12. Oktober 2008 7

Epheser 5,16

16 Nutzt die Zeit; denn diese Tage sind böse. (Epheser 5,16 nach der Einheitsübersetzung)

Solche Bibelverse sind die Ursache für manchen Burnout und Herzinfarkt. Verschwendete Zeit ist böse, und es liegt an uns, den Tag mit möglichst vielen sinnbringenden Aktivitäten zu füllen, um die Zeit, die wir haben, auszukaufen. Wer nach einer solchen Theologie lebt, hat es schwer. Einfach mal die Seele baumeln zu lassen und etwas Schönes machen wird auf einmal zur Sünde. Wie können wir eigentlich ins Kino gehen, während „da draussen“ eine Welt verloren geht?!
Es geht Paulus nicht darum, uns das Leben zu erschweren sondern darum, ein geistliches Prinzip zu erläutern, dessen Anwendung uns das Leben erleichtern wird.
Im Griechischen gibt es mehrere Worte für Zeit. Das Wort, das Paulus hier verwendet, bedeutet so viel wie „Zeitpunkt“. Nicht die 24 Stunden am Tag, sondern ganz bestimmte, von Gott gesetzte Zeitpunkte.

Im Buch Prediger im Alten Testament heisst es, dass alles „seine Zeit“ hat (Prediger 3,1-8).
Ebenso wie es im Natürlichen Zeiten zum Säen und Ernten gibt, gibt es sie auch im Geistlichen und im Leben mit Gott bestimmte Zeiten. Im Natürlichen fällt es uns oft leicht, die richtigen Zeiten zu erkennen und zu wissen, dass man z.B. im Winter nichts ernten kann, aber im Geistlichen fällt es uns schwer. Es muss aber möglich sein, denn sonst hätte Jesus nicht mit den Pharisäern in Matthäus 16 schimpfen können, dass sie nicht die geistlichen Zeiten erkannt haben.
Es gibt Zeiten, in denen sich Gott uns ungewöhnlich offenbart und uns sehr nahe ist. Geistliches Wachstum fällt in solchen Zeiten sehr leicht. Auch die Zeiten geistlicher Zähigkeit, in denen wenig Enthusiasmus da ist und das Leben auch mit Gott etwas zäher ist, sind normal.

Es bleibt, dass die Zeit (oder genauer: die Tage) böse ist. Das Leben gleicht einer staubigen Strasse, auf der hin und wieder ein Diamant funkelt. Mitten in der bösen Zeit sind immer wieder Zeitpunkte Gottes eingestreut, die uns geistlich nach vorne bringen. Diese Zeiten gilt es auszunutzen.

Man könnte Epheser 5,16 auch so übersetzen:

„Nutzt die Zeitpunkte Gottes in diesen bösen Tagen.“

Das Problem ist nun, diese Zeitpunkte zu erkennen und zu nutzen. Die Israeliten wussten in der Zeit ihrer Wüstenwanderung immer genau, wann sie weiterziehen mussten und wann es nicht an der Zeit war zu wandern und sie einfach rasten konnten. Im zweiten Buch Mose ist Gottes Führungsmethode beschrieben: bei Tag wurde sie von einer Rauchsäule geleitet, bei Nacht von einer Feuersäule. Wenn die Säule sich erhob, war es an der Zeit, die Sachen zu packen und weiterzuziehen. Es war ein sehr dynamisches Leben, und man konnte nie genau vorher wissen, wann es wieder weiterging.
Genauso ist auch das Glaubensleben dynamisch und in einem spannenden Sinne unberechenbar. Es mag Zeiten geben, in denen man es sich gerade in seinem Leben gemütlich gemacht hat, und auf einmal spürt man eine Unruhe des Geistes in sich, die einen weitertreibt.

Das, was früher die Wolken- oder Feuersäule war, ist nun der Heilige Geist. Man spürt, wenn es weitergeht. Auf einmal ist Unruhe, wo vorher Gemütlichkeit war. Geistliche Aufbruchstimmung – vielleicht weißt du nicht, wo es hingeht, aber du spürst es in den Knochen, es geht weiter.

Göttliche Zeitpunkte zeigen sich auch oft als Herausforderungen. Türen, die sich im Dienst und im Leben plötzlich öffnen und Chancen, die sich ergeben. Herausforderungen sind natürlich unbequem, und Chancen zu ergreifen, birgt immer ein Risiko in sich, aber letzten Endes sind das die Dinge, an denen wir als Menschen wachsen und durch die Gott unseren Charakter formen will.
Wenn du spürst, dass Gottes Geist dich weitertreibt, dass beten, Gemeinschaft, Dienst etc. auf einmal viel leichter fallen, als sonst und dass du eine Zeit der Gnade erlebst, in der geistliches Wachstum leicht fällt, dann versuch so weit zu kommen wie irgend möglich. Konzentriere dich auf Gott und eure Beziehung, koste die Zeit voll aus.

Wenn es anders ist, lebe dein Leben in Treue und freue dich darauf, dass irgendwann wieder ein göttlicher Zeitpunkt eintreten wird.

[hier noch eine weiterer Post dazu]

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5 Kommentare

  1. Ich denke, dass es auch in den „trockeneren“ Zeiten vorangeht, aber halt nicht von allein – das sind die Zeiten, wo Disziplin ihren Platz hat.
    Und was treibt Dich weiter, wenn es mal etwas zäher vorangeht?

    Bei mir ist es oft die Sehnsucht nach diesen Zeitpunkten mit Gott in der Vergangenheit – an die Zeiten, wo es Spaß macht, des nachts aufzustehen um zu beten, wo Menschenfurcht kein Thema ist, weil Gottes Geist nur so raussprudelt, wo es nicht nötig ist, das Feuer anzufachen, weil es von alleine brennt…

    Was meinst Du, (wie) kann man solche Zeitpunkte „herausfordern“- mir fehlt grad ein passender Begriff?
    Mir kommt dazu das Bild von einem Blitzeinschlag in den Sinn – man kann ihn nicht voraussagen, aber letztlich ist es auch nicht bloßer Zufall, wo er dann einschlägt; wo sich ein Gebäude oder ein Baum hochreckt, ist die Chance wesentlich höher…

    (Der Link ist übrigens tot…)

  2. besten dank, ich habe ihn „gefixed“

  3. hihi – cooles Bild sich nach dem Blitzschlag auszustrecken… 🙂

    jo – suchen, bitten, anklopfen usw. ist schon wichtig – es ist ja tatsächlich so, dass ALLES schon vorhanden ist und wir es nur ergreifen, zulassen usw… in sofern kann die Ansage mit „Zeitpunkt Gottes“ auch falsch verstanden werden, wenn man sich hinsetzt und meint „ich bin eben noch nicht soweit… Gottes Zeitpunkt ist noch nicht gekommen“ o.ä.

    Das ist genau der Wahrnehmungs-Konflikt zwischen kairos und chronos – das verhält sich so zueinander wie geistl. Realität und körperliche Wahrnehmung – wir brauchen nur etwas geistlich zu deuten und schon sehen wir überall Gottes Steilvorlagen – auch im Desaster und der Wüstenzeit bricht dann die Quelle aus dem Felsen:
    JETZT ist die Zeit der Gnade, JETZT ist der Tag des Heils! (2.Kor.6,2) und danach kommt dann eine Liste, wie und wo sich das auswirkt – eigentl. in jeder Lage…

    (wow – ich dachte immer es heißt da „heute“ – JETZT ist ja wohl ne Nummer krasser!)

    „..die nichts haben und doch alles haben“ – das ist der Segen der „geistl. Armen“, die sich in völlige Abhängigkeit vom HG begeben – nur leere Hände kann Gott JETZT füllen…

  4. Amen Bento!
    Du sprichst mir mit deinem Kommentar genau in meine Gedanken die mich die letzten Tage beschäftigen!

  5. interessante idee mit dem wahrnehmungskonflikt, bento. da ist echt was dran.
    aber es gibt auch sachen, wo es einfach auf den kairos ankommt. all die jahrhunderte, in denen israel auf den messias gewartet hat und jesus nicht gekommen ist, z.b. es scheint auch zeiten zu geben, in denen gott selber ein thema besonders betont. wie so was funktioniert weiss ich nicht, aber ich habe das in meinem leben definitiv, dass jesus mich für eine phase auf ein thema stösst und das ist dann einfach „dran“.
    klick mal bitte auf den link (der funzt ja jetzt…) – da geht es um die frage, ob wir evtl. daran mitarbeiten können, kairoi herbei zu führen. das ist auch eine sache bei der ich nicht ganz sicher bin, die mich aber fasziniert.

2 Pingbacks

  1. […] seit längerem, ich komme aber erst heute im Zug nach Bielefeld dazu, es mal niederzuschreiben. In Epheser 5,16 heisst es: Kauft die rechte Zeit aus! Denn die Tage sind böse.Im Griechischen ist hier von einem […]

  2. […] eine Gelegenheit bietet, dann sollen wir diese ausnutzen. Das Wort „Zeit“ ist dasselbe wie in Epheser 5,16. Es bedeutet nicht allgemein Zeit sondern eine besondere Zeit, eine göttliche Gelegenheit die wir […]

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