Ihr Herz hast du der Einsicht verschlossen, darum läßt du sie nicht triumphieren. (Hiob 17,4)

Es ist sicherlich eine diskutierbare Sache ob Hiob hier „recht hat“ Von seiner Warte aus sieht es natürlich so aus, als wäre alles auf Gottes Wirken zurückzuführen und als wäre es Gott, der nicht nur Einsicht gibt sondern auch festlegt, wer zur Einsicht gelangt und wer nicht. Diese Weltsicht ist typisch für das Alte Testament und zeigt sich z.B. auch in der Geschichte von Pharaoh, von dem es an ein paar Stellen (siehe etwa 2.Mose 9,12) heisst, dass Gott sein Herz verstockte (oder verhärtete, je nachdem welche Übersetzung man verwendet). Die Sichtweise des Alten Testamentes sah Gott als Urheber aller Dinge, der guten und der bösen, an. Deshalb konnte Salomo sagen, dass Gott die Herzen der Fürsten wie Wasserbäche lenkt (Sprüche 21,1).
Im Neuen Testament sieht es anders aus. Hier ist die Offenbarung grösser als im AT und man sieht das Zusammenspiel zwischen Gottes allmächtigen und gütigen Willen und dem verdrehten Trachten des Menschen. So kann Paulus an Timotheus schreiben (1.Timotheus 2,4), dass Gott will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit gelangen.
Wer hierin einen moderaten Seitenhieb meinerseits gegen den Calvinismus sieht, der sieht richtig: ich bin kein Calvinist und halte den Calvinismus im Kern für falsch. Wenn ein Mensch keine Einsicht in die wichtigen Dinge Gottes erlangt und nicht zur Erkenntnis der Wahrheit gelangt, dann liegt das nicht daran, dass Gott ihm die Einsicht verschliesst oder on sonstwie von der Erkenntnis fernhält. Es liegt an dem Menschen selber.

Was ich an Hiob 17,4 lerne ist, dass Einsicht eine Gabe Gottes ist. Einsicht und Erkenntnis werden von Gott gerne, frei und ohne Mass gegeben, aber sie müssen an der richtigen Stelle gesucht werden. Auch heute laufen viele Menschen wie Hiobs Freunde ohne rechte Einsicht durch das Leben. Viele von ihnen gehören zur geistigen Oberschicht ihres Landes und sind ebenso wie Hiobs Freunde gebildete Männer und Frauen. Bildung und Wissen führen nicht zwangsläufig zur Einsicht – manchmal behindern sie uns sogar auf dem Weg zur Erkenntnis. Manche Menschen mögen sogar – wiederum wie Hiobs Freunde! – fromm sein und dennoch Einsicht vermissen lassen. In beiden Fällen wird das Problem nicht darin liegen, dass sie keine Einsicht suchen; es liegt darin, dass sie an der falschen Stelle suchen.
Erkenntnis wird nur bei Gott gefunden. Der beste Weg den ich kenne sind Gebet und Meditation, es ist der innere Weg der zur Erkenntnis Gottes führt. Viele Menschen, und da kann ich Christen nicht ausnehmen, suchen Einsicht in Büchern, Kursen und Bildung. Das Resultat ist dann aber nicht Erkenntnis sondern Wissen. Während Wissen meistens tot ist, ist es göttliche Einsicht, die lebendig macht.

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3 Kommentare

  1. Ich kann an dieser Stelle das AT nicht so scharf vom NT trennen wie du. Es stimmt, dass Gott will, dass alle Menschen zur Erkenntnis der Wahrheit kommen und doch gibt es diese schwierige Stelle in Rö 11,25, die davon spricht, dass einem Teil Israels Verstockung widerfahren ist, „bis die Fülle der Heiden zum Heil gelangt ist“. Nicht dass ich dieses Handeln Gottes schon ergriffen hätte, aber es scheint sowas wie Gott gegebene Verstockung auch heute noch zu geben, oder?

  2. Preach it, Schwester!

  3. ich bin mir da nicht 100%ig sicher. ich bestimmt eine komplizierte frage, die man auch verschiedene weisen beantworten kann. römer 11,25 sagt ja: „Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vollzahl der Nationen hineingekommen sein wird;“ ich verstehe es auch, dass sie verstockt sind/waren, gehe aber eher davon aus, dass ihr verhalten sie verstockt hat indem es sie von gott weggebraht hat. vielleicht tut gott noch etwas dazu, weiss ich nicht.
    aber in der summe gehe ich davon aus, dass verstockung nicht gottes werk ist sondern menschlich/teuflisch. wenn gott verstocken würde,würde sich das nicht mit meinem verständnis von gnade decken.

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