06. März 2006 5

Gottes Augen – Hiob 10,4

Hast du die Augen eines Sterblichen, siehst du, wie Menschen sehen? (Hiob 10,4 nach der Einheitsübersetzung )

Eine bange Frage, die Hiob da stellt. Wahrscheinlich eine Frage, die sich schon viele Leser der „Schönheit des Komplexen“ gestellt haben. Ich selber auch.
Als ich Christ geworden bin gab es das Gerücht, dass Gott sehr an Äusserlichkeiten interessiert wäre. Damals wie heute trug ich bevorzugt schwarze Kleidung und versuchte mir klarzumachen, dass der Teufel mich damit „markiert“ hätte. Christen tragen nämlich keine dunklen Sachen sondern lieber Regenbögen und andere positive, lebensbejahende Farben. Es muss die Zeit vor Johnny Cashs „Man in Black“ gewesen sein, denn Mr.Cash machte es unmissverständlich klar, dass man als Christ fast schon zu schwarzer Kleidung verpflichtet ist:
I wear the black for those who never read,
Or listened to the words that Jesus said,
About the road to happiness through love and charity,
Why, you’d think He’s talking straight to you and me.

Also kaufte ich mir eine rote Hose und andere stilistische Widerwärtigkeiten. Tauschte meinen Patronengürtel (waren in den 80ern ausserdentlich modern) gegen eine Punkplatte (irgendeine GBH) ein. Nachher habe ich die Platte zusammen mit allen anderen weggeworfen, weil ich auch Gottes Musikgeschmack nicht hatte.
Jedenfalls machte man mir klar, dass Gott wirklich wie ein Mensch sieht und zwar wie ein konservativer deutscher Mensch. Mittlerweile weiss ich, dass es da durchaus regionale Unterschiede gibt, aber meistens scheint Gott wie ein Konservativer des jeweiligen Landes zu sehen…

Dann entdeckte ich 1. Samuel 16,7. Eine Offenbarung: Gott sieht nämlich nicht auf das, worauf der Mensch sieht. Der Mensch sieht, was vor den Augen ist, der Herr aber sieht das Herz.
Die Stelle war eine Offenbarung für mich. Gott sieht nicht auf Äusserlichkeiten; Kleidung, Musikgeschmack, all das interessiert ihn nicht. Stattdessen sieht er auf das Herz und ist an meiner Motivation und Liebe interessiert. Ich glaube, das war die Geburtsstunde eines Credos das sich bis heute erhalten hat. „Gott hat keine Kultur!“ ist seither eines der wichtigsten Momente meines geistlichen Dienstes gewesen. Wenn Gott keine Kultur hat, dann ist es möglich ihm so nachzufolgen wie man eben ist – in jeder Kultur. Für mich ist das bis heute einer der Grundpfeiler der Jesus Freaks: jede/r kann so kommen wie er/sie ist. Ohne sich zu verbiegen.
In der Vision der Jesus Freaks Remscheid heisst es: „Wir wollen in Remscheid und Umgebung eine starke christliche Szene von Menschen bauen, die Jesus nachfogen ohne dabei ihre Identität zu verlieren.“ [Für die, die mehr darüber wissen wollen, ist hier unser Visionsflyer]

Später habe ich entdeckt, dass diese Erkenntnis und weiter geht. Ich habe gesehen, dass es leichter ist, ein Heuchler zu sein als authentisch. Es ist viel einfacher das nachzuplappern, was die Glaubenshelden sagen als selber das Leben bis zum Glauben zu durchleiden. Es ist einfacher heilig und gesalbt zu wirken als es zu sein. Aber es funktioniert nicht. Es gibt etwas, das sieht aus wie Glauben und Frömmigkeit ist es aber nicht. Es bringt nicht dieselben Resultate wie das Echte. Der Grund dafür liegt auf der Hand: Gott sieht auf das Herz; er lässt sich nicht durch unsere oberflächlichen Taten und unsere frommen Sprüche blenden, er kennt uns.

Zurück zu Hiob: Gott hat nicht die Augen eines Sterblichen. Das ist ermutigend und herausfordernd zugleich. Es wirft uns zurück auf das Wesentliche: Gott lieben mit allem was in uns ist, mit aller Kraft, allem Verstand, von ganzem Herzen.

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4 Kommentare

  1. stimmt, ich mag hiob wirklich ausserordentlich gerne. aber es ist eigentlich erst einmal nur eine chance zur systematik. als nächstes kommt der hebräerbrief an die reihe, darauf freue ich mich schon sehr. bin zwar mit hiob erst bei kapitel 15, aber bald kommt ja der urlaub, dann geht es schneller.

  2. Ein sehr schöner Auszug Storch. Das Buch Hiob gibt dir sehr viel oder ?

  3. ich liebe die samuel-stelle. und überhaupt das ganze posting. 🙂

  4. Kann mich nur anschließen an Wolfgang und Kerstin! Danke Storch & Danke Jesus!

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