29. November 2009 0

Augustinus: Gott ist Geist

Ich wusste nicht, dass Gott ein Geist ist, nicht etwas mit Gliedern in die Länge und Breite, nicht etwas, dessen Wesen eine Masse wäre – wie könnte er es sein, da Masse im Teil noch kleiner ist als in ihrem Ganzen und, ihre Unbegrenztheit angenommen, in einem räumlich begrenzten Teil doch kleiner ist als in ihrer Ausdehnung über den unbegrenzten Raum hin, und auch nicht allerorten ganz ist wie der Geist, wie Gott. Und was in uns das sei, worin wir nach „nach Gottes Bild“ geschaffen sind, und was die Schrift damit sagen will, das war mir völlig unbekannt.1

Beim Lesen solcher Abschnitte ertappe ich mich selbst dabei, dass ich denke: „was für eine dumme Ansicht“. Wie kann man über den Gedanken stolpern, dass Gott eine Körper hat oder stofflich ist? Wie kann man ernsthaft annehmen, dass er eine räumliche Ausdehnung hat? Wenn man eine Weile mit Gott lebt, entfernt man sich von solchen Ansichten so weit, dass man irgendwann nicht mehr denken kann, dass man selber mal so etwas dachte.
Der Schöpfungsbericht, der Augustinus in den Bekenntnissen immer wieder beschäftigt hat, wirft diese Frage geradezu auf. Wenn Gott den Menschen nach seinem Ebenbild geschaffen hat, dann ist es ein sinnvoller erster Schluss, dass Gott wie ein Mensch aussieht.
Dieser Schluss veranlasste Xenophanes zu dem Ausspruch „hätten die Pferde Götter, würden sie wie Pferde aussehen.“
Viele Religionen bilden ihre Götter in Menschengestalt ab und schreiben ihnen menschliche Eigenschaften zu (was auch eine Art der Abbildung sein kann). Es ist etwas im Menschen, was sich Gott körperlich vorstellen will. Insofern ist die Erkenntnis, dass „Gott Geist ist“ (Johannes 4,24) ein großer Schritt. Erst diese Erkenntnis gestattet es Gott unsere Vorstellungen zu sprengen und sich uns wirklich vorzustellen. Geist ist für uns nicht mehr vorstellbar, damit können wir Gott nicht mehr begrenzen, räumen ihm aber zugleich das Recht ein, sich uns mitzuteilen.
Vielleicht ist es für Augustinus, der in einer Welt lebte, in der Vielgötterglaube und Götzenbilder so präsent waren wie heute Tauben in Großstädten, eine größere Erkenntnis als wir es heute nachvollziehen können. An dem Punkt fehlt mir allerdings das kulturelle und historische Einfühlungsvermögen – vielleicht war der Gedanke des Geistes in der Philosophie bereits mehr ausgeprägt als ich es weiß.

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  1. Augustinus (1955): Bekenntnisse. Unter Mitarbeit von Joseph Bernhart (Übersetzung). München: Kösel, S. 61 []

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