10. September 2009 7

Nicht nur beten – tun!

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Es ist besser, zu gebrauchen, was vor Augen ist, als nach anderm zu verlangen. Das ist auch eitel und Haschen nach Wind. (Prediger 6,9 Luther)

Luther bringt es hier schön auf den Punkt, klingt aber etwas anders als andere Übersetzungen. Mich hat diese Stelle immer schon angesprochen. Meine erste Bibel, die ich von vorne bis hinten durchgelesen habe, war eine Luther, und Prediger war eines der ersten Bücher, die ich mit Lust gelesen habe. Eigentlich klar, denn die philosophische Sprache und Themenwahl passen gut zu meinem Charakter.
Der Prediger hat vieles erkannt – das meiste negativ. Das meiste in der Welt ist eitel – Haschen nach Wind. Man kann es tun, aber es bringt einfach nichts. Es bringt nichts, nach etwas zu verlangen, wenn man schon mit dem, was vor Augen ist, nichts anfangen kann. Wie viele sehnen sich nach etwas anderem, besserem, gebrauchen aber nicht das, was Gott ihnen gegeben hat? Ein Großteil unserer Gebete ist von dieser Sehnsucht durchdrungen: „Jesus, gib mir dieses, Vater, schenk mir jenes.“ Mit einer besseren Gitarre könnte ich viel besseren Lobpreis machen. Mit einer anderen Gemeinde wäre ich der Prediger, der ich eigentlich sein könnte. In einem anderen Land hätte ich endlich meinen Heilungsdienst… Vielleicht ist einiges davon sogar wahr – mit einer besseren Gitarre kann man wirklich besser Lobpreis machen.
Die Aussage des Predigers ist auch nicht, dass Situationen nicht besser werden können oder dass bessere Bedingungen nicht tollere Ergebnisse bringen. Die Aussage ist, dass uns die Sehnsucht nach mehr und Besserem nicht davon abhalten darf, treu mit dem zu sein, was wir haben!
Ich habe so viele Leute mit großen Träumen gesehen, die nie angefangen haben, sie zu verwirklichen. Eine Weile hatte ich das Gefühl, dass „Visionäre“ Träumer mit großen Ideen sind, die daran scheitern, ihre Visionen umzusetzen. Wer von seinem großen Dienst nur träumt und für ihn betet, aber nie den ersten Schritt geht, ist untreu mit den Mitteln, die Gott ihm zur Verwaltung gegeben hat. Viele sind enttäuscht von Gott, weil Prophetien über ihr Leben nicht eingetroffen sind – sie haben aber selber nie Schritte in dieser Richtung unternommen. Ich glaube ganz ehrlich, dass es zu jeder Vision von Gott einen ersten Schritt gibt, den wir gehen können. Wenn wir Gottes Reich in unserem Leben sehen wollen, ist es wichtiger, diesen ersten Schritt zu gehen als zu beten, dass die Vision sich erfüllt.

Jesus selbst beschreibt im Gleichnis mit den Talenten (Matthäus 25), wie Wachstum funktioniert. Verkürzt gesagt: „Alles, was Du einsetzt, wird mehr. Alles, was Du nicht gebrauchst, geht verloren.“ Wachstum geschieht also, wenn wir das nutzen, was wir vor Augen haben.
Ich habe das selber oft erlebt. Eine der ersten Sachen, die ich – ganz kurz nach meiner Bekehrung – von Jesus gehört habe, war, dass ich Prediger werden soll. Damals kannte ich gar keine Prediger, nur Pfarrer. Ich hatte ein Bild, vor Massen von Menschen zu stehen. Der Anfang war superklein: eine kurze Andacht in einer bayrischen Pfingstgemeinde auf dem Weg mit „Jugend mit einer Mission“ nach Albanien. Danach lange nichts. In dieser Zeit habe ich oft beim Spazieren gehen oder Autofahren Predigten in meinem Kopf gehalten – nur so für mich, um es zu üben und mich selbst mit Gottes Wort zu erbauen. Dann kamen Predigten vor zwei, drei oder fünf Leuten. Manchmal kamen Anfragen, bei denen ich wusste, dass es nicht gutgehen kann. Ich habe jeden Termin angenommen und jede Gelegenheit beim Schopf ergriffen, egal ob sie attraktiv war oder nicht. Oft habe ich noch draufgezahlt, weil es nicht mal ordentliches Spritgeld gab. Mittlerweile habe ich beim Freakstock und anderen Gelegenheiten vor sehr vielen Menschen gepredigt, und ich habe seit langem keinen Mangel mehr an Einladungen.
Ich wusste die ganze Zeit, dass sich meine Vision von den Massen nicht erfüllen wird, wenn ich nicht bereit bin, das zu nutzen, was vor Augen ist. Wir dürfen uns nicht von Zielen blenden lassen, sondern sollten darauf schauen, was Jesus uns bereits gegeben hat. Ich bin sicher, dass jeder von uns etwas finden wird.

[dieser Artikel wurde auch im kranken Boten veröffentlicht]

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“Better is the sight of the eyes than the wandering of desire. This also is vanity and grasping for the wind.” (Ecclesiastes 6:9, NKJV)

Maybe it sounds a little different but the New King James Version of the bible gets to the point here pretty well. I have always loved this verse. Ecclesiastes were one of the first books in the bible that I have read with delight (after having started with Genesis). Actually, this is obvious since its philosophical language and choice of topic suits my character very well.

The writer of Ecclesiastes found out a lot – most of it negative. Most things in this world are vanity – grasping for the wind. You can do it but it simply leads to nothing. It leads to nothing desiring anything if you do not know what to do with what’s in front of your eyes. How many desire for something else, something better, but at the same time they do not use what God has given them? A good portion of our prayers is soaked with this desire. “Jesus, give me this, Father, endow me with that.” With a better guitar I could praise you a lot better. With another church I would be the preacher that I actually could be. In another country I would finally have my healing ministry… Maybe some of these are even true – with a better guitar you can really do a better praise.

The conclusion of Ecclesiastes is neither that situations cannot become better nor that better circumstances do not lead to greater results. The conclusion is that our desire for more and better things must not prevent us from being faithful with what we have got!

I have seen so many people with big dreams who never started realising them. For a while I had the feeling that “visionaries” are dreamers with big ideas who fail to put their visions into practice. The one who only dreams of his great ministry and prays for it but never makes the first step is unfaithful with the means that God has given him to manage. Many are disappointed in God because prophecies over their life have not come true – but they have never undertaken any steps in this direction. I very honestly believe that to every vision from God there is a first step that we can make. If we want to see God’s kingdom in our life it is more important to make this first step than to pray that the vision come true.

Jesus himself describes in the parable of the talents (Matthew 25) how growth functions. In short: “Everything that you invest becomes more. Everything that you do not use becomes lost.” So, growth happens when we use that which is in front of our eyes.

I have seen this many times. One of the first things that I have heard from Jesus – very shortly after my conversion – was that I should become a preacher. At that time I did not know any preachers, only clergymen. I had a picture of standing in front of masses of people. The beginning was super small: a short devotion in a Bavarian pentecostal church on our way with “Youth with a mission” to Albania. Then, for a long time, nothing. In this time I often preached sermons in my head while going for a walk or driving in my car – just for myself to practice and to edify myself with God’s word. Then there were sermons in front of two, three, or five people. Sometimes there were requests where I knew it would not go well. I accepted every appointment and grasped at every possibility, be it attractive or not. Often I actually paid the travel costs because I did not even get a proper petrol allowance. Meanwhile I have preached at Freakstock and on other occasions in front of very many people and I have not had a lack of invitations for a long time.

All along I knew that my vision of the masses would not be fulfilled if I am not willing to use what is in front of my eyes. We must not get blinded by aims, but should look at what Jesus has already given us. I am sure every one of us will find something.

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7 Kommentare

  1. Sehr guter Gedanke. Im Sport gilt: use it or loose it. Nutze es oder verliere es (für unsere nicht englisch sprechenden Freunde…;-). Wer im Kleinen treu ist, der wird mit Größerem beschenkt. Ein hochinteressantes Spannungsfeld: einerseits eine Vision nah an Gottes Herzen zu haben, andererseits treu zu dienen und das zu lieben, was ist…

  2. Jaaaaaaaaaa

  3. Amen dazu!

    Die Dankbarkeit für das Vorhandene bewahrt vor dem Murren über das Nichtvorhandene. Lieber den Spatz in der Hand als die Taube auf dem Dach.

  4. Zitat:
    Verkürzt gesagt: „Alles, was Du einsetzt, wird mehr. Alles, was Du nicht gebrauchst, geht verloren.“

    …schöne Zusammenfassung des Gleichnisses…

  5. danke für den post.
    erinnert mich an meinen momentanen lieblingsspruch von j. wimber : du wirst es nicht sehen, wenn du es nicht tust.
    wir waren vor einer weile in hh und haben einige prophetien bekommen. der fakt ist : ihr werdet eine gemeinde in cux bauen und es wird damit anfangen, dass ihr leute zum essen einladet. das erste, was wir dann hier wieder gemacht haben : eine eckbank und einen großen tisch gekauft. dann gebetet, dass gott uns freunde ( nicht bekehrungsobjekte ) schenkt. seitdem haben wir leute, die gerne auf unserer eckbank sitzen und kaffee trinken und essen. allesammt nichtchristen.
    das ist viel einfacher als darauf zu warten, dass „aus dem nichts “ ein hauskreis und daraus eine gemeinde entsteht. letztendlich funktioniert das alles in kleinen schritten.
    nochmal mwimber : the way in is the way on 😉

  6. schöne geschichte, andi. weiter so, mögen sich eure träume erfüllen!

  7. Yeah! An dieser Stelle nochmal ein schlichtes „AMEN!“ von mir. Keine dummen Kommentare, keine blöde Hinterfragerei 🙂
    Schönes, straightes DIY – so muss dat sein!!! 😛

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