13. November 2005 3

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Das Schwert pfiff Sekundenbruchteile durch die Luft, eine rote Fontäne schoss aus dem Halsstumpf hervor und malte ein Spritzmuster auf das Kleid des Scharfrichters. Der Kopf fiel polternd zu Boden und rollte zur Tür, wo ihn ein Knecht geschickt mit dem Fuß stoppte und auf den blankpolierten Silberteller legte. Der Täufer war tot, ein Ärgernis beseitigt, ein Versprechen gehalten.

Johannes brannte für Jesus. Schon von Mutterleib an mit dem Heiligen Geist erfüllt, gab es für ihn nur einen Lebensinhalt: die Menschen auf Jesus hinzuweisen. Er war nicht attraktiv, niemand, den man auf den Titelseiten der Magazine gesehen hätte, und dennoch war in allen Schenken und Häusern die Rede von ihm. Er war auch kein wortgewandter Schmeichler, der zu anderen nett war, keiner, den man gerne auf seiner Party gehabt hätte. Im Gegenteil: er beleidigte hohe Politiker und schickte angesehene Leute, die sich taufen lassen wollten, wieder nach Hause, weil sie es nicht ernst meinten mit Gott.
Er war mit einem Kamelhaarmantel bekleidet und roch wie ein nasser Biber. Er lebte in einer Höhle wie ein Tier und ernährte sich auch so, von wildem Honig und Heuschrecken. Seine Predigten waren einseitig: „Tut Buße, denn das Himmelreich ist nah herbei gekommen!“ Und dennoch kamen ganze Ortschaften zu ihm in die Wüste, um ihre Sünden zu bekennen und sich von ihm taufen zu lassen. Für die Menschen seiner Zeit war er etwas ganz Besonderes, und für Jesus der größte Mann des Alten Bundes.

Ich frage mich manchmal, ob wir nicht etwas von ihm lernen können. Die Leute bleiben unseren Gottesdiensten zu hunderttausenden fern, und wir diskutieren Stilfragen um herauszufinden, wie man Ungläubige wieder in die Gemeinden bekommt. Alle Jahre gehen neue Wellen über die Gemeindelandschaft: Seekerservices? Post-Seekerservices? Kulturelle Relevanz? Gottesdienste in Kneipen?
Das ist alles nicht falsch, im Gegenteil. Aber Johannes zeigt, dass Gott einen Schatz in die Gemeinde gelegt hat, der wichtiger ist als alles: sein Wort, seine Botschaft, das Evangelium. Was die Menschen um uns herum von Gott überzeugt, sind keine Anspiele, keine Videobeamer und keine Gottesdienste mit Rockbands. Das Überzeugendste sind Menschen, die Gottes Wort leben und reden, ohne es so zu verbiegen, wie es gerade cool scheint.
Menschen wie Johannes sind einfach überzeugend, egal was sie tun, wie sie reden und wie sie aussehen.

[schon mal in news and dates veröffentlicht]

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2 Kommentare

  1. hey storch! ich muss dir jetzt mal fett für diesen text danken! DANKE! und AMEN!

  2. Amen! Allerdings wäre Johannes wohl auch in jeder Gemeinde hier in Deutschland auf Unmut gestossen (wahrscheinlich auch bei uns Jesus Freaks). Viel zu radikal der Kerl… da versuch ich es doch lieber mit einem Beamer (bei dem kann man das Leuchtmittel auswechseln, wenn es mir nicht passt).

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