Heilung muss immer eingebettet sein in die Gesamtheit des Lebens und des Glaubens. Sie ist nicht das einzige. Es geht nicht in erster Linie darum gesund zu sein, es geht darum, bei Jesus zu sein. Unsere größte Angst sollte nicht die Angst vor Krebs sein sondern die Angst, Gottes Willen nicht zu erfüllen.
Eine Geschichte aus dem Heilungsdienst Jesu macht mir diesen Aspekt göttlicher Heilung besonders anschaulich:

Am Sabbat lehrte Jesus in einer Synagoge.
Dort saß eine Frau, die seit achtzehn Jahren krank war, weil sie von einem Dämon geplagt wurde; ihr Rücken war verkrümmt, und sie konnte nicht mehr aufrecht gehen.
Als Jesus sie sah, rief er sie zu sich und sagte: Frau, du bist von deinem Leiden erlöst.
Und er legte ihr die Hände auf. Im gleichen Augenblick richtete sie sich auf und pries Gott.
Der Synagogenvorsteher aber war empört darüber, daß Jesus am Sabbat heilte, und sagte zu den Leuten: Sechs Tage sind zum Arbeiten da. Kommt also an diesen Tagen und laßt euch heilen, nicht am Sabbat!
Der Herr erwiderte ihm: Ihr Heuchler! Bindet nicht jeder von euch am Sabbat seinen Ochsen oder Esel von der Krippe los und führt ihn zur Tränke?
Diese Tochter Abrahams aber, die der Satan schon seit achtzehn Jahren gefesselt hielt, sollte am Sabbat nicht davon befreit werden dürfen?
Durch diese Worte wurden alle seine Gegner beschämt; das ganze Volk aber freute sich über all die großen Taten, die er vollbrachte. (Lukas 13,10-17 nach der Einheitsübersetzung)

Jesus nennt diese Frau eine Tochter Abrahams. Sie war Erbin der Verheißung des Glaubens. Sie wuchs auf mit dem Wissen um die Geschichten des Alten Testamentes und sie kannte die Namen Gottes. Sie wusste, dass einer der Namen unter dem sich Gott seinem Volk vorgestellt hatte „Jahwe Rapha – der Herr Dein Arzt“ ist (2.Mose 15,26). Sie ging treu in die Synagoge, gab den Zehnten und betete. Dennoch wurde ihr Zustand schlimmer und schlimmer. Von Jahr zu Jahr verkrümmte sie mehr und mehr. Jeder konnte sehen, dass sie krank war – sie konnte nur noch den Boden sehen.
Zur damaligen Zeit war es schlimm krank zu sein. Als die Jünger einen blinden Mann sahen, fragten sie Jesus reflexartig, wer gesündigt hätte, er selbst oder seine Eltern (Johannes 9). So war das Weltbild dieser Zeit: Krankheit wies darauf hin, dass etwas nicht stimmte, man musste Sünde im Leben haben und war damit mindestens zum Teil selber Schuld an seinem Unglück. Wir haben in der Bibel Geschichten von Frauen, die wegen ihrer Unfruchtbarkeit (die man auf dieselben Gründe zurückführte) inständig zu Gott gebetet haben; ich bin sicher, dass es bei dieser Frau dasselbe war. Sie wird achtzehn Jahre gekämpft und gebetet, alles getan haben, was sie konnte und wusste um diese Krankheit los zu werden. Dennoch dauerte es achtzehn Jahre bis Jesus kam um sie zu heilen.

Wir wissen oft nicht, warum Menschen nicht geheilt werden, aber wenn wir ehrlich sind müssen wir zugeben, dass manche ihren Kampf gegen die Krankheit nicht überleben. In diesem Falle müssen wir ihnen anders helfen und sie jesusmäßig begleiten – nötigenfalls auf ihrem Weg in den Tod.

Vor Jahren hatte ich mal ein Bild. Manche würden es vielleicht eine Vision nennen, aber ich hatte die Augen geschlossen und sah es vor meinem inneren Auge.
Ich sah einen Kranken, der in einem Zimmer lag und es ging ihm sehr schlecht. Man konnte sehen, dass er sterben würde, es war nicht ein einfacher Schnupfen. Im Zimmer daneben waren viele Christen versammelt. Ich kannte manche von ihnen und wusste, dass sie seine Gemeinde sind. (Ich kannte auch den Kranken). Die Gemeinde betete inbrünstig, manche beteten Gott an, manche schrieen zum Herrn um die Heilung des Kranken – aber niemand ging hinüber. Während der ganzen Zeit war er allein. An dieser Stelle endete das Bild, aber ich bin sicher, dass es so weiter gegangen wäre und dass er allein gestorben wäre, ohne dass jemand aus der Gemeinde ins Nebenzimmer gegangen wäre.
Mich hat das Bild sehr betroffen gemacht. Bis heute kann ich nicht emotionslos daran denken. Auch während ich diese Zeilen in einem Café auf Norderney schreibe, wühlt mich die Erinnerung an das Bild auf.

Ich glaube, dass wir große Schuld auf uns laden, wenn wir uns nicht um die Kranken in unseren Gemeinden kümmern. Oft nehme ich eine Geisteshaltung in den heilungsgläubigen Gemeinden wahr, die nicht mehr den Menschen sieht sondern nur noch das potentielle Wunder. Wir beten um uns nicht mit dem Menschen und seiner Not auseinander setzen zu müssen. Krankheit, und alle anderen Formen menschlichen Leides, sind natürlich ein Ärgernis. Es ist nicht leicht mit ihnen zu leben. Aber ich fürchte, dass es bei all unserer Wundergläubigkeit auch ein Auftrag der Gemeinde ist, sich mit der Not der Menschen auseinander zu setzen und sie nicht in ihren dunkelsten Stunden allein zu lassen.
Es erfordert eine menschliche Größe, mit den Trauernden zu weinen und den Glauben auch dann noch zu halten, wenn man die Grabrede eines Menschen halten muss, für den man lange gebetet hat. Es ist eine Größe und Charakterstärke um die wir Gott unbedingt bitten sollten. Das Leben ist komplex und wer nur einfach Antworten hat, wird darin nicht bestehen können.
Die Gemeinde Jesu ist an diesem Punkt wieder einmal zwiegespalten. Auf der einen Seite gibt es die diakonisch orientierten Christen, die Kranke mit großer Hingabe pflegen und auf ihrer letzten Reise begleiten, aber in Bezug auf Heilung keine große Hilfe sind. Auf der anderen Seite gibt es die charismatischen und glaubensgesinnten Heilungsleute, die zwar mehr oder weniger effektiv für Heilung beten, aber in der seelsorgerlichen Begleitung Kranker oft mehr Schaden anrichten als zu nutzen. Beide Positionen sind immer noch besser als Christen, die so leben, als gebe es keine Krankheit oder als sei die Not der Welt nicht der Auftrag Gottes an uns. Es wäre aber absolut wünschenswert, wenn beide Positionen zusammen kommen würden.

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20 Kommentare

  1. Ich weiß gar nicht, wie man beide Positionen zusammenbringen könnte. Wahrscheinlich braucht es beide je für sich. Wer heilen WILL, wer daran glauben WILL, der darf nicht aufgeben.
    Und wer begleitet muss helfen das Unabänderliche zu akzeptieren. Weil Friede sich dann einstellt, wenn die Auflehnung aufhört. Und so ein Begleiter widerum kann nicht heilen wollen mit jeder Faser seines Glaubens, dann wäre er kein guter Begleiter.

  2. aber man kann doch auch krankenhaus und hospiz unter einen hut bringen. ich sehe da keinen so grossen widerspruch. für beides braucht man halt leute, die mit ganzem herzen dabei sind und die jeweils andere seite nicht für verwerflich halten. in einem geist der liebe sollte so etwas gehen.

  3. Ich finde die Vorstellung, dass die beiden Positionen zusammen kommen, enz geil. Vielleicht liegt gerade darin die unfassbare Kraft Gottes: das Unabänderliche akzeptieren, dem Kranken persönlich ganz praktische Liebe geben (ihn annehmen, fürsorglich zärtlich da sein …), ein Bote des Friedens Gottes sein … Wenn „das bei Jesus sein“ das Wichtigste ist, kann der Begleiter Jesus in sich zum Kranken bringen. Und wenn er das tut, weil er den Kranken WIRKLICH mag, ohne dass er eigentlich nur das Wunder will und den Kranken damit lediglich benutzt, dann ist das Ziel doch erreicht. Ich kann mir gut vorstellen, dass dann Heilung einfach passiert, weil Gott anwesend ist.

  4. amen amen – jetzt sprichst du mir wirklich aus dem herzen !!
    *sowohl als auch* ist ein roter faden, den ich schon lange sehe und der diese ungesunden geisteshaltungen, spaltungen und wortgefechte echt überwinden könnte – aber du hast recht, dafür ist viel mehr grösse notwendig, als sich in einem lager in position zu bringen…
    „das eine tun und das andere nicht lassen!“
    segen bruder

  5. Ich glaube das es in der Praxis recht einfach ist diese beiden Positionen zu verbinden, man begleitet oder hilft jemand und kann auch immer mal wieder fragen ob man für die Person beten kann. Eine ähnliche Situation wie jemand Suppe kochen, obwohl das oberste Ziel für jemanden ist im dritten Himmmel zu sein und da tu ich mir es glaube ich, wirklich schwer mit der Suppe.

  6. @ TrüLo

    Ich halte es – wie Norbi schon sagte – für möglich, beide Positionen in einer Person zu vereinigen. Warum sollte sich Frieden nur da einstellen können, wo man nicht mehr gegen das Böse ( in diesem Fall Krankheit) kämpft? Friede ist da, wo man sich bei Gott geborgen weiß, ob mit oder ohne Heilung. Und während man auf die Heilung wartet, kann man dem Anderen in Liebe dienen, ohne ihn unter Druck zu setzen.

  7. hab zu dem thema ein Zeugnis aus dem Freundeskreis. Die Mutter einer Freundin starb vor einigen Jahren an Krebs. Die komplett gläubige Famillie und der Freundeskreis haben unentwegt für Heilung geglaubt und gebetet mit allen erdenklichen Möglichkeiten (Handauflegung, gesalbte Taschentücher…). Eine der Töchter dieser Frau war bei den sogen. „healing rooms“ aktiv. Es ging der Kranken immer wieder mal besser, selbst von Metastasen war sie eine zeitlang erscheinungsfrei. Die Frau starb wie eingangs erwähnt doch, bestattet wurde sie an einem Donnerstag. Am darauffolgenden Freitag sollte die Tochter ein Heilungsseminar abhalten. Jeder hätte verstanden, wenn sie das nach den Erlebnissen in der Familie abgesagt hätte. Sie hat es dennoch gehalten und die Gegenwart des Herrn war bei keinem ihrer vorhergehenden Seminre so gewaltig, wie bei diesem.

  8. das ist in der tat stark

  9. schöne geschichte, masp. so muss man das machen!

    vielleicht sollten wir das ganze von der seite der liebe her sehen und nicht heilung aus dem komplex dessen herauslösen, was gott für menschen tun kann und will. wenn der a-plan nicht klappt, dann nimmt man halt den b-plan und investiert aber dennoch weiter glauben.

  10. Welche Pläne auch geschmiedet werden??Es wäre nicht nur absulut wünschenswert,wenn beide positionen zusammen kommen würden.Nein,für mich wäre es viel mehr als das.Und ich glaube es würde nicht nur mir Heilung schenken“heim kommen zu dürfen“,sondern sogar der gesamten Gemeinde.
    Ich habe da übrigens auch ein Bild!
    Ich habe da übrigens auch einen song!
    Ich habe da übrigens sogar ein Feuerzeug für die Raucher!
    (Bin selbst Raucher und habe“auch“manchmal Angst vor Krebs.Aber ich werde dennoch weiter rauchen.Einfach weil es mich beruhigt.Heilung ist etwas,was ich persönlich z.B.wirklich brauche).Handauflegung wäre schonmal eine tolle Erfahrung.

    Björn S.

  11. dann komm doch einfach mal wieder bei uns vorbei. wir bieten in jedem gottesdienst handuaflegung an! sogar von leuten, die eigens dafür da sind für andere zu beten.

  12. danke Storch.Ich bin sehr gerne wieder einmal in Remscheid.

  13. sag vorher bescheid, wenn ich da bin kann ich gerne mit beten.

  14. Ja,mach´ich.

  15. Bei Heilung und dem Gebet dafür ist es wie bei allem anderen auch, ohne Liebe, fürn Arsch!

  16. dem würde ich nicht ganz zustimmen, denn mir als krankem wäre es schnurz ob der heiler mich liebt oder nicht. hauptsache, er heilt mich!

  17. Wer heilt hier wen?

  18. Das man als Kranker oft den absoluten Willen hat geheilt zu werden ist klar. Aber ich als Beter, sollte die Liebe für den Menschen haben, sonst fehlt ein wichtiger Teil. Dann ist es eine religiöse Übung, mehr nicht!
    Wenn ich die Liebe nicht beim beten habe dann wird es schwer mit der Seelsorge wenn keine Heilung kommt. Wenn du beide Seiten verbinden willst, geht es nur über die Liebe!

  19. eine der grossen diskussionen in dem bereich: heilt gott oder der „heiler“? ich weiss es nicht, man kann beides gut argumentieren. aber da du von der möglichen lieblosigkeit des beters schreibst meine ich ihn auch.

    oh, die kommentare kamen hier zeitversetzt an. deshalb jetzt noch mal per „edit“ die antwort auf den zweiten von dir:
    ich sehe das genauso. die liebe ist etwas, in der jeder heilungstyp wachsen sollte. ich will nur immer auch prophylaktisch was dagegen sagen, dass man ohne liebe nicht in den dienst sollte. jeder geistliche diener macht mal sachen lieblos, da müssen wir einfach durch. prediger haben mal einen schlechten tag, lobpreisleiter und auch seelsorger und heilungsbeter. dennoch funzen auch an solchen tagen die gaben – zum glück, denn sonst würde es keinen geistlichen dienst geben. liebe ist ein wichtige motivation, aber wir sollten nicht warten bis wir in ihr vollkommen sind um gottes reich zu bauen.

  20. Mit dem warten wäre eine doofe Sache! : )

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