ich las eine interessante definition von exegese: „der inhalt ist des originals ist zu erschliessen, aus der originalsprachlichen form, verpackung herauszulösen, >>auszupacken< < (dies nennt man >>exegese< <)." heinrich von siebenthal, der ganze artikel ist als link in meinem letzten post zu finden. nach dieser definition besteht ein unterschied zwischen der form (worten, sätzen, metaphern etc.) der bibel und dem inhalt (erlösungsgeschichte etc.). das ist eigentlich klar, sollte es zumindest. wer exegese betreibt, der weiss um diesen unterschied. allein, dass es exegese gibt, weisst darauf hin, dass form und inhalt unterschieden werden müssen.
eine kernfrage lautet nun: „was ist gottes wort?“ ist es der inhalt der bibel oder die form oder beides? da gibt es zwei antwortmöglichkeiten, die man beide in der praxis findet:

1. form und inhalt sind gottes wort
anhänger dieser tradition halten die form der bibel hoch. in übersetzungen ist es wichtig, die sprachgestalt nach möglichkeit zu erhalten. die bibel gilt als „verbalinspiriert“, durch göttliches diktat eingegeben und ist deshalb nicht interpretierungsbedürftig sondern 1:1 umzusetzen.
meiner beobachtung nach wird dieser ansatz nirgendwo bis in die letzte konsequenz verfolgt. konsequent wäre, die bibel nur in den originalsprachen zu lesen (wie es die moslems mit dem koran halten) und auch offensichtlich unsinnige anweisungen zu befolgen (z.b. 2.Tim 4,13). aber im grunde unserer nicht immer aufrichtigen herzen wissen wir alle, dass es ok ist, übersetzungen zu verwenden und dass man die bibel schlicht nihct wörtlich nehmen kann.

2. der inhalt ist gottes wort
anhänger dieser schule sehen die bibel als gottes wort, das an menschen einer bestimmten zeit und sprache gegeben wurde. ihnen geht es darum, den sinn hinter den worten zu verstehen, dass zeitlose in zeitlicher sprache. der inspirationsprozess ist nicht ganz so wichtig, denn es kommt nicht in erster linie auf den genauen wortlaut an sondern auf das, was gott und heute durch sein wort sagen will. selbstverständlich ist die bibel gottes wort, aber sie kann nicht wörtlich gelebt werden sondern ist auslegungsbedürftig.

in der zweiten anschauungsweise sind exegese und hermeneutik sehr wichtig. weniger wichtig ist, dass in übersetzungen die originale sprachgestalt intakt bleibt. hauptsache der inhalt kommt rüber.

ich bin deutlich auf der seite der zweiten schule. dennoch lerne ich eifrig griechisch und lese elberfelder. zum studium erscheint mir das besser geeignet. aber generell lege ich mehr wert auf den inhalt als auf die form. für mich ist gottes wort nicht eine ansammlung von buchstaben, sondern der geist, der darin zum vorschein kommt. jesus sagt selber: „Die Worte, die ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben.“ (johannes 6,63)
deshalb denke ich, dass es okay ist, den inhalt aus der form zu lösen und in eine neue form zu packen, die sich unter umständen sehr von der griechischen und hebräischen originalform unterscheidet. damit stelle ich mich auf die seite freier übersetzungen und übertragungen. ich würde diese (HfA, GN, Volxbibel) nihct als einzige bibel verwenden, bin aber froh, dass es sie gibt.

ich sehe die bibel immer von der offenbarungsseite. als gott mose gezeigt hat wie er die welt geschaffen hat musste er es einem menschen mit recht schlichtem weltbild in einer sehr einfachen sprache zeigen. ich bin völlig überzeugt, dass die ersten bibelkapitel anders ausshen würden, wenn gott heute stephen hawking die schöpfung in englisch erklären würde. dennoch wäre der inhalt gleich. das ewige der bibel ist ihr inhalt die form in die er gegossen wurde.

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CD im Player:
– antidemon: demonicidio

Bücher neben dem Sessel:
– bücher? wer kommt heutzutage noch zum lesen?
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[neu veröffentlicht am 10.09.06 auf Hasos Tafel]

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2 Kommentare

  1. Eine kleine Geschichte:
    Bei der Übersetzung des NT in eine Stammessprache haben die Bibelübersetzer pflichteifrig und wortgetreu übersetzt: wenn er um Fisch bittet, wer gibt dann eine Schlange?
    Die Einwohner waren entsetzt, traurig und verstört – warum diese Aufregung. Nun, dieser Stamm lebt an einem Fluß: Fische gibt es tagein, tagaus, aber Schlangen – sie sind echte Delikatessen und selten. Ein guter Vater wird seinen Kindern doch keine Fische geben, wenn er eine Schlange hat.
    Das Ende vom Lied war: die Bibelübersetzer haben übersetzt: „Wo ist der Vater unter Euch, der wenn ihn sein Kind um eine Schlange bittet, ihm einen Fisch gibt?“ Genau das Gegenteil, aber für diesen Stamm richtig. Inhalt über Form. Mein Reden.
    Grüße
    Björn

  2. hi lewis,
    ich habe eine ähnlich geschichte über eine bibel für die innuit (eskimos) gelesen. für sie war es unbegreiflich, dass Gutes von „oben“ kommen sollte. Himmel war immer etwas schlechtes, denn von da kamen schnee, hagel usw. während Gutes von unten (aus dem meer) kam: fische, robben usw. da hat man dann wohl auch einige liebgewonnene bilder der verständlichkeit wegen umgestellt…

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