[Fortsetzung von diesem Post]
Gott
Für mich ist es unverständlich, dass wiedergeborene, geisterfüllte Christen an dieser Stelle sagen: „so ist Gott! Man muss ihn nur genug bitten, dann bekommt man was man will!“ Nein, so ist Gott nicht, und das hat Jesus auch glasklar gesagt, Gott ist nicht wie der ungerechte Richter.
Die meisten Christen haben eine Vorstellung von Gott und Gebet, die einfach schrecklich ist. Wenn wir an Gott als denjenigen denken der Gebete erhört, dann stellen uns einen Schreibtisch im Himmel vor. Es ist der Tisch mit den Gebeten der Heiligen. Dahinter steht der Thron der Gnade, auf ihm sitzt Gott – überarbeitet, am Ende. Die Wangen eingefallen sitzt er vor einem überquellenden Aschenbecher, trinkt Kaffee nach Kaffee und wartet auf den Feierabend. An der Wand hängt ein Countdown und jeden Abend reisst Gott einen Zettel ab und freut sich, dass das Endgericht, und damit sein ewiger Feierabend ein Stück näher gerückt ist. Auf dem Schreibtisch gibt es ein Fach mit Eingängen, dahin kommen alle Gebete der Heiligen. Das Fach quillt über und ständig kommen Engel mit Schubkarren vorbei in denen sich neue Gebete türmen. Man könnte den Stapel leicht deutlich verkleinern wenn man die Gebete der Christen aussortieren würde die mittlerweile gestorben sind…
Daneben ein weiteres Fach mit den Ausgängen. Ein paar Blätter liegen darin auf die Gott „genehmigt“ gestempelt hat und die sich in der nächsten Zeit erfüllen werden.

Natürlich würde niemand das so sagen, so ehrlich sind die wenigsten, aber im Grossen und Ganzen ist das das Bild, dass die meisten Christen von Gott haben und entsprechend sieht unser Gebetslaben dann aus. Ständig reden Christen miteinander und sagen: „ich habe hierum und darum gebetet, aber es ist nicht passiert. Ich denke, ich muss meinem Gebet mehr Nachdruck verleihen und mehr (=öfter) darum beten.“ Manche treten sogar in einen Hungerstreik und nennen das fasten. Beten ist so oft nur noch, dass wir Gott an Mißstände in seinem Reich erinnern und ihm sagen, was alles nicht läuft – als ob er das nicht wüsste. Um den Gebeten Nachdruck zu verleihen bilden wir Gebetsketten und manche haben sogra Visionen von Gebetsarmeen, die nichts anderes tun als Gott davon zu überzeugen, dass die jeweiligen Anliegen wichtig sind und es verdienen in der Bearbeitungspriorität nach oben zu rutschen. Um ehrlich zu sein hat das alles nichts mit Gebet zu tun; jedenfalls nicht in dem Sinne in dem Jesus hier über Gebet lehrt.

Das Problem ist, dass Jesus kein guter Lehre war in dem Sinne wie wir das heute verstehen. Wenn wir uns einen guten Lehrer vorstellen, dann ist es einer, der klar lehrt und jedes mögliche Missverständnis vermeidet. Jesus was da anders. Möglich, dass das daran liegt, dass er in einer anderen Kultur gelehrt hat in der man anders über Lehre dachte als bei uns. Aber auch damals ist Jesus konstant missverstanden worden, man drehte ihm die Worte im Munde um, suchte ihn nur als Wunderonkel und verstand nur in Ausnahmefällen die neue Realität des Gottesreiches das er predigte.
Um Jesu Predigten und Gleichnisse sind wie eine verschlossene Schatzkiste; um sie verstehen zu können braucht man einen Schlüssel. Wenn es um einen Schlüssel geht, der einem das Verständnis eines Textes erschliesst sprechen die Theologen gerne von einem „hermeneutischen Schlüssel“, einem Auslegungsschlüssel. Dieser Schlüssel ist der Charakter Gottes. Es ist der Generalschlüssel der zu jedem Gleichnis Jesu passt, denn Jesus ging es immer in erster Linie darum seinen Vater im Himmel bekannt zu machen.
Die grösste Selbstoffenbarung Gottes findet sich in 1.Johannes 4,8:

Gott ist Liebe.

Wer das verstanden hat, kann nie mehr sagen, dass Gott wie ein ungerechter Richter ist. Er kann ncht mehr glauben, dass Gott harthörig und hartherzig ist. Wer einmal diese Liebe verstanden hat muss einfach über solche Gleichnisse anders denken! Es macht mich immer wieder traurig zu sehen, dass Christen ihrem himmlischen Vater so miese Charakterzüge zutrauen, dass sie dieses Gleichnis nicht verstehen.
Jesus sagt es eigentlich auch sehr deutlich: Sollte Gott seinen Auserwählten, die Tag und Nacht zu ihm schreien, nicht zu ihrem Recht verhelfen, sondern zögern?

Unsere Vorstellung von Gebet
Der Anfang und das Ende des Gleichnisses scheinen nicht richtig zusammen zu passen. Erst spricht Lukas davon, dass Jesus ihnen Gleichnis geben wollte das illustriert wie wichtig anhaltendes Gebet ist, dann scheint er genau die Gegenrichtung einzuschlagen und redet darüber, dass Gott seinen Leuten, die Tag und Nacht zu ihm beten, schnell Gehör schenkt. Was denn nun?

Ich glaube, dass dieser Widerspruch nur dann existiert, wenn wir eine falsche Vorstellung über Gebet haben. Wenn Gebet nur ein Mittel ist um etwas zu erreichen, was wir nach menschlichen Möglichkeiten nicht erreichen würden, dann ist dieses Gleichnis in der Tat etwas unlogisch.
Mit einer falschen Vorstellung von Gott geht eine falsche Einstellung zum Gebet Hand in Hand. Gebet ist für viele Christen die letzte Massnahme, wenn alles andere versagt. Wahrscheinlich hast Du es selber schon gesagt, ich auf jeden Fall: „jetzt hilft nur noch beten!“ Dahinter steht oft, aber zum Glück nicht immer, eine schlimme Einstellung zum Gebet. „Gebe Gott, dass wir niemals so sehr aller menschlicher Möglichkeiten beraubt sind, dass wir etwa mit unserem himmlischen Papa reden müssten!“
Gebet ist für viele Christen nur ein Notnagel, etwas das man macht wenn man etwas will. Für solche Christen scheinen Erfahrungen wie die der Witwe vorprogrammiert zu sein, denn Gebet ist ihnen nichts anderes als ein Behördengang in dem sie Anliegen abgeben. Solchen Christen gilt Jesu Verheissung, dass der Vater ihre Gebete schnell erhört nicht. Jesus redet hier über Christen die verstanden haben, das Gebet ein Beziehungsgeschehen mit Gott ist. Die gelernt haben, Tag und Nacht zu beten, einfach aus einer Liebe zu ihrem himmlischen Vater heraus.
Was ich selber festgestellt habe, sowohl bei mir selber als auch bei anderen die so leben ist, dass sich die Art zu beten in Gottes Gegenwart verändert. Je mehr Zeit wir in der Gegenwart des Allmächtigen verbringen umso mehr verändern sich unsere Gebetsanligen, weil unser Herz sich verändert. Die Gebete die nicht erhört werden sind vermutlich zumindest tendenziell Gebete die nicht im Willen Gottes sind, entweder generell nicht, oder zum momentanen Zeitpunkt nicht. Solche Gebete werden immer weniger je mehr unser Leben von der Gegenwart des Heiligen Geistes durchdrungen ist.
Eine der ersten Lektionen die man als Beter lernt ist, dass es nicht in erster Linie darum geht, was wir wollen, sondern was Gott will. Eines der wichtigsten Gebete (auch und gerade in der Fürbitte) ist keine Bitte sondern ein echtes Herzensanliegen: „bitte Heiliger Geist, zeig mir was auf dem Herzen des Vaters ist. Was will der Vater tun oder in meinem Leben/Dienst getan haben?“. Mit der Zeit wird dieses Gebet ein echtes Bedürfnis jeden Fürbitters, wir sind abhängig von dem Wissen, was Gott will. Gebet ist nicht eine Einbahnstrasse in der wir Gott sagen, was in seinem Reich und in der Welt gerade schlecht läuft. Gebet ist keine Information an den uninformierten Gott – es ist Austausch mit dem Allmächtigen.
Wer so betet, der wird erleben, dass seine Gebet erhört werden. Beten macht echt süchtig – nicht danach zu sehen, dass Gebete erhört werden, sondern danach Zeit mit seinem himmlischen Papa zu verbringen. Dass darauf dann auch noch eine so derbe Verheissung liegt ist nicht mehr als ein Zubrot, das Tüpfelchen auf dem i.

[eine Predigt zu dem Thema]
[ein Blogbeitrag zu der Predigt]

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6 Kommentare

  1. Hallo Storch! Vielen Dank für diesen starken Gebetstipp: „Bitte Heiliger Geist, zeig mir was auf dem Herzen des Vaters ist. Was will der Vater tun oder in meinem Leben/Dienst getan haben?“ Es geht so schnell, dass ich mich selber durch Gebetsanliegen von mir und anderen zermatsche und dann schlechte Laune kriege. Wie krass entspannend ist es dagegen, Gott zu fragen, was sich er gerade wünscht. … Mann, ein Lichtlein geht auf! Schmunzel.

  2. Der Schlüssel is cool. Und ganz leicht zu merken. Der is ganz klein und ganz groß und passt überall rein. Ein Generalschlüssel sozusagen.

  3. Hey Storch, ich stimme dir da total zu. Mir fällt da direkt der Vers aus joh. 15,7 „Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, dann bittet um was ihr wollt es wird euch zuteil werden“. Das beinhaltet genau das was du schreibst, wenn ich Zeit mit Gott verbringe und für mich ist Gebet in erster Linie kein stumpfes Vorbringen von Anliegen, sondern ein simples Gespräch, eine Zeit mit Gott, dann wird sich mein Gebet immer mehr nach Gottes Herz richten.

    Habe dazu auch mal etwas kleines geschrieben, mir ist das aufgefallen, als ich Jona 2 gelesen habe (http://www.thinkschrotty.de/2006-10/jona-2-schrei-zu-gott/)

  4. Lieber Storch,
    wie du weißt, auch ein Thema was mich sehr beschäftigt.
    Und obwohl ich schon wirklich unzählige Gebetserhörung erleben durfte, hab ich immer wieder das Gefühl ein totaler Anfänger zu sein.
    Finde es gut, auch von der Seite Gebet mal zu beleuchten, die sagt, wie man es NICHT tun soll. Hab da auch aus dem Netz ein paar Predigten gezogen, von irgend so einem Amiprediger, der vier Mal dadrüber gesprochen hat „How NOT to pray“. Jesus hat ja auch Dinge in die Richtung gesagt („plappert NICHT wie die Heiden“, usw.).
    Ich will aber gerne viel mehr dadrüber hören, WIE man denn am besten betet.
    Das Buch von Torrey „Die Macht des Gebets“ ist da für mich bis heute die geilste Lektüre, und man kann es ihm auch gut abnehmen, weil man ja weiß, dass er echt was für Gott gerissen hat, und viele seiner Gebete erhört wurden. Torrey plädiert in einem Kapitel sehr dafür, Dinge „durch zu beten“, „anhaltend zu beten“. Er bezieht sich hierbei auf Eph 6, 18, wo Paulus schreibt „…und wachtet dazu mit allem Anhalten und Flehen…“(Torry, Die Macht des Gebets, 1967). Es wäre interessant mal zu forschen, was das griechische Wort hier mit „anhaltend“ und „Flehen“ meint. Ich verstehe das Anliegen, dass wir als Christen aus so einer Bettelhaltung raus kommen müssen. Und doch denke ich, gibt es auch Gebete, wo wir immer wieder zu Gott kommen, anhaltend beten, nicht nachlassen, bis wir eine Erhörung erleben. Mich würde interessieren, was Du dazu denkst.

  5. Hallo,
    gestern wollte ich genau über das Buch schreiben ,welches Martin hier erwähnt hat.Habs vor kurzem gelesen und es ist echt krass und herausfordernd.Der Grund warum viele Gebete nicht erhört werden liegt an uns.Wir habe ja reichlich Zusagen von Gott,zB:1 Joh. 3,22: „Und was wir bitten, werden wir vin ih nehmen; denn wir halten seine Gebote und tun, was vor ihm gefällig ist.“Aber das ganze ist auch an Voraussetzungen geknüpft,und so ist es auch mit vielen anderen Stellen.(Nach Torrey)Also ich kann das Buch nur empfehlen.

  6. @ martin und königskind:

    ich habe das buch von torrey auch gelesen, zumindest steht es in meinem schrank…. ich kann mich aber nicht mehr daran erinnern, was er gesagt hat.
    jedenfalls bete ich auch gerne sachen durch, bis ich weiss, dass es okay ist und etwas geschehen ist (nicht immer halte ich so lange durch). der springende punkt ist nur (zumindest in lukas 18), dass wir nicht gegen gott durchbeten, sondern dass wir im gebet einen beitrag leisten, dass sein wille geschieht. im gebetsleben vieler christen sieht es eher so aus als wäre gott der gegner und man müsste ihm etwas abringen, was völlig falsch ist.

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  1. […] Gebetsleben nachgedacht und mit anderen Leuten geredet. Genau in dieser Zeit habe ich dann diesen Post von Storch gelesen, der genau in meine Situation und mein Denken gepasst […]

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