31. Januar 2006 10

hermeneutische schlüssel

michas kommentar zu „vergebend leben“ hat mich zum nachdenken gebracht. welche hermeneutischen schlüssel verwende ich eigentlich, um die schrift aufzuschliessen? jeder versteht die bibel ja aus einem bestimmten blickwinkel und es gibt „grunderkenntnisse“, die so wichtig werden, dass ein grossteil der bibel sich durch sie erschliesst. es wäre ein interessantes forschungsthema, solche hermeneutischen schlüssel zu sammeln…

der erste schlüssel, an den ich mich bewusst erinnern kann, war „geistlicher kampf“. vor wenig mehr als zehn jahren kamen massig bücher über das thema auf den markt: c.peter wagner schrieb die „warfare-prayer series“, wolfhard margies „über den umgang mit einem besiegten feind“. mir kam es damals so vor, als würde ich zum ersten mal das AT verstehen. mir war es immer sehr blutig vorgekommen und jetzt war ich auf einmal sicher, dass das alles ein bild, eine illustration des geistlichen kampfes wäre, in dem wir stehen. mittlerweile bin ich da nicht mehr so sicher… aber es war ja auch nur der erste schlüssel.

der zweite, und für mich immer noch sehr wichtige schlüssel für das NT ist „heil in christus“. dieser schlüssel hat mich endgültig gegen gesetzlichkeit immunisiert. ich glaube, dass es nur einen weg in den himmel gibt: jesus. im umkehrschluss bedeutet das, dass uns nicht sünde in die hölle bringt, sondern das ablehnen (zumindest nicht-annehmen) des heilsweges gottes. das macht sehr entspannt, auch mit manchen bibelstellen. Galater 5,21 kann gar nicht bedeuten, dass jemand der auf die vorher beschriebene weise sündigt, seinen platz im himmel verliert. wenn das so wäre, dann wäre heil=jesus+eigene heiligkeit. dann hätte eine kleine sünde die kraft, jesu opfer zunichte zu machen. das sein ferne! hier geht es um das diesseitige reich gottes.

der zweite schlüssel, der mir immer wichtiger wird ist „das reich gottes“. ich will verstehen, wie das reich funktioniert; die prinzipien des reiches erkennen und beherzigen. vieles in der bibel versteht man erst, wenn man das reich gottes versteht. zu den vielen dingen gehört besonders der bereich des übernatürlichen und des heiligen lebens als christ.

den dritten habe ich von uwe schäfer. prinzip 5 seiner bibelauslegungsprinzipien:“(in: die theologie des zimmermanns, erzhausen 2000)“: ist: die bibel von gottes charakter her auslegen. amen! vieles wird klarer wenn man weiss, wer etwas schreibt. wenn wir unseren jesus kennen können wir die bibel besser verstehen. gottes charakter ist für mich in einem spannungsfeld von liebe und gerechtigkeit, oder: gnade und gericht zu finden. legt man nur von einer seite her aus, kommt man zu falschen schlüsseln und endet in angstvoller gesetzlichkeit oder allversöhnung. in meinen eigenen hermeneutikseminaren habe ich das immer als einzigen schlüssel gelehrt. das tue ich jetzt nicht mehr, weil ich merke, dass ich mehr schlüssel am bund habe und dass auch mehr vonnöten sind um das wort zu verstehen.

viele bibellehrer haben einen schlüssel, den sie anwenden und polieren und anderen zeigen. das ist gut, aber ich glaube immer mehr, dass ein schlüssel zu wenig ist für das ganze wort. schliesslich ist die bibel ein buch mit sieben siegeln (nach offenbarung 6,1), und wem reicht es schon, nur eines zu öffnen?
das hat wieder etwas mit komplexität zu tun: gottes wort ist zu komplex, als dass es reichen würde, es nur durch eine brille zu betrachten, mit einem schlüssel zu erschliessen oder durch einen eingang zu betreten. neben den grossen schlüsseln habe ich immer wieder kleinere, meistens einzelne bibelsetellen, die mir einen besonderen aspekt erläutern. natürlich bin ich auch immer noch auf der suche nach weiteren.

manche theologische schlüssel haben von zeit zu zeit hochkonjunktur, sie sind so wichtig, dass gottes geist sie immer wieder mal betont. derzeit geht es dem schlüssel „christus in uns“ so. es ist ein wichtiger schlüssel um die dynamik des lebens mit jesus zu verstehen. nur ist es eben beileibe nicht der einzige. das problem mit schlüsseln, gerade mit so wichtigen ist, dass ihre besitzer sie oft so schätzen, dass keine anderen schlüssel mehr gesehen werden. im extremfall kann das dazu führen, dass andere schlüssel nicht akzeptiert werden oder der eigene als DER schlüssel angepriesen wird, den alle verwenden müssen. das kann leicht sektiererisch werden, es ist gut auch die eigenen hermeneutischen schlüssel als teil der wahrheit und erkenntnisstückwerk zu sehen.

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9 Kommentare

  1. ich denke, es ist wichtig,
    1.) sich dessen bewusst zu sein, dass man auf jeden Fall Schlüssel verwendet.. bzw. dass man ne „hermeneutische Brille auf hat.
    2.) sich mal diese(n) Schlüssel/Brille(n) genauer anzukucken.

    Es gibt ja auch „böse“ Schlüssel..
    Bsp: Vaterbild beeinflusst hermeneut. Verständnis.
    Angenommen, jemand wurde vom eigenen Vater immer derbe unterdrückt..
    und dazu vielleicht noch streng christlich erzogen worden..
    Dann kann es sein, dass man die Bibel in-und-auswändig kennt (weil man jeden tag 20 kapitel lesen musste).. aber man hat sie nicht im geringsten verstanden..
    weil der Schlüssel „der strafende Gott“ gewesen ist..

  2. gute frage, nach den hermeneutischen schlüsseln. heute nehme ich deinen eintrag nicht zum kommentieren, sondern zum nachdenken über mich selbst. einerseits baumeln wohl auch an meinem hermeneutischen schlüsselbund mehr schlüssel, als mir bewusst ist. andererseits benutze ich vielleicht manchmal zu wenige von ihnen. danke für die anregung.

  3. Hi!
    Interessanter Eintrag.
    Eine Frage: Wie bringst du deine Aussage zu Galater 5,21 mit den Aussagen des 1. Johannesbriefes in Einklang (dass also der, der (gewohnheitsmäßig) sündigt, Gott nicht kennt) oder mit Aussagen wie: „Seid heilig wie ich heilig bin.“ Das ist keine Streit suchende Frage, lol. 🙂
    Gottes reichen Segen!

  4. hi joshua,

    selbst wenn es eine streitsuchende frage wäre wär es eine gute. aber meine antwort würde zu lang ausfallen für einen kommentar. ich habe schon lange vor, mal etwas längeres drüber zu schreiben.
    ich nehme mir vor, demnächst einmal drüber zu posten, okay?

  5. hi haso,
    so ging es mir früher auch oft, ständig habe ich meine schlüssel gesucht. schlimm war das… wenn du sie gefunden hast würde mich ein kommentar sehr interessieren.

  6. OhA! Endlich bloggt das der Storch auch mal. Mein Thema! Somit konnte ich endlich Theologie knacken. Luthers Schlüssel: Röm 3,21 – 24 (für ihn die Mitte der Schrift)! Röhrenbachs Schlüssel: Gal 2,2o (und alles andere gilt nich!) Orthodoxer Schlüssel Joh 1,14 (Inkarnation ist Erlösung) Katholischer Schlüssel: Das Lehramt! breitgrins. Nein, im Ernst: die Kathos haben den Schlüssel dem Papst in die Hand gelegt und der benutzt ihn mit Bischöfen und Gemeindevolk gemeinsam. Is interessant: denn, wer steht über der Schrift? Das Lehramt…denke Nö. Vielmehr hab ich immer die Angst, dass sich die über die Schrift stellen, die meinen, sie könnten sich den Schlüssel aussuchen und je nachdem verwenden. Das ist auch meine Anfrage an Luther!
    Aber Storch, ich geb dir Recht, es wäre ein Thema, das es mal wert ist nach zu forschen. Jean (kunstrasen) hat mich schon letztes Jahr dazu prügeln wollen, dass sich so ein Buch schreib… Hermeneutische Schlüssel in unserer Hand. Und vor allem wer gibt sie uns – und letztlich steht die Frage nach Offenbarung dahinter. Was ist Offenbarung? aber da mach i etz a Fass auf…. meiomei
    schön Gruß

  7. nobbi. welch glanz in meinem blog!
    ich wusste gar nicht, dass hermeneutische schlüssel ein thema ist, das dich interessiert. gut zu wissen! vielleicht können wir da ja mal etwas drüber diskutieren.
    ich habe das thema gewissermassen neu entdeckt. mir war zwar klar, dass es schlüssel gibt, aber ihre bedeutung habe ich erst bei meinen ganzen studien zur metatheologie begriffen. interessanterweise komme ich ja doch immer wieder zu den selben gedanken zurück, da kann ich machen was ich will…. was mich interessiert ist wie die objektive offenbarung gottes in der menschlichen erkenntnis subjektiviert und wie dann mit den daraus folgenden lehren umgegangen wird.
    da sind die schlüssel natürlich voll drin. meine definition von theologie hat sich immer noch nicht geändert: „theologie ist eine perspektive auf das wort gottes“. diese perspektive begrenzt was wir sehen und ermöglicht dass wir sehen. im endeffekt ist ein schlüssel der eingang zur theologie.

    naja, da könnte ich jetzt noch viel zu schreiben. werde ich auch. aber erst mal muss ich zur probe. würde mich sehr dafür interessieren weiter im gespräch zu bleiben!

  8. Interessant in dem Zusammenhang ist vielleicht, dass Jesus zu Petrus (Mt. 16,19) sagt: „Ich will dir DIE SCHLÜSSEL des Himmelreichs geben“, und zu den Theologen in Lk 11,52: „Ihr habt den Schlüssel der Erkenntnis weggenommen.“ Wobei ich ersteres nicht als pro Lehramt des Papstes verstehe, Nobby 😉

  9. hi frank,

    ein interessanter gedanke. bei dem ersten vers weiss ich immer nicht genau, was gemeint ist. welche schlüssel? aber bei den pharisäern aus lukas 11 kann ich mir gut vorstellen, dass er der hermeneutische schlüsssel des messias ist, den sie weggeworfen haben. sie hätten es wissen müssen und dann haben sie weder selbst die schriften richtig verstanden und sind in das reich gottes gegangen, noch haben sie anderen lehrend den zugang ermöglicht – im gegenteil! sie haben den schlüsseln versteckt…

Ein Pingback

  1. […] jüngst kam es bei haso zu einer interessanten diskussion, die allerdings reichlich “offtopic” war. das thema des posts war “gott oder mammon“, haso zeigte einen wichtigen hermeneutischen schlüssel: die unterscheidung chronos/kairos. wir kamen auf eine weitere unterscheidung: rhema/logos und so auf johannes 1,1: Im Anfang war der Logos, und der Logos war bei Gott, und Gott war der Logos. (sperrig aber wunderbar übersetzt aus dem münchner NT). […]

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