25. September 2005 4

Keine Privatsache

Als ich neulich unser Auto von der Inspektion abholen ging, traf ich an der Bushaltestelle einen alten Kollegen aus der Schul- und Drogenzeit. Die Jahre waren nicht gut zu ihm gewesen und er sah aus, als wäre er noch immer gut dabei. Irgendwann kam die unvermeidliche Frage: „und, was machst du?“, eine absolute Steilvorlage für ein evangelistisches Gespräch: „ich habe mich vor zehn Jahren bekehrt, Jesus hat mich von Drogen frei gemacht und jetzt bin ich Pastor bei den Jesus Freaks“, sagte ich – nicht. Und er fragte nicht nach, was das mit Jesus soll, übergab ihm nicht gleich an der Bushaltestelle sein Leben und ich habe ihn auch nicht am selben Vormittag in der Ruhr getauft. Statt dessen sagte ich „äh, ich also, ich mache…“ und er vervollständigte meinen Satz „…mal dies, mal das, wie wir alle“, verabschiedete sich und ging weiter. Mist!

In solchen Augenblicken kommt immer wieder ein urdeutscher Gedanke trotzig hoch: „Glaube ist doch sowieso Privatsache und geht keinen was an.“ Ein dezenter Fisch am Auto ist ok, aber man will ja keinem auf die Nerven gehen, das schreckt die Leute eh nur ab. ist. Aber im Grunde unseres nicht immer ganz aufrichtigen Herzens wissen wir doch, dass das nicht stimmt. Jesu Vision, sein ganzer Lebensinhalt, war, dass alle Menschen seinen Vater im Himmel kennenlernen; das war auch sein Vermächtnis an seine Jünger: „geht in alle Welt und sagt allen Menschen, was ich Euch gesagt habe, macht alle zu Christen.“ (nach Matthäus 28).
Solange wir uns noch über verpasste Gelegenheiten ärgern stimmt immerhin die Grundvoraussetzung: wir wollen anderen von Jesus erzählen. Niemand, der mit Jesus lebt und Erfahrungen mit ihm gemacht hat, kann schweigen wollen, denn „wovon das Herz voll ist, davon spricht man“. Es ist eine Sache mal eine Gelegenheit zu verpassen und eine ganz andere, wenn der Glaube so tot ist, dass man gar keine Gelegenheit mehr sucht. Mut ist erst das zweite worauf es ankommt, das erste ist eine lebendige, leidenschaftliche Beziehung mit Jesus. Wenn der Wunsch da ist, anderen das Evangelium zu erzählen, ergeben sich immer wieder Gelegenheiten.

Ein paar Monate später bin ich mit dem Zug nach München gefahren. In Solingen stieg eine ältere Dame zu, kam in mein Abteil, trat mir auf den Fuss, entschuldigte sich umständlich, schaute mich an und sagte: „sie sind ein christlicher Mensch.“ Ich hatte kein christliches T-Shirt an und trage auch keine Kreuzkette oder ähnliches, aber manchmal scheint der Heilige Geist in uns Menschen anzusprechen ohne dass wir ein Wort sagen. Diesmal war ich mutiger und bis sich in Köln unsere Wege trennten konnte ich von Jesus erzählen und am Ende haben wir Adressen ausgetauscht.

Diese kleinen Gelegenheiten kommen uns oft gar nicht in den Sinn, wenn wir von Evangelisation reden. Wir denken unwillkürlich an die Grossveranstaltungen der Grahams, Hybels´ und Bonnkes. Oder an die Pfingstpredigt von Petrus bei der sich mal eben 3.000 Menschen bekehrt haben. Aber das ist nur eine Form von Evangelisation. Petrus selbst wurde von seinem Bruder zu Jesus geführt. Reinhard Bonnke hat sich schon als Kind durch das Zeugnis seiner Eltern bekehrt. Genau wie Timotheus, den der Glaube seiner Mutter und seiner Oma zu Jesus gebracht (2.Timotheus 1,5). Die Berufung der Jünger in Johannes 1 ist eine reine Beziehungsgeschichte: Andreas hört es von Johannes und sagt es Simon; Jesus trifft Philipus, der es wiederum Natanael weitersagt.
So breitet sich das Evangelium aus: Menschen sind begeistert von Jesus und es erzählen es ihren Freunden, Kindern und Kollegen; auf der Arbeit, in der Schule, beim trampen, im Urlaub, im Freibad, auf der Strasse, im Kino, in der Disco und im Schützenverein.

Glaube ist keine Privatsache, die nur uns selber was angeht. Bereit zu sein anderen von Jesus zu erzählen ist genauso ein wichtiger Punkt im christlichen Glauben wie beten und bibellesen. Alles, was nötig ist sind ein lebendiger Glaube und der Mut zur richtigen Zeit das richtige zu sagen. Für beides kann man beten.

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2 Kommentare

  1. Für mich hat es kaum Überwindung geekostet, von Jesus zu erzählen. Ich habe seit 1 Jahr Kontakt zu mehreren „Gothics“ (naja, es sind mehr Metaler, aber egal :-)) über einen Chat und ich sitze saugerne mit ihnen in Schweinfurt im Park. Mein Glaube ist für sie unübersehbar, auch, weil ich im Chat dazu eindeutig Stellung beziehe. Die Frage dabei ist für mich nur, inwieweit man was sagen kann, ohne zu nerven. Es kommen auch so Fragen auf wie „Uli, ich verstehe den Witz auf deinem Pulli nicht“ (gemeint ist mein Jesus.-Pulli) und ich muß sie dann enttäuschen und sage „is kein Witz, ich bin Christ“ und dann kommen einfach auch Fragen auf. Ich genieße das. Mittlerweile freuen sich ein paar Leute, wenn ich für sie bete,anscheinend merken sie auch, daß es hilft. Ich träume dabei natürlich auch von einer JF-Gruppe in Schweinfurt. Wer weiß.. 🙂
    Auf meiner Arbeit habe ich auch so eindeutige Pullis an und ich wurde in 5 Jahren nichtmal 20x drauf angesprochen. Neulich hatten wir Betriebsausflug und wir grillten bei einem Arbeitskollegen. Über 37Umwege bekam ich heraus, daß man mich anscheinend interessant fand, aber keiner sprach mich auf meinen tollen Bus (bemalt) bzw. meinen Pulli an :D.
    Glaube ist für mich keine reine Privatsache, aber ich lasse die Leute in ihrem (un)Glauben in Ruhe, sofern sie das möchten. 🙂
    sofx

  2. I’m with you.
    Ich steh auch hinter so vielen verpassten Gelegenheiten und ich hab so ein Verlangen danach, dass das einfach nicht mehr passiert.
    Ich meine, reden um des Redens willen ist ja auch blöd. Aber wenn man – wie Du richtig sagst – schon so ne Steilvorlage bekommt…
    Ich bin letzte Woche eine halbe Stunde lang fast allein mit einem amerikanischen Busfahrer gefahren (aber hier in D), der sowohl ein „Jesus is my King“-pin an seinem Sonnenschutzrollo als auch irgendeinen blöden abergläubischen Maria-Anhänger (er hat mir ne Story erzählt von wegen wenn das Ding kaputt geht, geht ein Wunsch in Erfüllung… arghs) um den Hals… meinste ich hätte das Maul aufgemacht und ihm gesagt, was die Bibel zu sowas sagt oder so? Ich hab ihn nicht mal in die Gemeinde eingeladen. Und dabei war das jemand, der generell schon mal für Gespräche über Jesus offen war. *sighs*
    Vielleicht fahr ich ja nochmal mit ihm… 😉

    Looooord help us…

    Das mit der alten Dame im Zug ist ja genial. 🙂 Sowas freut mich immer irre. 🙂
    Schöne kommende Woche Dir! 🙂

2 Pingbacks

  1. […] schreibt Storch in einem Blogeintrag “Denn inzwischen hat es Europas Christenheit gar mit einem »aggressiven missionarischen Atheismus« zu tun, wie ihn der deutsche Kurienkardinal Walter Kasper ausgemacht hat. Auch der britische Philosoph John Gray sorgt sich in der »Frankfurter Allgemeinen Zeitung«: In den westlichen Ländern agiere derzeit »ein missionarischer Atheismus, wie es ihn seit viktorianischen Zeiten nicht mehr gegeben hat«. Und der ebenfalls britische Literaturprofessor Terry Eagleton sekundiert ihm in der »Zeit« mit der Feststellung, dass »die westliche Kultur Gefahr läuft, in einer heillosen Mischung aus moralischem Relativismus, politischem Pragmatismus und philosophischem Skeptizismus zu versinken«.” […]

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