12. August 2006 11

verletzt leben

Wir alle kennen die berühmte Geschichte im Matthäusevangelium, in der Jesus und Petrus über das Vergeben reden. Da trat Petrus zu ihm und fragte: Herr, wie oft muß ich meinem Bruder vergeben, wenn er sich gegen mich versündigt? Siebenmal? Jesus sagte zu ihm: Nicht siebenmal, sondern siebenundsiebzigmal. (Matthäus 18,21-22).
Manche Übersetzungen gehen noch weiter und sagen 7×70=490x. Das ist ganz schön oft. Die Stelle ist so heftig, dass sie Anlass zu einigen Predigten gibt. Wer hat nicht schon einmal über Vergebung gelehrt? Ich habe hier und da schon über das Thema gepostet. Dabei scheint uns allen ein Aspekt durchgegangen zu sein: wenn man 77 oder gar 490 mal vergeben soll, dann wird man auch ebenso oft den Schmerz spüren. Unsere seelsorgerlichen Ansätze und Versuche zielen immer darauf ab, den Schmerz loszuwerden und am besten ohne Schmerz zu leben. Dabei sollten wir aber eines nicht vergessen: es ist einfach nur logisch, dass vergebend leben verletzt leben heisst; wo keine Verletzung ist, da ist Vergebung nicht nötig.
So betrachtet zeigt diese Stelle einen Weg zu unerhört freiem Jesusleben auf: einem Leben mit einem offenen Herzen gegenüber jedermann – Freund und Feind und Kritiker. Einem Leben, dass Menschen an sich heranlässt, auch auf die Gefahr der Verletzung. Ein liebendes Leben wird immer ein verletztes Leben sein…

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11 Kommentare

  1. und andersrum, werden wir nur geheilt wenn wir den schmerz zulassen und vergeben… wir müssen der wahrheit und dem schmerz unserer vergangenheit ins gesicht sehen um frei davon in die zukunft zu gehen.
    und dann gilt: wir müssen vergeben um wieder verletzt werden zu können… sonst gehen wir irgendwann drauf vor verletzung. hart aber wahr, und irgendwie hat es etwas schönes an sich: zerbrochenheit und schmerzen bringen oft die schönsten dinge im leben hervor.
    *nur gebrochenes licht malt die schönsten farben.*
    (der satz kam mir gestern mal in den sinn, und irgendwie fasziniert er mich…)

  2. Amen, lieber Storch.

  3. wir sind uns kampflos einig, lieber bernhard? ooops, ich hoffe, dass ich keine irrlehre gepostet habe! hihihihihi. 🙂 🙂 🙂

    lydia, das ist ein schöner satz. ein tiefer. bedankt!

  4. bitteschön.

    was soll ich denn jetzt den ganzen tag machen wenn ihr euch nicht fetzt??? es ist doch immer sehr interessant und amüsant eure kämpfe zu verfolgen… 😀

  5. oh mann,
    du sprichst mir wieder mal aus dem herzen. ich werd lieber zehnmal verletzt als einmal jemandem eine zweite chance verweigert zu haben.
    mein passwort ist vertrauensvorschuss.
    sagt ja keiner, dass man einfacher damit lebt.
    platon: „unrecht erleiden ist besser als unrecht tun“

  6. ach storch, nexte woche gibts die erste hör-predicht von mir… 🙂 da ich ja mit modernster computertechnik ausgestattet bin, nehm ich mich selbst auf… tja wenn frau nicht alles selber macht…

  7. @Rabbi.lydia!
    „…nur gebrochenes Licht malt die schönsten farben“.
    Da kann ich Dir nur zustimmen.
    Habe mich dieses Jahr am Freakstock mal etwas länger mit Joe Wittrock aus Pappenburg unterhalten.
    Joe ist wirklich ein cuuler Typ und seine gemalten Bilder sind wundervoll.
    Möglicherweiße wird Joe sogar eine Version von „world wide pizza in your land“ in französisch singen….
    ***jesus-rocks***

    Björn

  8. auch mir sprichst du aus dem herzen. ich find, das thema kommt sonst eher selten vor – wird da wirklich so viel drüber gelehrt? ich hab das gefühl, sonst wird sich ständig immer nur nach dem „heilen“ und „perfekten“ ausgestreckt. hat ja auch seine berechtigung. aber mich ödet diese ganze gesundheitstheologie schnell an. „wir sind nicht krank“, „wir müssen nicht leiden“ etc … das geht doch am kern (oder am herzen) von unserer erlösung vorbei. wer nie verletzt ist, oder leidet hört doch auch irgendwann auf nachzudenken oder fragen zu stellen. davor bewahre mich Gott!

  9. liebe freddi, dann schenke ich dir ein kierkegaard-zitat:
    „Jeder Mensch soll ich Furcht und Zittern leben, und so soll nichts Bestehendes von Furcht und Zittern frei sein. Furcht und Zittern bedeutet, dass man im Werden ist; und jeder einzelne Mensch, das ganze Menschengeschlecht ebenso, ist und soll sich bewusst sein, im Werden zu sein. Und Furcht und Zittern bedeutet, dass Gott da ist, was kein Mensch und kein Bestehendes auch nur für einen Augenblick vergessen darf.“ (Religion der Tat, Kröner 1939, Seite 6)

    dennoch denke ich, dass erlösung erst einmal richtig spannend wird wenn man sie von der warte aus betrachtet, die du langweilig findest. wenn DIESES ziel der massstab wird, dann ist die veränderung des sinnes eine echte herausforderung. mehr als eine theologie, die das leben als ganzes akzeptiert.

  10. …hey, wenn du Irrlehre gepostet hättest, hätt ich doch was gesacht… lach
    Ja, ich bin mal wirklich kampflos völlig einverstanden mit dem, was du sagst und dass du dann noch den ollen Kiergegaard bemühst – „Furcht und Zittern“ – man könnte meinen, du hast am Freakstock Dauerseelsorgezelteinsatz gemacht. 🙂
    Ich liebe unsere Bewegung. Was meint ihr denn, warum wir so bunt sind…?
    Jesus liebt unser Zerbrochensein. Er liebt es! Wer Ohren hat, der höre…

  11. vor jahren habe ich ulonska predigen hören, da war er noch präses des bfp, aber schon ein alter mann. er sprach über eine stelle, die ich nicht gefunden habe und übersetzte das griechische als die „vielfarbige gnade“. irgendwo bei paulus.
    schade, dass ich mich nicht mehr der stelle entsinnen kann, die hätte jetzt gepasst.

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