Galileo Galilei hatte sein ganzes wissenschaftliches Leben mit einem Problem zu kämpfen: obwohl er selbst gläubiger und loyaler Katholik war, brachten seine Forschungen ihn immer wieder an die Grenze der Häresie. Deshalb schrieb er im Laufe seines Lebens nicht nur vieles über Wissenschaft sondern auch einiges an theologischen Texten. Die Theologie ist nicht in Büchern veröffentlicht sondern in seinen Briefen enthalten, wie z.B. dieser Abschnitt aus derm Brief an die Großherzogin1:

Was die erste allgemeine Frage der erlauchten Madama2 betrifft, so scheint mir, dass sie Euch sehr klug vorgetragen und von Euch zugestanden und begründet wurde, dass nämlich die Heilige Schríft nicht irren kann und die darin enthaltenen Aussagen von absoluter und unantastbarer Wahrheit sind. Ich hätte nur hinzugefügt, dass zwar die Schrift niemals irren kann, ihre Interpreten und Ausleger jedoch in vielerlei Hinsicht irren können […] wenn sie sich nämlich auf die wörtliche Bedeutung der Worte stützen. Denn auf diese Weise träten in der Bibel nicht nur mannigfaltige Widersprüche auf, sondern sogar schwere Ketzereien und Gotteslästerungen, weil es dann nötig wäre, Gott Füße und Hände und Augen zuzuschreiben und ebenso menschliche Gefühle wie Zorn, Reue und Hass, und manchmal sogar Vergesslichkeit vergangener Dinge oder Unkenntnis der Zukunft.3

Ein schönes Argument, dass er hier bringt. Tatsächlich gibt es immer weniger Leute, die die Bibel wörtlich nehmen. Zum Glück, denn wo Interpretationsregeln vernachlässigt werden kommt Murks heraus. Ich bin ehrlich froh, dass wir Gottes Wort auslegen (= entdecken) können und dürfen. Es wäre schade wenn Gott nur ein paar Anweisungen da gelassen hätte. Die Auslegung (und gerade die betende Auslegung) macht die Bibel erst zu dem dynamischen Beziehungsbuch, das ich so liebe.
[auf diesem Blog gibt es eine längere Reihe zur „Hermeneutik“, also der Bibelauslegung, die hier startet und hier als .pdf verfügbar ist.]
[weitere Posts zu Frau Sobels Buch über Galilei finden sich hier]

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  1. aus dem Brief an die Großherzogin, EN 5, S.319 []
  2. die Rede ist von Großherzogin Christina, der Witwe von Ferdinand I von Medici []
  3. Sobel, Dava; Schaden, Barbara (1999): Galileos Tochter. Eine Geschichte von der Wissenschaft, den Sternen und der Liebe. Berlin: Berlin Verl, S. 76 []

4 Kommentare

  1. Morgen lieber bester Storch,
    aller beste Grüsse aus Borgentreich!
    Lieben Gruss auch von deiner Frau!
    Greetz Björne 😛

  2. WilloFreak ist total supaa! 🙂

  3. Großartiges Zitat. Ich kämpfe mich auch gerade wieder mal durch die Untiefen der Übersetzungen…;-) – alles hängt an der Hermeneutik und Galileo ist hier echt grandios! Danke fürs Entdecken!

  4. kann sein, dass nich mehr kommen, christof. ich kehre auch immer wieder in diese untiefen zurück. ohne geht es dann doch nicht.

Ein Pingback

  1. […] Mir war besonders der Absatz mit der Bibelauslegung wichtig, denn über den bin ich gestolpert. Galilei und seine Kritiker warfen sich gegenseitig vor gegen diesen verstossen zu haben. Es wäre […]

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