25. November 2005 22

habe ich eine vergangenheit?

ein thema beschäftigt mich bei allem exegetischen arbeiten immer wieder: kann ich wissen, was jemand früher gemeint hat? ist es überhaupt möglich, verbindliche aussagen über die vergangenheit zu machen? josha schreibt über die griechische bedeutung der seele:“http://isenhut.blogspot.com/2005/11/ber-die-seele-des-menschen.html“:http://isenhut.blogspot.com/2005/11/ber-die-seele-des-menschen.html. meiner ansicht nach hat er recht – und doch ist es interpretationssache.

in meiner eigenen vergangenheit gibt es dinge, an die ich mich nicht erinnern kann. wenn ich mit anderen rede, gibt es manchmal dinge, an die ich mich erinnern kann, die aber nicht stattgefunden haben. seltsam ist, dass die retrospektive ereignisse völlig verzerrt: manches wird schön gefärbt, anderes dramatisiert, aber alles erscheint als „erinnerung“. das merkt man oft am deutlichsten daran, dass alle ehemaligen raucher „extrem viel geraucht haben“, oder ehemalige säufer dazu neigen, ihr leben drastisch zu übertreiben. das nicht mal mit absicht, sie glauben, dass es so war, auch wenn es anders war. eine mitlaufende kamera würde da einige brüche zwischen realität und erinnerung zeigen.

humberto maturana:“(humberto maturana: was ist erkennen?)“: schreibt, dass wir nicht zwischen der wirklichkeit und einer sinnestäuschung unterscheiden können. eine starke these und doch hat er recht. dass diese aussage stimmt weiss jeder, der sich mal vor einem schatten erschrocken hat, den er für einen menschen gehalten hat. genauso können wir nicht zwischen der wirklich erlebten und der im nachhinein retuschierten wirklichkeit unterscheiden.
für die geschichtsschreibung bedeutet dies, dass ihre quellen unzuverlässig sind. besonders die quellen aus der zeit vor der fotografie sind alle aus dem gedächtnis und nihct exakt. auch die aus der zeit nach der fotografie sind nicht immer genau, weil über viele details keine fotos existieren.

sicher haben wir eine vergangenheit, aber wir können unmöglich sagen, wie sie genau war. wenn das schon bei der eigenen so schwer ist, wie schwer ist es dann erst bei unserer kollektiven, der geschichte? ich kann mir kaum mehr vorstellen, wie ich vor fünfzehn jahren empfunden und gedacht habe als ich „nieder mit dem bullenstaat“ für eine differenzierte politische aussage hielt. noch weniger kann ich mich ins dritte reich hineinversetzen; alle bücher und filme darüber bringen nur ausschnitte, die massloss vergrössert sind und so den blick auf das ganze verstellen. ich kann mir nicht vorstellen, wie es war, 1940 zu leben und das ist gerade mal 65 jahre her. wieviel weniger kann ich mich in das erste jahrhundert versetzen und sagen, was paulus und jesus gemeint haben, als sie dieses oder jenes gesagt haben?:“(dass ich trotzdem hermeneutisch arbeite hat damit zu tun, dass exegese imho nicht alles ist und ich an die auslegung des heiligen geistes glaube. dennoch halte ich eine gute exegese für unerlässlich)“:

das problem wird durch einige implizite grundannahmen verschärft, die in jeder – nicht nur biblischer – exegese allgegenwärtig sind. wenn wir die bedeutung, die ein wort vor 2000 jahren hatte, recherchieren, gehen wir davon aus, dass der schreiber 1. jedes wort bewusst und 2. die bedeutung repräsentativ benutzt.
wer sagt denn, dass homer immer das richtige wort verwendet hat? wir können kaum davon ausgehen, dass er genauso über jedem seiner worte gebrütet hat wie die heutigen philologen. er wird manchmal schnell geschrieben und sprache völlig unbewusst verwendet haben. ich denke nicht jedes mal darüber nach, ob und warum ich „laufen“ schreibe oder „gehen“.
schlimmerweise gibt es dann ja auch noch künstlerische freiheiten. wie z.b. die humoristische in heinz erhardts willhelm tell: „der könig geriet in rage, weil traf des tells etage“. erhardts eigene anmerkung: „tatsächlich sagte der könig natürlich „geschoss“, aber das reimt sich nun mal nicht auf „rage“.“

und selbst wenn einer über jedes wort intensiv nachdenkt. benutzt er es dann so, wie alle? ich denke nicht, denn jeder einigermassen produktive schreiber, redner oder sonstwie mit sprache umgehende, wirkt sprachschaffend. jeder philosoph belegt kernworte wie „sinn“, „welt“, „leben“ etc. unterschiedlich. ähnliches gilt für manche literaturschaffende. und erst die humoristen! kleines beispiel, wieder von heinz erhardt, der sehr gute wortspiele hatte:
Als ich das Gaslicht der Welt erblickte, war ich noch verhältnismäßig jung. Meine Eltern waren zwei Stück, und mein Vater war sehr reich: Er hatte zwei Villen, einen guten und einen bösen. Und eines Tages – es war sehr kalt, und ich fror vor mich hin, denn nicht nur meine Mutter, sondern auch der Ofen war ausgegangen – teilte sich plötzlich die Wand, und eine wunderschöne Fee erschien! Sie hatte ein faltenreiches Gewand und ein ebensolches Gesicht. Sie schritt auf meine Lagerstatt zu und sprach also: „Na, mein Junge, was willst Du denn einmal werden?“ Ich antwortete – im Hinblick auf meine ziemlich feuchten Windeln: „Ach, gute Tante, vor allem möchte ich gerne ‚dichter‘ werden!“ Das hat die Fee mißverstanden…

was selbst feen missverstehen, können auch philologen und exegeten falsch verstehen. der sinn der wörter ist eben schwer zu definieren.

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20 Kommentare

  1. Hi Storch … ich hab als Psychologe gelernt, dass der Mensch (an sich) ziemlich schlecht Erinnerungen reproduzieren kann. Bpsw. ist es ungemein schwer jemanden (selbst wenn man ihn richtig gut kennt) so zu beschreiben (reproduzieren) dass man ein Bild von ihm malen koennte, auf der anderen Seite wuerde man diese Person aber unter 1000 auf Anhieb erkennen. Wahrscheinlich haengt die sehr mit dem von dir beschriebenen Effekt zusammen.

    Deine geaeusserten Gedanken sind demzufolge ein Plaedoyer fuer ein Selberdenken und Selberinterpretieren, oder ? Mit welcher argumentativen Begruenden belegen den dann Hardliner die einzig wahre Auslegung der Schrift (in ihrem Sinne) ?

  2. Ja, das frage ich mich auch oft!
    Wie können Menschen, die ja nicht einmal in der Lage sind, die Gegenwart „richtig“ wahrzunehmen, behaupten, die Bibel und die Geschichte richtig wahrzunehmen/ zu interpretieren?
    Ist nicht alles Interpretation?
    Selber denken… Ein sehr wichtiger Aspekt meiner Meinung nach. Doch wenn z.B. Pastoren ihre Gemeinde im Selber denken und im Individualismus mehr födern, fördern sie somit eine Meinungsvielfalt, die außerhalb jeder Kontrolle liegt. Einen solchen Zustand haben sicherlich nur wenige Pastoren gerne in ihrer Gemeinde. Keine Kontrolle haben bedeutet, vertrauen zu müssen.
    Eine Gemeinde außerhalb der Kontrolle von Menschen
    = eine Gemeinde unter Kontrolle des heiligen Geistes?

  3. hi stan,

    wusste gar nicht, dass du psychologe bist. wie die hardliner das begründen weiss ich nicht, mir geht es ja auch um was anderes: ich habe hier eine anfrage an die wissenschaften der philologie und geschichte. da wüsste ich gerne, welche extrernen kriterien man heranziehen kann um die plausibilität einer these zu stützen.

  4. @tuilin :
    … wenn zu dem selberdenken auch noch toleranz und interaktionsbereitschaft dazu kommt, dann sollte solch eine gemeinde eher ordentlich rocken als ihrem pastor angst einjagen.

    @storch :
    … also genau genommen bin ich nur nen halber psychologe (nebenfach) aber da ich mich immerhin mit kuenstlichen intelligenzen viel beschaeftige, komme ich nicht umhin mich gelegentlich auch mit „echten“ Vertretern auseinander zu setzen…. welche these hast du mit obigem Text konkret aufgestellt ?

  5. @ stan: keine these, glaube ich. eher eine anfrage: kann exegese sich auf sicherem boden bewegen?

  6. ..klingt schwer nach „metatheologie“.. oder?
    bzw. Erkenntnistheorie

  7. „exegese und sicherer Boden“..

    nun ja..

    in manchen fällen kann man von „ziemlich sicherem boden“ reden.
    in ganz vielen Fällen von „halbwegs sicherem Boden“..
    und in manchen Fällen von „exegetischem dünnen Eis“.

    ..denk ich.

  8. (und „allegorische exegese“ tappt ziemlich oft auf etwas herum, was vom jeweiligen Ausleger oft als „eigentlich dickes Eis“ bezeichnet wird, aber vermutlich gar nicht vorhanden ist bzw. befindet man sich auf einmal auf nem völlig anderen gewässer..)

  9. scheinbar hat ungefähr alles, mit dem ich mich beschäftige, irgendwo was mit metatheologie zu tun. ich habe ja immer noch nicht meine serie beendet und bin noch munter beim recherchieren, gerade was erkenntnistheorie anbelangt.

    was die allegorische auslegung (als exegese würde ich die nicht bezeichnen) angeht bin ich definitiv anderer meinung. ich denke, dass gott sehr wohl zu menschen durch sein wort reden kann und den rahmen des eigentlich gemeinten verlassen kann. teilweise hat ja die allegorische auslegung eine lange tradition, wie vor allem beim hohen lied.

  10. ein schönes beispiel dafür, wie verschiedene leute dieselben worte ganz unterschiedlich verwenden. ich unterscheide immer zwischen hermeneutik (auslegung, anwendung) und exegese (rausfinden, was der text (ursprünglich) sagen wollte/will.

  11. Exegese (griech. exégesis = Auslegung, Erläuterung).

  12. liebe psychologen, liebe theologen,

    ich möchte eigentlich nur meine meinung sagen.
    natürlich haben wir eine vergangenheit und natürlich haben wir eine gegenwart, die mit der vergangenheit zu tun hat.
    das problem, gerade in der psychologie ist doch nur, dass aus vergangenheit die zukunft erklärt wird und die gegenwart festgelegt.
    dass ist das problem, weil die bibel den blick nach vorne richtet.
    … ich vergesse was hinter mir liegt.
    Fast alle Psychologen sind Theoretiker, die den Menschen in eine Zwangsjacke von Reiz-Reaktion Verhalten packen.
    Nix geht über gute Seelsorge und christliche Therapeuten. Alles andere ist Metapsychologie.

  13. schwierig mit Hermeneutik und exegese..
    beides hat eng miteinander zu tun.. beides fällt in die Kategorien „Schriftverständnis“ und „Anwendung“..

    so, wie ich das gelkernt habe, legt „hermeneutik“ den theoretischen unterbau für die eher praxisorientierte Exegese.
    (Definitionen, wie ich sie handhabe:
    „Hermeneutik“= „Methoden, wie man einen (biblischen) Text versteht/verstehen kann.“
    „Exegese“= „Auslegung des Wortes Gottes“
    „Homiletik“=“die Kunst, die Theorie rüberzubringen… ‚how-to preach‘ “
    „Predigt“= „die Auslegung des Wortes Gottes in den Alltag hinein“
    „Wort Gottes“ = „Bibel.“ (Und manchmal andere Sachen, die Gott heute offenbart.. welche aber einen geringeren Stellenwert haben, als die Bibel.. muss sich an der Bibel prüfen lassen können..) )

    Zu „Allegorie“:
    Die Gefahr ist, dass man den Rahmen des Überprüfbaren verlässt.. es ist nicht mehr hinterfragbar.. da man einem text einen völlig neuen Sinn gibt..
    Bsp.: „Der Aufbau der Stiftshütte wie in 2.Mose beschrieben ist eigentlich eine Beschreibung für ein biblisches Gemeindemodell.. die Säulen bedeuten dies und jenes.. die verschiedenen Decken bedeuten das..die Ornamente bedeuten dasunddas.. usw..“
    Besser finde ich es, bei themat. Predigten (konkret-Beispiel: „Liebe Gottes zur Gemeinde/zum Einzelnen“: lieber andere klare eindeutige Bibeltexte nehmen.. oder/und Zeugnisse/andere Beislpiele verwenden.. oder andere bildhafte Beschreibungen..

    ..sonst könnte z.B. der Eindruck entstehen, dass man die Bibel nur mit Hilfe von predigern/Lehrern/anderes_“eingeweihtes“_personal richtig verstehen kann.
    bsp.: Hohelied 1,3: “ Weithin verströmen deine kostbaren Salben herrlichen Duft. Jedermann kennt dich, alle Mädchen im Lande schwärmen für dich!“
    …wenn man sagt, mit „Salben“ ist eigentlich der Heilige Geist gemeint..und Duft=Wirkung..
    ..= alle Frauen sehnen sich nach dem Wirken des HG?
    Würde zumindest erklären, warum vor allem in charismatischen Kreisen immer so viele Frauen derbe abgehen..

    ..aber es geht am text vorbei.. und da bin ich bissl radikal.. wenn man nämlich die Bibel anhand dieser Methode auslegt, kann man ALLES reininterpretieren..
    Den „Schlüssel“ für so eine Allegorie muss die Bibel selbst liefern.. und selbst dann muss man bissl vorsichtig sein.. in der Fachsprache redet man in solchen Fällen (auch zur Unterscheidung) dann aber eher von „Typologie“ als von „Allegorie“.

    ..fürs Hohelied ist sicherlich der Schlüssel „die Gemeinde ist die Braut jesu“.. aber man muss aufpassen, wie weit man dann geht, wenn man das Hohelied dementsprechend auslegt..
    Wie gesagt.. Bernhard von Claivaux war Anhänger der allegor. Auslegung .. kein Wunder, dass er mit seinen (überlieferten? ) 86 Predigten über das Hohelied nicht über Kapitel 1 hinauskam..
    (ins Hohelied kann man sicherlich sämtliche mystischen/charismatischen Erfahrungen „hineinlegen (=“Eisegese“.. Hineinlegung) (nein, ich bin kein anti-Charismatiker und ich bin auch kein anti-Mystiker.. eher im gegenteil.. aber der gesamtrahmen muss passen.. und „Nachdenken“ und „Mystik“ schließen sich nicht gegenseitig aus, sondern bedingen und bedürfen einander..)


    das sind alles nur konstruiertte Beispiele. ich weiß, dass storch auf allegorie/Hohelied abgeht.. hab aber keine predigt dazu gehört, und die texte von bernhard von clairvaux hab ich auch nicht gelesen.. Übereinstimmungen mit Predigten/Texten anderer Leute sind rein zufällig bzw. höchstens geraten..

  14. da definieren wir offenbar genau gegensätzlich. das sollten wir für weitere diskussionen im auge behalten.

    was allegorien angeht scheinen wir nicht mal soo weit voneinander entfernt zu sein. mir ist auch wichtig, dass der rahmen nicht verlassen wird und es einen schlüssel gibt. hld bietet sich ja immer als beispiel an und da gibt es eine sehr alte jüdische tradition, die den text auf gott und israel anwendete. analog dazu haben dann die christen den text auf jesus und die gemeinde angewendet und ich würde noch einen schritt weitergehen und ihn auf jesus und den einzelnen gläubigen anwenden. exegetisch (nach meiner definition) wäre das zweifelhaft, aber dann wäre der text auch nihct mehr als eine beschreibung der liebesgeschichte eines königs zu seiner herzensdame und würde uns *nichts* über gott sagen – das kann aber nicht sein!

    natürlich kann man eisegetisch werden und induktion ist niemals zulässig. bernhard hat mit sicherheit übertrieben genau wie bickle, der hinweise auf das aussehen jesu aus dem hld zieht. da kann ich auch nicht mehr mit. allerdings ist ein extrem kein argument gegen die ganze methode. da schüttet man ja das kind mit dem bade aus.

    allegorische auslegung ist super, aber birgt eine gefahr. rein exegetische auslegung birgt aber auch eine gefahr: dass predigten lebensfern und nur noch wissensvermittelnd werden. wenn es nur noch um information („was will der text sagen“) geht, dann ändert sich kein leben. das passiert erst, wenn der text einen aktuellen bezug, eine persönliche aussage bekommt. und die wird oft hineingelegt.

  15. Viele Themen dieser Diskussion gehen ja schon stark in den philosophischen und erkenntnistheoretischen Bereich hinein, wie Micha anmerkte, also Dinge wie „Wie sicher ist meine eigene Wahrnehmung der Wirklichkeit? etc.“. Darüber kann man bestimmt endlos weiterdiskutieren, viele Philosophen von Sokrates bis Sartre haben sich den Kopf drüber zerbrochen und Theorien aufgestellt. Wie stehts im Buch Prediger so schön: „Denn des vielen Büchermachens ist kein Ende …“ (Pred 12,12)

    Für mich als Christ ist die Frage eher eine andere: Welche Maßstäbe lasse ich gelten?

    Ich denke nämlich 1.), das Gott unsere Sinne und unseren Verstand geschaffen hat und uns damit die Möglichkeit gegeben hat, etwas wahrzunehmen und Wahrheit, zumindest stückweise, zu erkennen. Sonst könnten wir auch niemals zu ihm kommen – der Heilige Geist spielt zwar eine wichtige Rolle bei Bekehrungen usw., aber er kann auch nicht die ganze „Arbeit“ machen. Der Mensch muss sich allein entscheiden, diese Entscheidung kann ihm niemand abnehmen und sie erfolgt aufgrund seiner eigenen Wahrnehmung bzw. wegen seiner eigenen Schlüsse, zu denen er gekommen ist.

    Wenn unsere Wahrnehmung in so einem wichtigen Punkt wie der Bekehrung zum Glauben an Gott getrübt wäre, dann gäbe es eigentlich keine Willensfreiheit. Dann hätten wir nicht die Chance, aus eigenem Antrieb zu Gott zu kommen, weil wir erkannt haben, dass er das wichtigste Wesen des Universums ist.

    Dann könnten sich auch niemals zwei frischbekehrte Christen darauf einigen, dass sie DENSELBEN Gott gefunden haben – und nicht zwei unterschiedliche Götter, die sich nur ähnlich sind.
    Woher sollten sie es denn wissen, dass es derselbe Gott ist, wenn ihre Wahrnehmung (die Bibel, eine persönlichen Gottesoffenbarung) und Gottes Gnade es ihnen nicht sagen würde?

    2.) denke ich, dass es mit der Bibel etwas anderes auf sich hat als mit der „normalen“ menschlichen Erinnerung (um mal auf das eigentliche Thema zurückzukommen).
    Wenn wir uns an unsere Vergangenheit erinnern, dann tun wir das als Menschen.
    Wenn die Bibel vergangene Ereignisse schildert, dann sind Menschen die Schreiber, aber Gott der eigentliche Autor. Geht man von diesem Inspirationsverständnis aus bekommen die Aussagen der Bibel einen viel festeren Halt, als wenn man sie einfach als Memoiren antiker Schreiber betrachtet.
    Gott sorgt dafür, dass sein Wort zeitlos ist und in allen Jahrhunderten immer noch als sein Wort verstanden werden kann.

    Klar ist vieles für uns heute schwer verständlich und wir müssen uns erst in die damalige Zeit hineinversetzen, um einige Dinge wirklich nachvollziehen zu können. Wahrscheinlich wird uns das nie hundertprozentig gelingen.
    Nichtsdestotrotz denke ich, dass es MÖGLICH ist, die Bibel genau so zu verstehen, wie Gott sie gemeint hat. Weil er das nämlich will.
    Er ist ein Gott der gefunden werden möchte und keiner, der sich absichtlich hinter schwierigen Stellen versteckt.
    Deshalb schenkt er uns auch zum Verstehen den Heiligen Geist. Ich denke außerdem, dass der Heilige Geist an jedem Menschen arbeitet, der die Bibel nur aufschlägt – egal, ob er Christ ist oder nicht. Aber das ist eine gewagte These… *g*

    Vielleicht ist es bei diesen ganzen Schwierigkeiten und Wortbedeutungen usw. wichtig, das große Ganze nicht aus dem Blick zu verlieren. Man kann schnell in theologischen Deutungen stecken bleiben und die eigentliche Botschaft vergessen.
    Nichtsdestotrotz finde ich theologische Deutungen wichtig und berechtigt, um das mal klarzustellen. 😉

    @ Micha: Zum Thema Allegorie stimme ich dir vollkommen zu. Neues Leben prägt.*G*

  16. hallo maria-magdalena,

    herzlich willkommen auf diesem blog!

    scheinbar hänge ich irgendwo im niemandsland zwischen erkenntnistheorie, theologie und psychologie fest. das ist auch nicht anders zu erwarten, da ich einerseits 100% bibeltreu und charismatisch bin und andererseits schon immer konstruktivist. insofern glaube ich NICHT, dass ein mensch die bibel so verstehen kann wie gott sie „gemeint“ hat. in groben zügen sicherlich, aber nicht in nuancen und details. das ist wieder mein altes thema: metatheologie. soviele menschen gottes wort lesen so viele an- und einsichten wird es nachher geben. die bibel ist gottes wort an jeden, nicht an alle.

    exegese bietet dennoch einen rahmen gegen willkürlichkeit der auslegung. manches wird einfach in die bibel hineingelesen. allerdings wird dieser ansatz („bibel wörtlich nehmen“) auch oft übertrieben und das wissen zur falle. dann nämlich, wenn auf einzelne griechische wortbedeutungen ganze lehrgebäude gestellt werden. dazu ist das exegetische wissen das wir haben zu schwach. es ist immer interpretierbar.

    die bibel lässt pluralität zu. das evangelium ist klar und einfach, aber vieles andere nicht. das bedeutet nicht, dass sich gott hinter schweren stellen versteckt. es bedeutet nur, dass gottes wort, wenn es zeitübergreifend sein will, *flexibel* sein muss. der inhalt muss in einer form geliefert werden, die sich über die jahrhunderte anpassen kann. wie sonst sollte ein buch, dass 2000 jahre alt ist heute noch aktuell sein?

    wir kommen hier immer mehr vom thema ab. könnte mal jemand etwas über allegorische auslegung posten, damit wir das thema da beharken können?

  17. Hi Storch,
    ich stimm dir in allen Punkten zu. 😉

    Ist echt eine interessante Debatte, die du da ins Rollen gebracht hast!

  18. kurz zu exeget. Predigt.
    Storch, du schriebst von der Gefahr, dass eine Predigt lebensfern und nur noch wissensvermittelnd ist. So was ist für mich keine Predigt, sondern ein Vortrag über einen Bibeltext/ein bibl. Thema.
    Für mich ist eine Predigt erst dann eine Predigt, wenn zwei Bedingungen erfüllt sind.
    1.) vom Wort Gottes ausgehend
    2.) in den Alltag hinein.. d.h. für hier und heute relevant.
    prophetische Begabung des Predigers bzw. prophet. Tips durch andere Personen für den Prediger sind hier sehr hilfreich..
    ——
    zum Thema Vergangenheit:
    Extrembeispiel:
    woher weiß ich, dass ich nun 28 Jashre alt bin?
    Theoretisch ists möglich, dass Gott die Welt grade vor 5min geschaffen hat und es nur so aussieht, als wäre alles schon viel viel älter.
    Gott macht sowas manchmal.. z.B. als Jesus Wasser zu Wein machte, hieß es, das wäre sehr guter Wein gewesen. Bekanntlich abaer braucht Wein eine gewisse Zeit der Reifung.. der frisch gemachte Wein hatte also im Moent seiner Erschaffung bereits ein paar Jahre aufm Buckel..
    Interessant sind solche Gednakenexperimente vor allem, wenns ums Thema Schöpfung/Evolution geht..

    anderes, was mir zum Thema Geschichte einfällt.
    Ich finds derbe krass, wie rabiat die historisch-kritische Theologie mit der bibel umgeht..
    wir hamm nun mal ganz wenige Texte aus jener Zeit.. und nur wenige sonstige archäolog. Funde.. wo man auch nie genau weiß, aus welcher Zeit sie stammen.. ist ja nur ganz selten ein datumsstempel drauf.. Weinamphore mit MHD 29.4.300v.Chr?
    Schilder wo draufsteht, „das ist die Klokette von König Artaxerxes“?
    Bei der Bibel wird in der „normalen“ Forschung immer erstma vorausgesetzt, „nee, kann nicht so gewesen sein“.
    Aber wenn man irgendwo ein Schild findet, wo draufsteht „jesus von Galiläa, Fischerei GmbH Kapernaum“, dann heißts sofort in der Presse „Jesus war gar kein Zimmermann, sondern Fischer.. das erklärt auch, wie die Speisung der 5000 vonstatten gegangen ist.. er hat heimlich nochma fix geangelt..“ na ja.. ich übertreibe.. aber so ungefähr ist das Schema..
    (echtes Beispiel: das NT berichtet von Pontius Pilatus. Aber es gab keinerlei archäologische Hinweise auf diesen Pontius Pilatus. Auch keine Schriftstücke. So nahm man also an, den Pontius Pilatus hats nie gegeben.
    Bis man irgendwann im 20. Jahrhundert irgend so ne Steinplatte gefunden hatte, wo irgendwas vonwegen Pontius Pilatus, statthalter“ draufstand.


    Schlimm finde ich übrigens auch Geschichts-Legenden bzw. Hoaxe.
    Manchmal weiß man nicht, ob etwas nun wahr ist oder nicht.

    bekannte christl. Hoaxe:
    (evtl. „die drei Könige aus dem Morgenland.. Caspar, Melchior, Balthasar“.. die Bibel berichtet nur von mehreren Weisen.)
    -Charles Darwin hätte sich noch auf dem Sterbebett bekehrt.. das ist äußerst umstritten. (oder sogar widerlegt? keine Ahnung)
    -Um 1808 hätte irgend so ein bestimmter Dampfer einen Schiffbrüchigen gerettet, der mehrere tage in einem Fischbauch war.. widerlegt. Das Logbuch des SDchiffes gibt es.. aber da steht nix davon drin.
    -Martin Luthers Anschlag mit 95 Prothesen auf den Türsteher zu Wittenberg. (oder so ähnlich 😉 ) Das ist zumindestens sehr umstritten. Wahr ist auf jeden fall, dass er in Wittenberg seine 95 Thesen gegen den Ablasshandel in Umlauf brachte bzw. veröffentlichte.. aber ob er sie wirklich an der Tür der Kirche in Wittenberg anschlug ist alles andere als gesichert.
    -Das zeugnis von einem bekannten eines bekannten eines Freundes meines freundes.. dass jener bekannte mitm Auto unterwegs war, ein oder zwei tramper mitgenommen haben, die dann erzählten, dass man sein Leben mit Gott in Ordung bringen soll und dass jesus bald wiederkommt.. und dass die Tramper dann auf einmal verschwanden.. HOAX! Übrigens schon sehr alt.. in früheren Versionen wars ne Postkutsche.. auch die handlung der Geschichte gibts in unterschiedlichen Versionen.. auch mit ganz und gar „heidnischen“ Inhalten.
    -„Missing day“.. NASA-Computer hätten bei irgendwelchen astronomischen Berechnungen eine seltsame Fehlermeldung gebracht.. es stellte sich heraus, dass in der Geschichte ein tag fehlte.. (was als Beweis gewertet wird für irgend so ne Geschichte ausm AT, als während einer Schlacht die Sonne stillstand.. äh.. Josua?) – HOAX!

    ..gibt noch viele andere.
    Wenn ich Zeugnisse erzähle, dannbeschränke ich mich auf Erlebnisse, die entweder ich selber hatte, oder die gute Freunde, die ich direkt kenne, erlebt haben.. aber wenn ein Freund erzählt, ein Freund von ihm hat das und das erlebt.. da freue ich mich drüber.. aber ich erzähls nicht weiter. Weil sich Fehler einschleichen.. weil sich die Geschichte von mal zu mal ändern wird.. jenachdem wie weit sie sich von der Ursprungsperson entfernt hat. (außerdem weiß ich ja nicht, ob der Freund vom Freund Mist erzählt hat. Bei einem direkten Freund könnt ich das eher noch überprüfen)

    ach..
    genug geschrieben..

    Fakt ist, dass ich nur die Gegenwart wahrnehmen kann.
    Auch was ich über die Vergangenheit weiß, sind momentane gedanken in meinem Kopf.

    ..
    Oh..
    einen hab ich noch:
    Interessanter Fall.. mein Bruder.
    Er hatte mal nen schweren Unfall (wann war das nochmal.. 1997 glaub ich.).. ist in ein Auto reingelaufen, (es regnete, jenes Auto fuhr zu schnell. An einer unübersichtlichen Stelle (wo deshalb nur 30 erlaubt ist) Mein Bruder lief über die Straße. Rumms.
    7 Wochen Koma.
    Paar körperliche Schäden sind geblieben.
    Aber auch paar „Defekte“ am Kopf. Probleme mit dem Erinnern. Schaden am Kurzzeitgedächtnis bzw. mittelfristigen Gedächtnis.
    Er kann sich ganz schlecht Sachen merken.. nicht alles, was normalerweise ins Langzeitgedächtnis wandert, kommt bei meinem Bruder im Langzeitgedächtnis an.. auch jetzt noch.. das wird sich auch nie ganz einrenken.. es wird nur ab und zu ein bisschen besser..

    jedenfalls folgende Story:
    Es war wohl Freakstock 2000 oder 2001.
    Mein Bruder fühlt sich angesprochen von Jesus.
    Eine Freundin von mir und ich haben mit ihm lange geredet, und letztendlich mit ihm zusammen ein Übergabegebet gesprochen. Er hat sich sozusagen bekehrt.
    Ein paar Wochen später:
    ich rede mit meinem Bruder und spreche ihn auf das Erlebte vom Freakstock an.. und auf sein Übergabegebet, seine Bekehrung..
    seine Antwort: „Häh? Was? Daran kann ich mich gar nicht erinnern.. das glaub ich nicht. Du veräppelst mich.“
    Seltsam, oder?

  19. die vergangenheit, sitzt in thalamus und ist somit zumindest anatomisch solange du lebst, gegenwart.
    wirst du z.B. durch triggerreize an vergangene trauma erinnert, werden diese ziemlich schnell gegenwart, bekannte beispiele sind dabei das sogenannte “ viatnam-syndrom“. die psychologie macht sich diese dinge z.B. durch emdr zu eigen. so wird vergangenheit zur gegenwart. vielleicht solltest du deinem freund eine predigtkassi von diesem freakstock vorspielen.
    wird vergangenheit allerdings in die gegenwart geholt, bewusst oder unbewusst, kommt es oft zum dissoziiern, dann ist es unbewusste vergangenheit in nicht bewusster gegenwart.
    meine theorie: der geist gottes, der in uns wohnt, sitzt im thalamus gespeichert und wir haben alles wissen über gott in uns, müssen es aber, da wir traumatisiert in einer gefallen welt leben, dieses wissen erarbeiten und gott gibt uns seinen teil dazu, unser wissen bleibt stückwerg. so sind charismatische phänomäne eben nicht wie behauptet massendissoziationen, sondern gottes trigger reize für uns in positiv.
    so bekommt man dann auch soma-psyche-pneuma unter einem hut.

    … ich geb dumme kommentare und schau zu 😉

  20. an michas bruder schliesst sich eine interessante frage an: ist er bekehrt auch wenn er es nicht erinnert und mithin auch nicht (mehr) glaubt? umgekehrt gibt es eine schönen film: angel heart, in dem privatdetektiv harry angel ein paar fiese morder aufklären soll und dabei herausfindet, dass er vor jahren, ohne sich daran erinnern zu können, seine seele dem leibhaftigen verkauft hat. tja, der vertrag war auch mit amnesie noch gültig.
    sorry, bin müde…

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  2. […] zu beurteilen was Ursache, was Wirkung und was Koinzidenz war. Ich habe schon einmal einen Post über die Möglichkeit geschrieben, dass man mit einer fiktiven Vergangenheit lebt, und daran hat […]

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