17. September 2005 11

erkenntnis – der anfang

die erkenntnis der menschheit, die uns in der bibel überliefert ist, war eine traumatische erfahrung, die die menschen alles kostete, was wertvoll war in ihrem leben. mitten im paradies stand der verbotene baum der erkenntnis von gut und böse. es ist ein seltsamer baum und ich kann mir kaum vorstellen, welche erkenntnis er gegeben hat. gut und böse sind moralische qualitäten und ich kann mir kein leben vor dem essen der frucht vorstellen. es muss ein leben ohne moral gewesen sein, aber dennoch nicht negativ, denn die menschen lebten im paradies. offenbar lag über allem ein mantel der unschuld; man musste sich keine gedanken machen ob das, was man tat gut oder böse ist, man tat einfach und es war gut.
diese entspanntheit fehlt heute völlig. die frage nach gut und böse ist in allem drin, was menschen tun. man macht sich immer gedanken über die folge und die motivation von handlungen und begeht selbst bei bester prüfung noch fehler. keiner geht mehr über diese welt ohne sich schuldig zu machen und in letzter konsequenz wirkt sich fast alles was man tut negativ auf andere aus – und sei es nur, weil man etwas besseres hätte tun können. ich empfinde kants kategorischen imperativ als eine wahre zumutung, eine knute unter der niemand handeln kann: „tue stets nur das, wovon du zugleich wollen kannst, dass es allgemeines gesetz würde.“

der verlust der unschuld ist die erste und unmittelbarste folge der ersten erkenntnis. fast könnte man sagen: es ist ein teil dieser erkenntnis. erkenntnis ist demnach in der bibel nicht ausschliesslich positiv belegt. im gegenteil: speziell die erste erkenntnis war eine negative erffahrung, die nicht das leben brachte sondern den tod. von daher ändere ich die definition von erkenntnis, die ich in dieser reihe entwickle noch einmal ab und sage, dass erkenntnis einen menschen verändert (=in seine struktur eingreift). ob das ergebnis gut oder schlecht ist hängt von den umständen und der erkenntnis ab. ist die quelle der erkenntnis eine göttliche offenbarung gehe ich per definitionem davon aus, dass das ergebnis gut ist.

aus der geschichte von adam und eva im paradies können wir noch ein paar sachen über erkenntnis lernen:

1. es scheint gut, nach erkenntnis zu streben
erkenntnis ist etwas, nach dem man sich ausstreckt, um das man sich bemüht. eva erschien die frucht am baum gut, davon zu essen. es war das erste mal (und das letzte), dass sie von dem baum gegessen hatte. sie musste etwas tun, was für sie völlig neu ist. so ist es auch oft mit der erkenntnis. sie kann uns auf den alten pfaden begegnen, auf denen wir jeden tag gehen. aber sie kann uns auch begegnen, wenn wir etwas völlig neues ausprobieren. mir scheint es, dass geistliche entwicklung sich häufiger auf fremden pfaden ereignet als auf den alltäglichen. etwas besonderes entdeckt man häufiger da, wo man noch nicht gesucht hat, als da, wo man immer schon geschaut hat.

2.erkenntnis hat es etwas spontanes an sich
erkenntnis ist plötzlich da. es kann sein, dass wir einen weiten weg zurücklegen müssen um zu ihr zu gelangen, aber wenn sie da ist, erscheint sie ganz spontan. eva ist eine strecke zum baum gegangen. vielleicht war es eine weite strecke, vielleicht war sie ganz kurz, aber sie ist einen weg gegangen.
dann aber ging alles ganz schnell: sie ass, ihr mann ass und mit einem mal wurden ihnen die augen aufgetan. wenn wir uns ein bischen zeit nehmen, inne halten und darüber nachdenken, fallen uns bestimmt viele situationen ein, in denen uns etwas klar wurde. manchmal stellt man auf einmal fest, dass man im falschen leben ist; dass man den partner mit dem jahre zusammen ist nicht mehr liebt, dass einen der job nervt, oder die tapete neu gestrichen werden muss. das muss keine erkenntnis sein, aber so ungefähr fühlt erkenntnis sich an.
es ist wie ein jähes durchbrechen, ein plötzliches bewusstwerden, dass es gott wirklich gibt, oder die eine oder andere verheissung tatsächlich mich meint.

3.erkenntnis schafft eine neue weltsicht
eine solche erkenntnis verändert die komplette weltsicht. auf einmal sieht alles anders aus. eigentlich ist gar nichts anders, denn erkenntnis ist ja nur ein entdecken von dingen, umständen, tatsachen die immer schon da waren. aber auf einmal sieht man sie und das führt dazu, dass man die welt mit anderen augen sieht.
adam und eva waren nackt bervor sie von der frucht gegessen hatten. sie waren vorher genauso nackt wie nachher, aber sie haben diese nacktheit nicht wahrgenommen. als ihnen die augen aufgetan wurden, haben sie dasselbe paradies gesehen wie vorher, aber sie waren so völlig verändert, dass nichts mehr aussah wie vorher.
jeder, der jesus erkannt hat, kennt das phänomen. vorher hat man die welt gesehen, wie sie in dern augen der wissenschaftler ist: atome, moleküle. energie etc. aber wenn man einmal gott erkannt hat, lebt man in einer anderen welt. man spürt die gegenwart des allmächtigen überall, sieht wie menschen sich unter geistlichen einflüssen bewegen, versteht sachen, die man nie verstanden hat usw. natürlich waren diese dinge immer da. es gab immer einen gott, die welt war immer grösser als die ideen der wissenschaftler, aber wir haben sie vorher nicht so gesehen.

um diesen wichtigen teil der erkenntnis wird es noch in einem späteren post gehen. ich möchte aber zum ende noch eine biblische geschichte zitieren, die zeigt, wie erkenntnis die augen für eine grössere welt öffnet:

Als der Diener des Gottesmannes am nächsten Morgen aufstand und hinaustrat, hatte die Truppe die Stadt mit Pferden und Wagen umstellt. Da sagte der Diener zu seinem Herrn: Wehe, mein Herr, was sollen wir tun? Doch dieser sagte: Fürchte dich nicht! Bei uns sind mehr als bei ihnen.
Dann betete Elischa: Herr, öffne ihm die Augen, damit er sieht. Und der Herr öffnete dem Diener die Augen: Er sah den Berg rings um Elischa voll von feurigen Pferden und Wagen. Als dann die Aramäer anrückten, betete Elischa zum Herrn und rief: Schlag doch diese Leute mit Verblendung! Und der Herr schlug sie auf das Wort Elischas hin mit Verblendung. (2,könige 6,15-18 nach der einheitsübersetzung)

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10 Kommentare

  1. könnte man auch noch weiter gehen?
    die erkenntnis von gut und böse ist die definition von sünde? schaut wohl so aus… is auf jeden fall ein krasse thema. alan (50 jähriger amijesusfreak) hat demletzt im männerkreis bei uns dazu gepredigt. jemand hatte die frage gestellt, wie wir „richtige“ und „gute“ entscheidungen treffen können. daraufhin hat er mit dem baum des lebens und dem baum der erkenntnis von gut und böse angefangen (was tötet also? die erkenntnis vo gut und böse). krass, krass, krass… blablabla 😉 schönes wochenende

  2. Und was wäre, wenn der Sündenfall zur Schöpfung des Menschen gehört ? Wenn der Fall des Menschen gleichsam seinen Übergang von Essenz zur Existenz darstellt ? In aus dem schlummernden Zustand träumender Unschuld holte ?

  3. @ domsen: das halte ich für fragwürdig. die sünde war vom baum zu essen, nicht die erkenntnis von gut und böse. der clou am paradies ist doch, dass handeln keine moralische dimension hatte, weil es kein „böse“ gab. entscheidungen in kategorien von gut und böse sind nur in einer welt möglich, die beides kennt.
    getötet hat die übertretung des gebotes. erkenntnis war nur eine der folgen und auch die war nötiig weil sie nicht mehr im paradies waren.

    @josha: das wäre ketzerei.
    aber im ernst: ich glaube nicht, dass er dazu gehörte, weil gott den menschen für eine andere, fast perfekte welt geschaffen hat.

  4. Aber ich finde einen wirklich interressanten Teil hast du ganz vergessen Storch, naemlich als Gott dazukommt und Adam sich versteckt, denn Gott sagt dann:

    „Wer hat dir gesagt, dass du nackt bist?“

    Gott verurteilte Adam nicht fuer das was er tat, sondern Adam verurteilte sich selbst. Ich wuerde zwar auch nicht sagen, dass die Erkenntnis von Gut und Boese die Suende ist, aber ohne die Erkenntnis von Gut und Boese und damit auch ohne Einteilung von Handlungen, Menschen, Motivationen etc. in Gut und Boese (also keine Verurteilungen) existiert keine Suende. Also ist es nicht Suende etwas Boeses zu tun, aber es als Boese zu erkennen bringt die Suende. (Oder geh ich jetzt zu weit?)
    Im Levitikus gibt es auch mehrere Stellen in denen es Sinngemaess heisst: Wenn er das als Suende erkennt, so soll er dies und das Opfern. (Ich wuerde gern ein Zitat bringen, aber ich bin im AT noch nicht so sicher…)

  5. hi julian,

    ich habe den aspekt nicht vergessen, er ist nur in einer arbeit über erkenntnistheorie unwichtig. es geht ja nicht um sünde oder das paradies sondern um einen fall von erkenntnis und mir geht es erst einmal nur darum, das phänomen zu beschreiben.

    aber auch mit der sündendefinition begibst du dich auf dünnes eis. die erkenntnis, dass etwas „böse“ ist macht imho keine sünde. paulus sagt: Sünde war schon vor dem Gesetz in der Welt, aber Sünde wird nicht angerechnet, wo es kein Gesetz gibt; 14 dennoch herrschte der Tod von Adam bis Mose auch über die, welche nicht wie Adam durch Übertreten eines Gebots gesündigt hatten; Adam aber ist die Gestalt, die auf den Kommenden hinweist. (römer 5,13-14, einheitsübersetzung)

    also liegt die sünde schon im übetreten, gesetz und erkenntnis offenbaren sie nur. die einteilung in gut und böse nimmt ja gott vor, unabhängig von der erkenntnis der menschen. das ist zumindest mein verständnis.

    ist das die stelle, die du suchtest?:
    Wenn die ganze Gemeinde Israels ohne Vorsatz gesündigt und etwas vom Herrn Verbotenes getan hat, ohne es bemerkt zu haben, und dadurch schuldig wurde, dann soll die Gemeinde für die Verfehlung, sobald sie bekannt wird, einen Jungstier als Sündopfer darbringen und ihn vor das Offenbarungszelt bringen. (3.mose 4,13-14)

  6. 1. es scheint gut, nach erkenntnis zu streben
    ich verstehe nicht, wie Du das streben nach erkenntnis gut heissen willst, anhand der geschichte des sündenfalls in der die schlange adam und eva dazu verführt sich von gott loszusagen?
    [Ihr braucht gott nicht, Ihr kommt auch ohne ihn klar – Ihr könnt so sein wie gott, aber ohne ihn. (1.m.2,5)]
    sorry, aber da klappen sich meine theologischen fußnägel hoch.
    erkenntnis – ja, auf jeden fall. aber vielleicht noch mal ne andere wortstudie.

  7. seufz, und ich meine natürlich kapitel 3,5.

  8. @ march:
    weil eva es sagt:
    Da sah die Frau, *daß es köstlich wäre*, von dem Baum zu essen, daß der Baum eine Augenweide war und dazu *verlockte*, klug zu werden. (3,6) [ähnlich 2,9].

    dass das ergebnis anders aussah hat ja nix damit zu tun, dass der baum vorher eine verlockung darstellte. zumindest diese erkenntnis ist schlecht ausgegangen, aber es ist immer erstrebenswert, nach erkenntnis zu streben. scheinbar auch im paradies!

  9. ja, schon klar, daß eva das sagt. aber sagt sie es nicht in direkter reaktion auf die verführung der listigen schlange? vorher wäre sie nicht auf die idee gekommen, davon zu nehmen.

    auch 2,9 [danke, hatte ich gar nicht gesehen] klingt für mich nach ‚da waren viele, viele bäume, und alle lecker. und ach übrigens noch zwei weitere. aber die sind uninteressant, weil gott es so will – kein problem, wir haben ja bäume in hülle und fülle.‘

    noch weitergelesen. 3,22: ’siehe, der mensch ist geworden wie einer von uns, zu erkennen gutes und böses.‘

    was ist, wenn es ursprünglich ausgereicht hätte, alle erkenntnis von gott zu erhalten. was er will, dass ich es weiss, wird er mir zu erkennen geben.
    aber mensch wollte selbst erkennen und nahm die (darauf als folge angekündigte) trennung von gott dafür in kauf?

  10. ich lese es eher so, dass die frau schon vorher gesehen hat, dass der baum „gut“ ist und dass die verführung der schlange die konsequenzen runtergespielt hat: „ihr werdet keineswegs sterben“. als die konsequenz nicht mehr so schlimm war, hat eva gegessen. klingt für mich so, dass sie vorher nur von der strafe abgehalten wurde von dem baum zu essen. um die frage, ob es erstrebenswert wäre von dem baum zu essen ging es ja eigentlich nur am rande.

    ich bin auch nicht sicher, ob sie die konsequenz der trennung gesehen haben. gott sprach ja von „sterben“. dennoch war die folge ganz klar: kaum konnten sie gut und böse erkennen, war die ganze unschuld zum teufel (im wahrsten sinne des wortes) und sie konnten sich nihct mehr in gottes gegenwart aufhalten. davor wollte sie gott schützen.
    was ich mich gerade frage ist, was sie denn im paradies überhaupt mit „gut“ und „böse“ verbinden konnten? da gab es ja nix böses. und wieso sollte sterben als schlimme strafe erscheinen?
    ich liebe den schöpfungsbericht. meiner ansicht nach gibt es in der ganzen bibel keine komplexere passage.

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