Gott selbst ist, wenn man sie sucht.

    Hier geht es vlt. eher daraum, wie jemand „sein Haus“ baut(vgl. neues Testament)oder mit seinen Talenten umgeht,deswegen wohl auch der Schöpfungsbericht: Gott hat alles weise geordnet, wir sollen diesem Beispiel folgen.
    Eher nach dem Ernte-Prinzip: ich säe mit Weisheit und die Weisheit bringt Frucht.
    Die Toren jagen nach Geld und Macht und ruinieren sich und andere dabei, die Weisheit jagt nach Gott und bringt nebenbei Gewinn obwohl man primär nicht danach strebt.
    So verstehe ich das…

  5. herzlich willkommen, miriam!

    im weiteren verlauf der sprüche (so ab kapitel 10 etwa) klingt es für mich so, dass gerechtigkeit ein teil der weisheit ist. oder vielleicht anders ausgedrückt, dass weisheit zu gerechtigkeit führt und umgekehrt – ich kann mir vorstellen, dass das eine art kreislauf ist der zu immer mehr von beidem führt.

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