Was ist Gottes Charakter?
Nun gilt es natürlich zu klären, was der Charakter Gottes ist. Seltsamerweise gibt es an diesem Punkt nicht immer Einheit. Manche Theologen vertreten ein Bild von Gott, das einfach schrecklich ist. (1)
Aber im Allgemeinen kann man wohl sagen, dass Gottes Charakter von zwei Eigenschaften hauptsächlich geprägt wird(2):

1. Gott ist Liebe
So heißt es wörtlich in 1.Johannes 4,8.16. Gott liebt, und das umfasst alle Aspekte liebevoller Zuwendung. Gott ist barmherzig, gütig, gnädig, langmütig usw.

2. Gott ist gerecht
Gott ist ein gerechter Richter, heißt es in Psalm 7,11. Gottes Gerechtigkeit umfasst Aspekte wie Heiligkeit, kein Ansehen der Person usw.

Beide Aspekte ziehen sich durch die ganze Bibel von Anfang bis Ende durch. Unsere Bibelauslegung muss sich an ihnen orientieren. Wir sollten uns die Frage angewöhnen: „Wie passt diese oder jene Stelle zum Charakter Gottes?“. Wohlgemerkt: Gott ist nicht gerecht, aber auch barmherzig. Er ist beides und gleichzeitig. Manchmal, wenn Christen über diese beiden Pole von Gottes Charakter reden klingt es, als wäre Gott schizophren. Das ist er nicht.

Beispiel: das Heil
Die offensichtliche Existenz eines Himmels und einer Hölle hat die Christen zu allen Zeiten beschäftigt. Der Himmel war dabei sicherlich das kleinere Problem, denn auf ihn konnte man sich freuen. Wie aber sieht es mit der Hölle aus? Wie passt die Existenz einer Hölle zum Charakter Gottes?
In Bezug auf die Ewigkeit und Himmel und Hölle passen eigentlich zwei Alternativen nicht zum Charakter Gottes:
• Allversöhnung: jeder kommt in den Himmel, ungeachtet der Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes
• Allverdammnis: jeder kommt in die Hölle, ungeachtet der Liebe und Barmherzigkeit Gottes
Das Evangelium lehrt uns eine Alternative, die mit Gottes Charakter sehr gut vereinbar ist: es gibt eine Hölle, denn der Gerechtigkeit muss Genüge getan werden. Man muss aber nicht verdammt werden, denn Gottes Liebe hat in Jesus Christus einen Ausweg geschaffen.

Brillen, durch die wir die Bibel betrachten sind ein eigenes Thema, das wir hier leider nicht weiter vertiefen können. Hier wird es erkenntnistheoretisch interessant, denn wir sehen immer nur das, was wir suchen. Jeder von uns geht beim Bibellesen von Axiomen aus, von Grundwerten, die nicht klar in der Schrift stehen, unser Verständnis von ihr aber nachhaltig prägen.
Solche Axiome können der „freie“ oder „unfrei“ Wille sein, der Grundansatz „die Bibel ist Gottes Wort“, oder eben nicht, usw.
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Anmerkungen:
(1) So schreibt z.B. Thorsten Brenscheidt in „Gott auf charismatisch“: „Gott will uns also nicht streicheln, sondern ermahnen, strafen und schlagen. Darin zeigt er seine Liebe.“ (…) „Das Kennzeichen des christlichen Lebens ist nicht Zärtlichkeit, Umarmen, Geniessen und Aufatmen, wie der Titel der Zeitschrift lautet, sondern Kämpfen, Überwinden, Widerstehen und das eben erwähnte Ausharren.“
Mir ist absolut unverständlich, wie man (als Christ!) zu einer solchen Ansicht über Gott gelangen kann – und dann auch noch mit diesem Gott leben will!
(2) Es ist seltsam, dass man sich in der theologischen Literatur bisher hauptsächlich mit Gottes Eigenschaften (kreativ, ewig usw.) und seinen göttlichen Attributen (Allmacht, Allgegenwart usw.) auseinander gesetzt hat und so wenig mit seinem Charakter.

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3 Kommentare

  1. Gerade gestern hatte ich ein langes Gespräch mit jemanden diesbezüglich.
    Was mir an Gottes Charakter dabei manchmal nicht so leicht am verstehen ist, ist die Frage nach dem Gebet inbezug auf bitten oder danken. Mir geht es z.B. oft so, das es mir viel leichter fällt zu danken. Danke Gott für diesen schönen Tag! Was mir da schwerer fällt ist z.B. das bitten. Bitte Gott, hilf mir auch in meinem Alltag! Bitte laß dein Licht leuchten über uns!

    Ein Gebet was mir da als Beispiel einfällt, hab ich aus der Bibliothek des Theologischen Seminars in Herborn in einem Buch entdeckt.

    Gott,
    wir danken dir für diesen Menschen, deinen Sohn,
    der mitten unter uns lebt als
    dein Freund, dein Sohn, dein Erbe,
    der mitten unter uns lebt als unser Bruder, unser Freund, unser Herr,
    der zu uns kommt in Gemeinschaft und Gesang,
    der bei uns ist in Angst und Einsamkeit,
    der in uns ist mit seinem Geist,
    der um uns ist am Abend und am Morgen.

    Gott,
    ihn hast du gefunden unter tausenden von Menschen,
    ihn hast du gerufen in den Lärm der Geschichte,
    ihn hast du erfüllt im Alltag der Versuchungen,
    ihn hast du behütet im Gedränge der Macht,
    ihn hast du gehalten in der Stille des Kreuzes,
    ihn hast du geboren im Herzen der Freunde,
    wir danken dir für diesen einen,
    sein ist unsere Hoffnung, unsere Zuversicht.

    Gott,
    durch sein Kommen sind wir erlöst,
    durch sein Leben sind wir befreit,
    er schenkt uns Glanz an unseren Grenzen,
    Würde auf unseren Wegen.
    Mache uns reich mit seinem Geist,
    tanke uns auf mit seinem Leben,
    mache uns fröhlich mit seiner Hoffnung
    und führe uns herein in unsere Seelen.

    Quelle:
    Predigt Studien – Zur Perikopenreihe V
    Erster Halbband
    Kreuz Verlag
    ISSN 0079-4961
    ISBN 3 7831 1355 5

  2. PS – Nicht das ich dort studieren würde,
    aber es ist interessant zu wissen, was die angehenden Pfarrer sich dort in Herborn so an Literatur rein ziehen.
    Gruß Björn

  3. stimmt, das ist echt interessant. auch, dass es dir leichter fällt zu danken als zu bitten; ich würde vermuten, dass es bei den meisten christen anders rum ist.

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