29. April 2006 19
besser scheitern
Einer der Vorteile am vielen Reisen ist, dass man Radio hören kann. So habe ich auf einer Rückfahrt aus Darmstadt ein wunderbarers SWR-Feature über Samuel Beckett gahört, einen Dramatiker, den ich zwar gelesen habe, zu dem ich aber nie Zugang gefunden habe. In dem Feature durfte natürlich eines der berühmtesten Beckett-Zitate nicht fehlen. Über das Schreiben (das ihm mindestens in diesem Belang dem Leben glich) schrieb er: „Alles seit je. / Nie was anderes. / Immer versucht. / Immer gescheitert. / Einerlei. / Wieder versuchen. / Wieder scheitern. / Besser scheitern.“
Für mich ist das keine Beschreibung des Lebens, wohl aber des geistlichen Lebens und der christlichen Entwicklung. Wenn ich auf etwas über ein Jahrzehnt Leben mit Jesus zurückblicke denke ich, dass nichts auf Anhieb geklappt hat. Ich habe Wochen des Betens und Probierens gebraucht bis ich in Sprachen beten konnte. Die ersten Predigten waren peinlich. Der erste Versuch Gemeinde zu bauen ein ambitioniertes Desaster, der zweite nur wenig besser.
Bei alldem sehe ich Frust und den Umgang mit dem eigenen Scheitern als grösste Hemmnisse auf dem Weg mit Jesus an. Ich habe viele Leute und einige Freunde aufgeben sehen weil sie vom Scheitern so frustriert waren, dass sie keinen weiteren Anlauf mehr genommen haben. Einige von ihnen sind nicht einmal mehr beim Glauben. Der grosse Unterschied zwischen ihnen und denen, die viel mit Gott erlebt haben und im Dienst stehen ist nicht das Scheitern – jeder ist irgendwann gescheitert – sondern das Aufgeben bzw. Weitergehen.
Ich kann Becketts Zitat nur jedem ans Herz legen, der mit Jesus unterwegs ist. Plan es ein zu scheitern. Plan es ein, Fehler zu machen, aber steh immer wieder auf, lerne aus Deinen Fehlern und scheiter das nächste Mal besser.
Denn siebenmal fällt der Gerechte und steht wieder auf. (Sprüche 24,16)
(Dieser Artikel ist auch im aktuellen Freundesbrief der Jesus Freaks veröffentlicht)
Weitere Informationen zu Samuel Beckett finden sich in diesem hervorragenden Artikel.
Guerillachrist schrieb am
29. April 2006 um 19:37Hmm…während des Lesens dieser Zeilen fiel mir ein Lied von Westernhagen ein, dass bei mir mal hoch im Kurs stand: „Steh auf“.
Irendwann scheitert man übrigens nicht mehr….dann weiss man nämlich wo die Fussangeln sind 😛
storch schrieb am
30. April 2006 um 00:32ich kenne keine westernhagenlieder.
aber ob man irgendwann so gar nicht mehr scheitert – da bin ich doch recht unsicher. wär natürclich schön…
Guerillachrist schrieb am
30. April 2006 um 00:58Westernhagen…das war so ne Zeit früher..da gabs mal nen Film „Theo gegen den Rest der Welt“…naja…is schon etwas her 😛
Ja, das mit dem Scheitern…hey, eine unserer christlichen Tugenden ist doch Hoffnung. Ich stell mir oft vor, wie die Nacht für die Apostel im Garten Getsemane gewesene sein muss…und die Verzweiflung als Jesus verhaftet wurde. Und die grosse Angst…aber weisst du, es ging weiter. Manchmal ist das Leben hart und alles droht einzustürzen…aber ich glaube die Geraden und Gerechten sind auf Ihrem Weg nie wirklich allein…und am Ende versteht man dann auch so manches Scheitern und warum es sein musste. Denn wer nie gescheitert ist, der weiss doch auch nicht, wann er nicht scheitert.Unsicherheit gehört dazu…ohne Angst ist nichts wirklich wichtig aber wer glaubt…hey…der ist ganz weit vorne.
Ich hab auch oft Angst. Wer nicht ?
silversurfer schrieb am
30. April 2006 um 11:36Richard Clinton meint in seinem Teaching über Leiterschaft in der ersten FLT Session in Hamburg.
Das was eine erfolgreichen Leiter von einem nicht erfolgreichen Unterscheidet ist, dass der erfolgreiche Leiter einmal mehr aufgestanden ist.“
Mit erfolgreich meinte er übrigens, dass er (der Leiter) sein Leben und seinen Dienst bis zum Ende jesusmäßig leben konnte.
silversurfer
storch schrieb am
30. April 2006 um 14:15stimmt, silversurfer, ich erinnere mich auch an das zitat.
heute war in einem anderen blog, den ich gerne lese ein post über das gleiche thema, als aufhänger diente ein zitat aus der aktuellen ausgabe von „psychologie heute“. wen es interessiert sollte es mal bei toby faix nachlesen.
Vater-Sucher schrieb am
1. Mai 2006 um 02:24Hi WvM,
kann es sein, dass du mit „Steh auf“ folgendes Lied meinst:
Textquelle: klick
Allerdings ist das nicht von Westernhagen sondern von den Toten Hosen. Aber das hätte ich auch nicht gewußt, wenn ich es nicht vorher bei Trinity gelesen hätte… 😉
Auf jeden Fall: Das beste, was ich bisher von den T.H. gehört habe. …läuft grad…
Aber ich könnte mir auch gut vorstellen mitsamt diesem Lied und irgendeiner ausgeliehenen Edelkarre gegen den nächstbesten Autobahnpfeiler zu fahren – Vollgas – volle Lautstärke – und Ende!!!
Es bringt halt all diese Gefühle hoch…
Vater-Sucher schrieb am
1. Mai 2006 um 04:08@ Storch
lustig, dass du über Samuel Beckett schreibst… hab Mitte April von dem Mann das erste Mal was gelesen. In der „Zeit“. Vorher kannte ich denn gar nicht. Aber ich war dann von ihm so fasziniert, dass ich das gleich inin Worte fassen mußte…
storch schrieb am
1. Mai 2006 um 08:26eine weile habe ich beckett mal ziemlich regelmässig gelesen. aber eigentlich ist er mir zu schräg. muss auf jeden fall ein ziemlich genialer mensch gewesen sein.
leider funzt dein link nicht.
march. schrieb am
1. Mai 2006 um 15:36wenn wvm westernhagen sagt, meint er sicher auch steh auf von westernhagen …
Guerillachrist schrieb am
1. Mai 2006 um 17:12Yepp…“Steh auf“ vom guten Marius-Müller. Hör dir das mal an Vater-Sucher !
Danke für den Link, March !
Vater-Sucher schrieb am
1. Mai 2006 um 22:47@storch: ja da hab ich mich wohl vertippt bei dem Link – hier noch mal: mein kleiner Text bzgl. Sam Beckett
@march
@WvM
okay, es gibt also zwei „Steh auf“ – Lieder. Ich geb´s ja zu: Ich hab keine Ahnung von der Musikszene… Hab mich – dank meiner tief verinnerlichten christlichen Sozialisation – meine gesamte Jugend hindurch nicht nur von Kartenspiel sondern auch von jeglicher „weltlicher Musik“ ferngehalten 😉 – peinlich aber wahr!
… es gibt also Nachholebedarf…
Drum bin ich eurer Empfehlung gefolgt und hab mir das Lied von Westernhagen grad mal angehört… aber ich muß sagen: klingt eher wie ein altes Lied von „JmeM“ (so ein bisschen „King´s Kids“-Tanzgruppen-Style ;-))
(also nix gegen „KK“ – aber is halt alles schon 15 Jahre her)
nee, im Ernst – Westernhagen konnte mich nicht so ganz überzeugen. Da lob ich mir doch die Version von den Toten Hosen. Die ist um WELTEN besser!
Schon gehört, March und WvM?
Guerillachrist schrieb am
1. Mai 2006 um 23:59Die Toten Hosen…das ist heimlich rauchen auf der Klassenfahrt und in der pubertären Irrfahrt der Gefühle zu „Alles aus Liebe“ Gänsehaut bekommen…herrlich:
Alles Aus Liebe
Strophe1:
Ich würde dir gern sagen,
wie sehr ich dich mag,
warum ich nur noch an dich denken kann.
Ich fühl‘ mich wie verhext und in Gefangenschaft
und du allein trägst Schuld daran.
Worte sind dafür zu schwach,
ich befürchte du glaubst mir nicht.
Mir kommt es vor als ob mich jemand warnt,
dieses Märchen wird nicht gut ausgeh’n.
Es ist die Eifersucht, die mich auffrisst,
immer dann, wenn du nicht in meiner Nähe bist.
Von Dr. Jekyll werd ich zu Mr. Hyde,
ich kann nichts dagegen tun, plötzlich ist es soweit.
Bridge:
Ich bin kurz davor durchzudreh’n,
aus Angst dich zu verlier’n.
und dass uns jetzt kein Unglück geschieht,
dafür kann ich nicht garantier’n.
Refrain:
Und alles nur (ooh), weil ich dich liebe.
Und ich nicht weiß, wie ich’s beweisen soll.
Komm ich zeig dir, wie groß meine Liebe ist,
und bringe mich für dich um.
Strophe2:
Sobald deine Laune etwas schlechter ist,
bild‘ ich mir gleich ein, dass du mich nicht mehr willst.
Ich sterbe beim Gedanken daran,
dass ich dich nicht für immer halten kann.
Auf einmal brennt ein Feuer in mir,
und der Rest der Welt wird schwarz.
Ich spür‘ wie unsre Zeit vergeht,
wir nähern uns dem letzten Akt.
Refrain
Bridge
Refrain(2x)
Komm ich zeig dir wie groß meine Liebe ist,
und bringe uns beide um
storch schrieb am
2. Mai 2006 um 17:06habe ich auch gern gehört, die hosen. heute finde ich da gar nichts mehr dran…
Guerillachrist schrieb am
2. Mai 2006 um 17:28Ist doch normal. Guck dir heute mal ne Knight Rider oder Airwolf Folge an 😛
storch schrieb am
2. Mai 2006 um 22:51habe ich auch nie gesehen. vielleicht sollte ich mal wieder nightmare gucken, die fand ich damals alle richtig gut. aber ich weiss nicht, meine den herrn so verstanden haben, dass so was meinem geistlichen befinden nicht sooo gut tut..
Guerillachrist schrieb am
2. Mai 2006 um 23:25Dann solltest du besser auch keine Nachrichten gucken…
storch schrieb am
3. Mai 2006 um 22:23tue ich auch in der regel nicht.
Guerillachrist schrieb am
4. Mai 2006 um 12:21… 🙂
Jonas schrieb am
18. Juni 2007 um 21:11Die vollkomene Ausweglosigkeit in den Dramen von Samuel Beckett widerspricht derart dem christlichen Erlösungsgedanken, dass, wenn man Beckett Zitate in Jesusbezug setzt, ihn absolut verfälscht. Ich schätze mal, es ist bloß die allgemeine Naivität gewesen, nicht Böswilligkeit. Trotzdem peinigend genug.