Der zweite Teil von Römer 13 behandelt das Thema, dass die Liebe das Gesetz erfüllt. Durch den ersten Teil gewinnt diese Wahrheit eine neue Bedeutungsschattierung. Normalerweise denken wir an das Gesetz des Alten Bundes wenn wir vom „Gesetz“ reden. In diesem Sinne hat auch Jesus gelehrt, dass Liebe dieses Gesetz erfüllt:

«Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.» 38 Dies ist das größte und erste Gebot. 39 Das zweite aber ist ihm gleich: «Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.» 40 An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. (Matthäus 22,37 nach der Elberfelder)

Im Zusammenhang mit dem Rest des Kapitels wäre es freilich auch möglich, dass Paulus auf die Gesetze der menschlichen Gesellschaft anspielt. Es ist ist mindestens reizvoll, diesem Gedanken mal nachzugehen. Kapitalistische Ethik ist sicherlich nicht vom Gedanken der Liebe getragen. Das bedeutet, dass es für eine westliche Gesellschaft eine echte Herausforderung wäre, sich auf eine solche Handlungsmaxime einzulassen. Es ist ganz und gar praktisch:
Wenn ich Menschen liebe, werde ich nicht so Auto fahren, dass ich sie bewusst gefährde.
Wenn ich Menschen liebe, werde ich nicht so mit ihnen reden, dass ich einen Prozess wegen Beleidigung provoziere.
Wenn ich Menschen liebe, werde ich sie nicht bestehlen, belügen, verprügeln oder sonst wie bewusst schädige.
Letztlich schlagen wir zwei Fliegen mit einer Klappe: wenn wir in der Liebe Gottes Gebote halten, werden wir gegen menschliche Gesetze nicht verstossen. Beides scheint nicht so weit auseinander zu liegen. Für Prediger ist es ein interessanter Aspekt. Ich finde es immer schwer, jemanden der nicht mit Jesus lebt, göttliche Maßstäbe verständlich zu machen. Diese Ethik funktioniert aber in der Theorie ohne Gott und ist so vermittelbar. Erst die Praxis wird zeigen, wie bitter man Gott braucht um seinen Nächsten zu lieben.

Innerhalb des Kapitels kommt Paulus auf eine hochinteressanten Aspekt des Heils zu sprechen. Ich widerstehe der Versuchung, es noch mal in einer anderen Übersetzung nach zu lesen und lege nur nach Walter Jens aus:

Die Stunde ist gekommen. Wacht auf!
Die Rettung: nah – und war doch so fern,
als wir an den Herrn zu glauben begannen.
Jetzt aber ist die Nacht weit fortgeschritten,
und der Morgen naht
.1

Die Bibel weist an vielen Stellen darauf hin, dass Heil nichts statisches ist. Man kann auf eine Weise sagen: „ich bin errettet“, aber man kann nicht sagen „ich habe das Heil“. Das Heil beginnt mit der Errettung in dieser Zeit, aber es wird vollendet, wenn der Herr wiederkommt.
So kann Paulus sagen, dass die Rettung jetzt näher ist als an dem Tag an dem wir Jesus angenommen haben. Vielleicht klingt das für den einen oder anderen fremd, aber es ist logisch. Da Paulus unmittelbar danach weitermacht mit dem heiligen Leben aus der Liebe macht er ein Fass auf: die Spannung zwischen dem, was wir schon haben und sehen und dem, was erst im Himmel, wenn das Heil vollendet ist, vollkommen da sein wird. Mit einem heiligen Leben proklamieren wir eine zukünftige Welt. Hier haben wir ein Angeld und können schon einen Blick auf etwas werfen, das eigentlich der Zukunft vorbehalten ist. Das Thema ist mir zu groß, um es an dieser Stelle zu behandeln, aber es ist eines der wichtigsten in der Bibel überhaupt; ganz besonders für diejenigen, die sich mit dem Übernatürlichen beschäftigen. Da Paulus die Thematik hier aber nur streift möchte ich seine Verse nicht als Sprungbrett in eines meiner Lieblingsthemen missbrauchen 🙂

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  1. Jens, Walter: der Römerbrief. Stuttgart: Radius-Verl. (Radius Bücher), S. 65 []

Ein Kommentar

  1. Mh. Okay, jetzt steht das schon ein paar Stunden online und es wurmt mich, dass zu dieser absolut grandiosen Stelle im NT noch nix kommentiert worden ist. Also mache dann ich doch denn Anfang (vielleicht haben manche von Euch ja nur eine Sonntag-Netz-Abstinenz oder so)…

    Ich beginne mit: YEAH! WORD! PREACH IT BABY! 🙂

    Nee ehrlich, ich halte diese Stelle mit der Liebe in der Tat für DEN absoluten Maßstab der nicht nur den „alten Bund“, sondern in meinen Augen eben auch unser ganzes kompliziertes Rechtssystem mit allen seinen Gesetzen eigentlich abdeckt.

    Bei mir geht es ja sogar soweit, dass ich überhaupt keine Gesetze ernst nehme, die ich nicht diesem Kontext zuordnen kann. Dafür will ich aber jetzt nicht unbedingt Werbung machen, ich will ja auch niemanden verführen, sondern einfach nur, um storchs Vermutung mal zu bestätigen sagen: man kann mit diesem Maßstab ganz gut in unserer Gesellschaft leben ohne ins Gefängnis zu kommen oder sonstwie bestraft zu werden, auch wenn man in manchen Dingen nicht so gesetzestreu ist, wie Paulus es in den Versen 1-7 fordert; jedenfalls wenn man es so interpretiert, dass man sich immer im Rahmen staatlicher Gesetze bewegen sollte.

    Ich habe da insbesondere Probleme, dass heute gewisse Dinge als einem als Diebstahl suggeriert werden, die vor ein paar Dekaden noch gar nicht so gesehen wurden und die nie und nimmer zu einem faktischen Diebstahl werden können, weil sie nicht nur von der Warte der Logik aus, sondern auch von der Liebe aus betrachtet völlig wiedersinnig erscheinen. Um es weniger kryptisch auszudrücken: es geht mir natürlich um die Duplikation von Daten und damit meine ich nicht, die Pisser die mit ihrer Handycam Filme von der Leinwand abfilmen (was in der Tat ein Verbrechen ist!), sondern die Duplikation von Daten, die bereits als Daten vorliegen.

    Die Liebe als Ethik mag manch einer – vorallem, wenn er viel Kant gelesen hat – nicht für überzeugend halten, aber sie ist imho die einzig vernünftige Ethik, in der Hinsicht, dass sie den Menschen selbst im Fokus hält, bzw. als Christ sogar noch weit darüber hinaus.

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