Es ist immer schwierig genau Rechenschaft darüber abzulegen wie man zu einer theologischen Überzeugung gelangt. Ich halte es von meiner eigenen erkenntnistheoretischen Warte her für unmöglich die Schrift voraussetzungsfrei zu lesen. Niemand kann sagen: „das ist das reine Wort“, wir lesen alle durch theologische Brillen und verstehen die Bibel von bestimmten hermeneutischen Schlüsseln aus. So ist denn auch meine Definition von Theologie, dass sie „eine Perspektive auf Gottes Wort bietet“. Was wir als Theologen tun können (und müssen!) ist zu versuchen den Rahmen der Bibel nicht zu verlassen, nicht widerbiblisch zu werden.
Innerhalb dieses biblischen Rahmens gibt es dann aber viele Ansichten die vertretbar sind und es ist letztlich unserer Erkenntnis überlassen diese Ansichten zu beurteilen. Für mich gibt es zwei Kriterien die dazu führen, dass ich eine Theologie übernehme. Das erste ist, dass ich ein Reden Gottes habe, diesen Teil mag man als subjektiv bezeichnen aber so ist es, ich bete über das was ich glaube und wenn ich kein positives Feedback des Geistes verspüre, dann glaube ich es auch nicht. Mir ist egal was Dr.So-und-so zu einer Sache sagt, er kann mich nur inspirieren, mich einladen mein Schriftstudium an einem Punkt zu vertiefen, aber nicht meine Meinung bilden. Das zweite Kriterium ist messbarer: „bringt mich eine Theologie näher zu Jesus oder nicht?“ Man kann das Mass des Geistes in seinem Leben messen, nicht mit einem Massband, aber immerhin. Hier sind Fragen entscheidend wie: „steigt meine Leidenschaft für Jesus? Bringt mein Leben Frucht?“ Beides zusammengenommen gibt mir eine Richtschnur mit der ich sehr zufrieden bin, die ich aber auch hinterfrage.
Mein wichtigster hermeneutischer Schlüssel ist 1.Johannes 4,8: Gott ist Liebe. Die ganze Schrift erschliesst sich aus dieser einen einfachen Erkenntnis: weil Gott Liebe ist will er das Beste für jeden Menschen. Natürlich kann ich mir nicht alles erklären, denn es gibt immer noch das Geheimnis Gottes. Jesus ist mein bester Freund und mein absoluter Vertrauter, aber ich habe mein Leben der Aufgabe gewidmet ihn immer näher kennen zu lernen. Er ist immer auch der geheimnisvolle dessen Wege höher sind als meine und dessen Gedanken anders sind als meine. So wie ich ihn heute kenne kannte ich ihn vor zwei Jahren nicht. In zwei Jahren wird es wieder anders sein: Gotteserkenntnis entfaltet sich in Studium der Schrift, Anbetung und Dienst.

In Bezug auf Heilung heisst das folgendes: ich kann mir keinen liebenden Vater im Himmel mehr denken, der nicht will, dass es jedem seiner Kinder gut geht. Diese Erkenntnis wurde mir nicht in die Wiege gelegt. Ich bin mit etwa achtzehn Jahren zum Glauben gekommen, im Umfeld einer Brüdergemeinde. Meine erste Erfahrung nach der Bekehrung war super, aber die Gemeinde und das christliche Umfeld waren für mich der Tod. Es gab unglaublich viele Regeln und keine Liebe. Gott zeigt sich von seiner besten Seite so lange man noch Sünder war, mutierte dann aber ganz schnell zum knickerigen Erbsenzähler wenn man dabei war. So kam Regel über Regel, ich durfte kein Bier mehr trinken, keine langen Haare haben, kiffen sowieso nicht, auch keinen Punk mehr hören, keine schwarzen Klamotten mehr tragen usw. In diesem Umfeld habe ich es nicht lange durchgehalten mit Jesus zu leben. Ich gab mir Mühe, las jeden Tag Bibel (ohne den Heiligen Geist eine wahre Herkulesaufgabe), betete (ohne den Heiligen Geist entsetzlich langweilig) und verlor wieder den Glauben.
In dieser Zeit bekam ich die ersten Ansichten über das Übernatürliche und Heilung mit. Ich hörte, dass es irgendwo böse Menschen gab die sich Charismatiker nannten und zu denen man nicht gehen sollte. Ich hörte, dass all die coolen Sachen am Christsein aufgehört haben (vor zweitausend Jahren als mit Johannes der letzte Apostel gestorben war). Ich hörte auch, dass Krankheit eine Erziehungsmethode Gottes ist, die unseren Charakter stählt. Man zitierte gerne C.S.Lewis: „Schmerz ist Gottes Megaphon“ (Leider weiss ich nicht, woher das Zitat ist). Irgendwie kam mir Christentum wie eine Kopfsache vor, ein Glaube für Philosophen, was zwar meiner Persönlichkeit entgegenkommt, mich aber auch nie ganz befriedigen konnte.
Natürlich glaubte man, dass Gott heilen könnte (schliesslich ist er allmächtig), aber er wollte wohl nur selten. Meistens plante er etwas anderes mit Kranken.

Drei wilde und schlimme Jahre später bekehrte ich mich wieder, sozusagen. Diesmal landete ich bei Jugend mit einer Mission, wurde im Geist getauft, verbrachte einige Zeit lachend auf dem Boden, stand wieder auf, war frei von Drogen und lernte eine völlig neue Dimension Gottes kennen.
Auf einmal lernte ich einen liebenden Gott kennen, der mich erst mal so annahm wie ich war. Er überschüttete mich mit seiner Liebe, egal was ich tat. Das begeisterte mich natürlich. Ich lernte Geistesgaben kennen, betete in Sprachen, verstand die Bibel, erlebte erste Bekehrungen und war der glücklichste junge Christ den man sich vorstellen kann (zumindest meistens – es gab noch vieles was Gott verändern musste…).
Als ich wieder zuhause war erlebte ich die ersten Heilungen. Dabei steckte hinter unserem Ansatz für Kranke zu beten eigentlich keine Theologie. Es stand in der Bibel also glaubten wir dran und taten es – und funktionierte gar nicht schlecht. Irgendwann in der Zeit drehte sich etwas in meinem Denken. Ich wusste auf irgendeiner Ebene meines Wissens, dass Gott nur gut ist. Ich wusste einfach, dass er seinen Kindern nichts schlechtes will. Ich hätte das nicht formulieren können, tatsächlich kann ich das erst seit ein paar Jahren. Ich hätte es auch nicht theologisch packen können, es war einfach eine Begeisterung für die Güte des Vaters da die alles andere in den Schatten stellte.
Seitdem kann ich mir eine Sache nicht mehr denken: zu einem Kranken oder sonstwie Leidenden zu kommen und Gott zu fragen: „willst Du ihm helfen?“ Ich glaube, dass ich niemals ein Gebet um Heilung oder Segen mit der Floskel „wenn es Dein Wille ist“ abgeschlossen habe. Das könnte ich gar nicht. Die blosse Vorstellung, dass mein Vater im Himmel einem Menschen nicht das Beste geben will, ihn nicht segnen will fühlt sich für mich wie Gotteslästerung an. Ich weiss, dass ich weiss, dass ich weiss, dass Gott Liebe ist und jeden Menschen segnen will – nicht nur ein paar Glückspilze!

Als ich später (genauer gesagt im November 2004) anfing mich systematisch mit dem Heilungsdienst zu beschäftigen geschah das aus einem Wort Gottes heraus. Ich war in einem Gottesdienst, der mir nur sehr mässig gefallen hat und hatte auf einmal einen total klaren Eindruck, es war fast als hätte ich eine Stimme gehört: „hinter dem Eingang rechts ist ein Buchladen, links ein Regal, unten ein Schuber mit sechs Heilungspredigten. Die kaufst Du.“ Ich sagte: „yes sir!“, fand alles so wie beschrieben und kaufte die Tapes.
Die Tapes haben mich nicht weitergebracht, aber sie haben einen Hunger in mir geweckt, der mich bis heute antreibt: mehr von Gott und seiner Kraft. Auf einmal war mir eines klar: es geht nicht darum hin und wieder eine Heilung zu erleben oder jemanden zum Glauben zu führen; es geht darum in diesen Dingen zu leben und den Himmel auf die Erde zu ziehen – das ist unser Job.
Ich fing also an Heilung zu studieren und stellte zweierlei fest: Heilung ist im Evangelium (im nächsten Post kommen einige Punkte, die das belegen) und beinahe jeder, der im Heilungsdienst erfolgreich war glaubte, dass Gott jeden Menschen heilen will und zwar immer. Eigentlich kamen diese Erkenntnisse anders herum, mit der Frage des Evangeliums hatte ich lange zu kämpfen.

Damit war ein Kurs gesetzt: ich las auf einmal Autoren vor denen ich immer gewarnt wurde und von denen ich ein schlechtes Bild hatte. Aber ich dachte mir: „wenn Gott will, dass mehr Heilungen geschehen, dann sollte ich von denen lernen die Heilungen erleben, nicht von denen, die keine erleben!“
Ich hoffe, dass dieser Post etwas erklärt, wo meine Wurzeln liegen. Theologie entwickelt sich immer aus der Biographie und aus Prophetie (Gott redet und dann haben wir hermeneutosche Schlüssel und Erkenntnisse). Nächtes Mal kommen dann die theologischen Argumente

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16 Kommentare

  1. Tja, da verfolge ich nun deine feine Themenreihe schon eine gewisse Zeit und habe selbst viel über Heilung nachgedacht und so meine Kommentare hier hinterlassen, da wird man selbst ganz massiv in die Krise gestürzt – unsere kleine Tochter Merle, eine Woche alt, hat einen schweren Herzfehler und ist zusammen mit meiner Frau Isa die nächsten 6 Wochen im Klinikum in Aachen und ich halte die Stellung mit unserem Ältesten Ole. Eine absolut irre Zeit, die nur weh tut, alles durcheinander wirft, aber auch Prioritäten verschiebt. Ganz egoistisch bitte ich dich einfach darum, dass du auch für uns betest, gerade für Merle. Natürlich nur, wenn du möchtest… ich werde die nächsten Wochen so ein bisschen im Blog beschreiben…

  2. das tue ich gerne, mein lieber!

  3. cool! Das sind so ziemlich die gleichen Fragestellungen, die mich auch beschäftigt haben. Krass. Na jedenfalls: 1A! Solche Blogs braucht die Welt (besonders die Christenheit).
    Viele Grüße und Segen!

    Christoph.

  4. Lieber Storch!
    Ich dank dir für deine Reihe über Heilung. Ich les deinen blog schon länger und profitier von deinen Gedanken. Ich bin auch grad krank und verwirrt und verängstigt von all dem, da tun mir deine Posts gut, wenn mir alles über dem Kopf zusammenschlägt. Danke dir!

  5. Danke. Kann diesmal voll zustimmen. Im Großen und Ganzen. 😉 Ne, echt gut.

  6. halleluja – einheit ist ein köstlich ding.

    esther: bleib dran!

  7. nochmal @ esther:

    kann man dir irgendwie helfen?

  8. Stroch,
    du schreibst: „Drei …Jahre später bekehrte ich mich wieder,… wurde im Geist getauft,… war frei von Drogen und lernte eine völlig neue Dimension Gottes kennen…“
    So ne Geistestaufe, ist ja nun auch keine Willkür Gottes… demnach liegt es dann ja am Menschen, wenn irgendwie alles „so ohne Geist Gottes“ ist.
    Fallen dir irgendwelche Blokaden oder Hindernisse oder sonst was ein, die da sein könnten, wenn ein Mensch nach dem heiligen Geist fragt und sich bis auf’s Sprachengebet nix tut…?
    Warum überhaupt noch eine Geistestaufe? Geschieht das nicht bei der Bekehrung und Wiedergeburt…? (Dazu hast du doch bestimmt schon was geschrieben….

  9. automatisch geschieht es nihct. man kann durchaus errettet sein und nihct im geist getauft. bei der wiedergeburt macht der geist ein werk in dir, in der geistestaufe kommt gottes kraft um zu dienen.

  10. Mich würde interessieren, von wem die Tapes waren. Ist ja schon ein Ding, so ne Ansage vom Geist und dann das.

  11. nagut… hattest wohl kein Bock auf die Frage.

  12. wieso? ich habe doch darauf geantwortet, oder habe ich dich falsch verstanden?

  13. mir ging es eher um eventuelle Gründe warum Gottes Kraft nicht da ist…

  14. ach so, das hatte ich falsch verstanden.

    gibt es natürlich einige, meine favoriten:
    – fehlende erkenntnis (viele wissen nicht, dass es diese kraft überhaupt gibt) damit hängt zusammen:
    – keine geistestaufe
    – fehlender glaube (=fehlendes vertrauen), man setzt auf viele karten und gott ist vielleicht eine davon, aber wenn es hart auf hart kommt verlässt man sich doch nicht drauf.
    – fehlendes stehvermögen: man geht nicht den ganzen langen weg zur kraft und knickt bei stärkerem gegenwind und mehr feindaktivität ein.
    – sünde.

    da kraft immer eine individuelle komponente hat ist es wichtig, das prophetische element zu berücksichtigen und gott zu fragen, was das wichtigste hindernis ist, das überwunden werden muss.

  15. Storch, weil du gefragt hast, ob man mir helfen kann, hab ich dir unter kultshockk gemailt. Vielleicht hat Gott ja per Storch was für mich, das würd ich dann ungern verpassen (ohne dass ich nerven will, aber…).

  16. ist auch angekommen, aber ich bin busy. habe allein dieses wochenende fünf predigten… ist derzeit nicht ganz einfach zeitnah mails ordentlich zu beantworten. sorry.

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